Auslandssemester in Finnland

Erasmus in Zeiten von Covid-19

Erasmus inmitten einer Pandemie? Trotz Schwierigkeiten durch Covid-19 machte sich die Aalener Optometrie–Studentin Zoe Zumkeller im August 2020 auf den Weg in den Norden Europas, um dort für ein Semester an der Oulu University of Applied Sciences in Finnland zu studieren.
Aalener Studentin im Erasmus Auslandssemester in Oulu Finnland

Studentin Zumkeller neben dem Toripollisi, einem Wahrzeichen der Stadt Oulu (links). Der Oulanká-Nationalpark im Herbst (rechts).

© Zoe Zumkeller

Zu Beginn der Planung des Auslandssemesters wird oft gefragt, warum gerade jenes Land auserkoren wurde – dabei ist die Antwort für Finnland recht einfach: Zum einen gibt es an der Aalender Hochschule eine frühe Vorstellung der Oulu University of Applied Sciences (OAMK) in Oulu durch den finnischen Dozenten Stafan Diekhoff. Zum anderen ist Finnland für seine unglaubliche Natur und seine Nordlichter bekannt. Die Idee, dort zu leben – wenn auch nur zeitlich begrenzt – wurde schnell zu einem Plan für die Studentin Zoe Zumkeller. Bis kurz vor dem Abflug war jedoch unklar, ob sich die Abreise so einfach gestalten würde, denn Covid-19 hatte diesbezüglich schon im Vorfeld für Unruhen gesorgt.

Im August 2020 machte sich die Studentin schließlich auf den Weg in den Norden Europas. An der OAMK selbst fanden zu Beginn alle Kurse als Präsenzveranstaltung statt, denn die Fallzahlen der Covid-19-Erkrankten waren in Finnland deutlich geringer als in Deutschland. Nach kurzer Zeit wurden die Vorlesungen auf Wunsch der Studierenden jedoch online abgehalten. Die Praktika konnten bis Dezember in den Laborräumen stattfinden, zuletzt in immer kleineren Gruppen, da die Zahl der Infektionen in der Region rund um Oulu immer weiter zunahm.

Studieren in Finnland

Neben Vorlesungen zum Thema Kontaktlinse und Refraktion besuchte Zumkeller einen „Finnisch-Survival-Kurs“, um die Basics der finnischen Sprache und Kultur zu lernen. Darüber hinaus gab es Vorlesungen zu medizinischen Themen wie beispielsweise dem vorderen Augenabschnitt und Screening. In diesen wurden Methoden besprochen, die von deutschen Optometristinnen und Optometristen so nicht durchgeführt werden dürfen. Denn: In Finnland ist eine Optometristin in Gebieten tätig, die in Deutschland Ärztinnen und Ärzten vorbehalten sind. So durfte die Studentin bei den zugehörigen Praktika unter anderem Tropfen zur Zykloplegie geben und nach Betäubung der Hornhaut auch Praktiken der Applanationstonometrie und Gonioskopie durchführen. Ein weiterer Punkt, in dem sich das Berufsbild des Optometristen der beiden Länder unterscheidet: In der Bundesrepublik kann eine Ausbildung zur Augenoptikerin und zum Augenoptiker, eine Weiterbildung zur Augenoptikermeisterin und ein Studium absolviert werden. In Finnland hingegen ist das Optometrie-Studium der einzige Weg in die Branche. Es ist zudem - im Vergleich zum Aalener Standard - wesentlich medizinischer und weniger technisch ausgelegt und erlaubt so den Optometristinnen die Gabe von diagnostischen Augentropfen wie Tropicamid oder auch Lokalanästektika. Insgesamt empfand die Studentin das Studium in Finnland gelassener. Durch die Gruppenarbeit lerne man seine Mitstudentinnen und -studenten kennen und es werden - wie in allen nordischen Ländern üblich -  die Dozentinnen und Dozenten geduzt.

Beim Praktikum in der Werkstatt eines ortsansässigen Augenoptikbetriebes konnte Zumkeller den Kontakt zu Einheimischen ausbauen, ihnen Fragen über die finnische Kulturund etliche Ausflug-Tipps erfahren. Außerhalb der Praktika konnte im Geschäft das Refraktionieren an anderen Studierenden geübt werden.

Augen links Abdruck einer Gonioskopie-Linse, rechts Auge mit weitgetropfter Pupille

Links: Auge mit Abdruck der Gonioskopie-Linse / rechts: Auge mit weitgetropfter Pupille

© Zoe Zumkeller

Durch Finnland reisen

Finnland ist ein wunderschönes Land, das seine Eigenheiten hat, berichtet Zoe Zumkeller weiter. Die Einheimischen gelten als introvertiert, seien jedoch immer höflich und bereit, Fragen zu beantworten. Finnisch zähle zu den schwierigeren Sprachen, doch das sei kein Hindernis, da die Finnen meist hervorragend Englisch sprechen würden. Doch als Zeichen der Anerkennung sollten die Basics der finnischen Sprache erlernt werden, meint Zumkeller.

Neben den Menschen sind auch die Landschaft und Natur in Finnland ein wichtiger Aspekt: Im September 2020 wurde von den ausländischen Studierenden ein Ausflug in den Oulanka-Nationalpark zum Wandern unternommen. Neben den Nordlichtern konnten sie in seltener Klarheit die Milchstraße bewundern (die Lichtverschmutzung in Finnland ist deutlich geringer als im hochbesiedelten Zentraleuropa). Während in Deutschland Wanderlustige meist auf Forstwegen unterwegs sind, setzen die Finnen - so wie auf dem Wanderweg Keroharju - auf Trampelpfade durch unterschiedliche Landschaften. Darüber hinaus nutzten viele die Möglichkeit, mit dem Zug für ein Wochenende nach Helsinki zu fahren, um in den Museen vor Ort einen Einblick in die finnische Geschichte, Kultur und Kunst zu bekommen.

Ein paar Studierende unternahmen einen Ausflug nach Levi im Norden Finnlands, um dort die Rennen des Frauen-Slalom World Cups anzusehen und selbst Ski zu fahren. Ein empfehlenswerter Trip sei, so Zumkeller, der Ausflug nach Rovaniemi in der Weihnachtszeit – schließlich wohne dort der Weihnachtsmann. Generell gelte: In Oulu kommt man überall mit dem Fahrrad hin, die Wege sind gut ausgebaut (und ausgeschildert) und außerdem beleuchtet – was bei dem frühen Einbruch der Dunkelheit von Vorteil ist. Außerdem wird es in Finnland deutlich kälter als in Mitteleuropa. Trotz der geltenden Reise-Restriktionen konnte innerhalb Finnlands noch gereist werden, sicher auch weil die Bevölkerungsdichte dort mit der hiesigen überhaupt nicht zu vergleichen sei. Insgesamt gab es daher nur sehr wenige Beschränkungen im Alltag durch Covid-19, Cafés, Restaurants etc. hatten offen, und auch Museen und weitere Einrichtungen konnten besichtigt werden. Bei der Heimreise hatte Zumkeller keine Probleme, viele Studierende hatten jedoch Schwierigkeiten wegen abgesagter Flüge.

„Ausdrückliche Empfehlung!“

„Wer noch hadert, dem sei gesagt, dass diese Gelegenheit ergriffen werden soll! Selbst mit Covid-19 war mein Semester in Finnland eine Erfahrung, die ich nicht missen möchte. Das Land selbst ist einfach wunderschön, es gibt unglaublich viel Natur, selbst in den Städten. Leider habe ich selbst den Wintereinbruch nicht richtig miterlebt, weil ich vor Weihnachten bereits zurückgereist bin, hoffe aber, im „richtigen“ Winter noch einmal zurückkehren zu können. Es spricht dort jeder Englisch - was die Kommunikation natürlich vereinfacht. Durch das Arbeiten mit wissenschaftlichen Artikeln für manche Module und die Unterhaltungen mit vielen anderen Austauschstudenten haben sich meine Sprachkenntnisse verbessert. Generell: Mit anderen Studenten aus den verschiedensten Nationen zusammen zu wohnen ist eine tolle Erfahrung, und es ist nur zu hoffen, dass die entstandenen Freundschaften eine Weile bestehen, und dass sich viele nach Covid-19 wiedersehen! Darüber hinaus weckt es das Interesse für einen weiteren Auslandsaufenthalt oder auch eines Tages im Ausland zu arbeiten…", blickt die angehende Optometristin zurück.

So seien die Erwartungen der Teilnehmenden im Erasmus-Programm erfüllt, sogar übertroffen worden. Trotz der Einschränkungen durch die Corona-Pandemie hätten alle großen Gewinn aus ihren Erfahrungen in Oulu ziehen können – nicht zuletzt, weil sie mehr persönliche Freiheiten hatten als in manch anderen europäischen Ländern, so Zumkeller. " Mein Aufenthalt im Ausland hat mir gezeigt, wozu jeder Einzelne fähig ist, hat mir neue Optionen eröffnet und die Augen für Neues geöffnet. Ich kann abschließend nur sagen: Ich würde es jederzeit wieder machen!“

Autorin: Zoe Zumkeller