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DOZ

09 | 2017

95

Wahrscheinlichkeit einer Progression der

Myopie berücksichtigt werden.

Es wurde nachgewiesen, dass Myo-

piekontrolle zeitlich am effektivsten bei

Kindern unter zwölf Jahren ist, jedoch

erleben wir momentan ein Fortschreiten

der Myopie bis ins junge Erwachsenenal-

ter, insbesondere während des Studiums

oder wenn viel Naharbeit verlangt wird.

Dies bedeutet also, dass Kurzsichtige eine

potenziell höhere finale Myopie erreichen,

als es noch vor ein paar Jahrzehnten der

Fall war, da ihr Fortschreiten sich über

einen längeren Zeitraum erstreckt.

Auch junge Erwachsene

könnten von einer

Kontaktlinsen-Behandlung

profitieren.

Die klinische Einschätzung über das Al-

ter, in dem die Behandlung eingestellt

wird, muss dabei bildungstechnische An-

forderungen sowie einen geringfügigen

Effekt auf die visuelle Qualität beim Au-

tofahren berücksichtigen. Alterssichtige

mit multifokalen Kontaktlinsen sind beim

Autofahren nicht (oder nur bedingt) ein-

geschränkt, dementsprechend könnte das

Fortfahren der Behandlung mit maßge-

schneiderten Kontaktlinsen selbst in der

Altersgruppe der Anfang-20-Jährigen als

angemessen betrachtet werden.

Pharmakologische

Ansätze

Das Antimuskarinikum Atropin hat in

Studien vielversprechende Ergebnisse

gezeigt und wird in Asien mittlerweile zur

Myopiekontrolle häufig genutzt. Niedrig

dosiertes Atropin von 0,01 Prozent stellt

eine Chance dar, da bei dieser geringen

Dosis Probleme wie Photophobie, ver-

ringerte Akkommodation und Rebound-

Effekte deutlich seltener beziehungsweise

schwächer ausgeprägt sind. [33-34]

Dennoch hat diese geringe Dosis nach-

weislich beinahe den gleichen Effekt wie

1,0 Prozent Atropin. Obwohl niedrig do-

siertes Atropin ein vielversprechendes

Mittel zur Myopiekontrolle ist, muss dies

einhergehen mit einer präzisen optischen

Korrektion der Myopie. Sobald niedrig

dosiertes Atropin in Europa allgemein

und kommerziell verfügbar wird, sollte

ein ganzheitlicher Ansatz sowohl phar-

mazeutische und optische Beratung als

auch Beratung zur Lebensart in Form ei-

nes koordinierten Behandlungsplans für

Myopie bei Kindern enthalten. An dieser

Stelle kann erwähnt werden, dass niedrig

dosiertes Atropin bei der Myopiekontrolle

mit Kontaktlinsen nachweislich zu einer

höheren Effizienz und einem reduzierten

Fortschreiten gegenüber nur einer der

Methoden allein führt. Weitere Studien

werden in näherer Zukunft wahrscheinlich

mehr Aufschluss geben.

Kommunikation und

Zusammenarbeit

Kommunikation spielt immer eine Schlüs-

selrolle für die Zusammenarbeit und

das Verständnis der Beweggründe der

klinischen Einschränkungen aktueller

Praktiken in der Myopiekontrolle. Die

Nutzung von Online-Prognose-Tools wie

www.myopiacare.org ka

nn dabei helfen,

den Eltern zu demonstrieren, wie das Ri-

siko ihres Kindes ohne eine Behandlung

sein könnte und die Kommunikation ver-

einfachen. Die Eltern müssen von Beginn

an und während der Behandlungsphase

realistische Vorstellungen von einem

möglichen Erfolg haben. Jeder Mensch

spricht unterschiedlich auf die Behand-

lung an und es ist wichtig, Erwartungen zu

steuern, da die Entwicklung von Myopie

und ihr Fortschreiten nicht verhindert

oder vollständig kontrolliert werden kön-

nen. Deshalb ist es maßgeblich, dass die

Betroffenen oder die Eltern über die Ein-

schränkungen und Vorteile der verschie-

denen Behandlungsmethoden aufgeklärt

werden. Einige Kinder entwickeln unge-

achtet jeden Eingriffes eine starke Myopie

und das Ausmaß, in dem das Fortschreiten

reduziert wird, kann unvorhersehbar sein.

Bei der Durchführung einer Myopiekon-

trolle muss sichergestellt werden, dass

eine entsprechende Zustimmung einge-

holt wird.

Keine dieser Möglichkeiten zur Steue-

rung von Myopie wird derzeit direkt durch

die Krankenkassen unterstützt.

Die Ursachenforschung zum Fort-

schreiten von Myopie ist multifaktoriell,

weshalb der Autor der Meinung ist, dass

ein evidenzbasierter, ganzheitlicher An-

satz vonnöten ist. Dieser sollte die Bera-

tung zum Lebensstil, Outdoor-Aktivitäten,

optische Korrektion (weiche Mehrstärken-

Kontaktlinsen oder Ortho-K), Brillen und

potenziell auch pharmakologische Strate-

gien beinhalten. Diese sollten nicht ein-

zeln betrachtet werden, sondern vielmehr

als eine vereinte Behandlung basierend

auf den Bedürfnissen des einzelnen Kun-

den.

Augenspezialisten haben eine klinische

Sorgfaltspflicht, die Gesundheit des gan-

zen Menschen zu schützen, anstatt nur

dem Fortschreiten der Myopie zu folgen.

Die Zukunft

In den letzten zehn Jahren wurde nachge-

wiesen, dass es möglich ist, die Myopie-

Progression zu steuern. Fachverbände

bieten mittlerweile Richtlinien für die

Behandlung an. Die beschriebenen Ver-

fahren stellen unterschiedliche Ansätze

dar. Während das Wissen und die Belege

dafür, was funktioniert, stetig wachsen,

werden diese sicherlich auch in Zukunft

angepasst. Weitere Forschungen werden

sich auch die Ernährung näher ansehen.

Da der Einfluss von Tageslicht schon sehr

klar scheint, werden Vitamin D und Lutein

als Nahrungsergänzungsmittel möglicher-

weise eine Rolle spielen. Erste Ergebnisse

mit Koffein sehen vielversprechend aus

und es wird sich herausstellen, ob sich

diese bestätigen lassen. Die Verbreitung

der Problematik der Myopie-Progression

wird schneller in die Öffentlichkeit kom-

men, wenn sich mehr Augenspezialisten

mit dem Thema beschäftigen und die Be-

troffenen in der Praxis ansprechen. Neue

maßgeschneiderte Kontaktlinsendesigns

und pharmakologische Produkte werden

auf den Markt kommen (müssen). Die

FDA aus den USA hat dazu im September

2016 verschiedene weltweit anerkannte

Spezialisten und die Industrie zu einem

Meeting eingeladen. Idealerweise sollte

ein Weg gefunden werden, Augentropfen

mit antimuscarinergen Eigenschaften in

Umlauf zu bringen. Diese Wirkstoffe in die

Versandlösung weicher Mehrstärken-Ein-

tageslinsen (CD) zu integrieren, könnte

dabei eine mögliche Variante sein.

n

Pascal Blaser, M Sc.

und Nick Dash BScHons(Optom)

MCOptom, Dip SVA

Die Literaturangaben stehen auf

www.doz-verlag.de zu

m Download bereit.