Wie T. Brockmann die Brücke zur nächsten Generation schlägt

Augenarzt unterrichtet klinische Optometrie an EAH Jena

Augenoptiker, Optometristen und Augenärzte können von einem Miteinander nur profitieren, findet Professor Tobias Brockmann. Der Oberarzt der Universitäts-Augenklinik in Rostock hat sich vorgenommen, die Grenzen mit der Weitergabe seines Wissens aufzubrechen und unterrichtet seit diesem Sommer als Professor für Klinische Optometrie an der Ernst-Abbe-Hochschule Jena. Wieso das den Studierenden nur zugutekommen kann, und welche Chancen sich daraus für die komplette Branche ergeben, verrät Brockmann im Interview.
Graphik: zwei Figuren bauen gemeinsam eine Brücke zwischen einander

Brückenschlag: Das Spannungsverhältnis zwischen Augenärzten und Optometristen abzubauen, hat sich der Rostocker Professor Tobias Brockmann zum Ziel gesetzt, „weil alle Felder maßgeblich profitieren würden, wenn wir enger kooperieren“.

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Erstveröffentlicht in der DOZ 12I23

DOZ: Ziehen Sie sich als Augenarzt nicht die eigene zukünftige Konkurrenz heran, indem Sie Optometristen ausbilden?
Prof. Dr. Tobias Brockmann
: Nein, ich sehe es eher so, dass die Felder der Augenoptik, der Optometrie und der Ophthalmologie maßgeblich davon profitieren würden, wenn wir alle enger miteinander kooperieren. Am Beispiel der englischsprachigen Länder sieht man deutlich, dass die Optometristen ein weites Feld abdecken und die Augenärzte trotzdem genug zu tun haben. Ich sehe nicht, weshalb das nicht auch in Deutschland funktionieren sollte. Zudem stehen wir vor großen demografischen Herausforderungen, die es zu lösen gilt. Gerade in ländlichen Gegenden sind die Augenoptiker und Optometristen die erste Anlaufstelle für ältere Menschen, da immer mehr Augenärzte in den Ruhestand gehen. Meiner Meinung nach bringt es uns und den Patienten nichts, wenn wir in berufspolitischen Stellungskriegen verharren.

Wie bewerten Sie das Spannungsfeld zwischen Optometristen und Augenärzten?
Ich denke, es ist ein Generationenthema. Erfahrene Augenärzte mit langjähriger Praxis erinnern sich noch an die Zeit, in der es wirtschaftlich schwieriger für sie war. Der Gedanke, etwas an den Augenoptiker zu verlieren, ist da schmerzlich verankert. Die junge Generation erlebt diesen wirtschaftlichen Druck so nicht und hat auch eine andere Freiheit in Bezug auf die Berufswahl, als das früher der Fall war. Daher scheint mir die junge Generation in diesem Fall etwas aufgeschlossener. Zudem gibt es mehr Augenoptiker und Optometristen als Augenärzte. Das heißt, die Augenoptiker sehen wesentlich mehr Patienten oder Kunden als die Augenärzte. Oftmals kommen aber auch pathologisch bedürftige Menschen gar nicht zum Augenarzt, weil die Integration zwischen den Fächern fehlt. Durch eine bessere Kommunikation untereinander würden beiden Seiten und vor allem die Patienten profitieren.

Arbeiten Sie auch in der Augenklinik in Rostock mit Optometristen zusammen? Wenn ja, welche Aufgaben übernehmen diese?
Ja, ich arbeite seit Jahren mit Optometristen zusammen. Zum einen sind es gut ausgebildete Leute, die einen sehr guten Patientenumgang haben. Sie übernehmen dort wesentliche Aufgaben im Rahmen der medizinischen Versorgung, aber auch im Ablauf von Studienuntersuchungen nach geltenden Standards (GCP, Good clinical practice; Anm. d. Red.). Zudem wird in vielen augenärztlichen Praxen oder Kliniken auf die Unterstützung von Optometristen gesetzt, die aktiv am Patienten mitarbeiten und die Befunde vorbereiten. Die Befundung obliegt den Augenärzten, aber das Screening wird den Optometristen überlassen. Wir schauen zwar drüber, aber wir schätzen auch die fachkundige Meinung und die Hinweise der Kollegen. Zudem übernehmen die Optometristen auch administrative Aufgaben. Sie vereinbaren Termine, übernehmen die Nachbearbeitung der gesammelten Daten, legen den Zeitplan mit dem Patienten fest und sind der persönliche Ansprechpartner für diesen. Die Refraktion wird auch von Optometristen übernommen. Die Befundung an der Spaltlampe obliegt allerdings den Augenärzten. Das Studienmonitoring, das heißt die externe Überwachung der Studienabläufe und -daten, erfolgt auch häufig durch externe Optometristen, sodass die Kommunikation auf gleicher Ebene stattfindet.

Wie kam es zu Ihrer Stelle als Dozent?
Ich habe mich auf die Ausschreibung beworben. Ich kannte meine Vorgängerin Prof. Dr. Kathleen Kunert schon, und persönlich fühle ich mich Thüringen sehr verbunden: Zum einen kommt meine Frau aus Thüringen, zum anderen habe ich auch in Jena studiert und liebe die Stadt. Außerdem fasziniert mich seit meinem Studium die augenoptische Industrie vor Ort. Hier hat die Integration zwischen den ingenieurtechnischen Studiengängen, der Industrie und der Klinik eine besondere Bedeutung. Das alles hat die Stelle für mich sehr interessant gemacht. Abgesehen davon ist Jena die Geburtsstätte von vielen Innovationen der Augenoptik und es ist eine tolle Möglichkeit, an weiteren Innovationen für die Klinik aktiv mitwirken zu können.

Portrait Prof. Brockmann

Tobias Brockmann hat selbst in Jena studiert, nun unterrichtet der Professor dort die Optometristen von morgen. „Je früher man einander kennenlernt, umso besser“, findet der 37-Jährige.

© Tina Peißker

Was reizt Sie daran, die Optometristen von morgen auszubilden?
Mir liegt viel daran, dass die innovative Entwicklung in der Augenheilkunde weitergeht. Und wir Augenärzte sind in der Regel komplett mit der Patientenversorgung ausgelastet. Das heißt, uns bleibt wenig Zeit, komplexe Forschungskonzepte zu entwickeln oder durchzuführen. Da sind wir auf Biologen im pharmazeutischen Bereich oder Ingenieure im technischen Bereich angewiesen. Und aus meiner Sicht ist der Optometrist das ideale Bindeglied zwischen diesen Berufsfeldern. Daher ist es mein Ziel, die Masterstudenten auf Leitungspositionen in der Industrie vorzubereiten, damit sie dort aktiv mitwirken können.

Welche Herausforderungen kommen auf die Optometristen von morgen zu?
Vor allem die Megatrends demografischer Wandel und KI werden die nächste Generation beschäftigen. Die demografische Entwicklung wird dazu führen, dass der Bedarf an Optometristen steigt. Zudem müssen die technologischen Felder überarbeitet werden, in denen ein großer Kommunikationsbedarf in Richtung der Patienten herrscht. Auch der Bereich Telemedizin fordert eine großflächige Integration. Diese Trends werden zu einer steigenden Anzahl von Patienten führen, die kommunikativ abgeholt werden müssen.

Und wie bereiten Sie Ihre Studierenden darauf vor?
Ich binde ein breites Spektrum an externen Referenten ein, die Einblicke in die verschiedenen Berufsfelder geben können, zum Beispiel aus der refraktiven Chirurgie. So sollen auch die Vorbehalte der Studierenden kleiner werden, sich bei den Kollegen für ihre Masterarbeit zu bewerben. Das öffnet zudem den Weg für spätere Kooperationen. Die Welt der Optometristen und Augenärzte ist einfach klein, und je früher man einander kennenlernt, desto besser für die spätere Zusammenarbeit.

Was ist Ihrer Meinung nach der Vorteil für die Studierenden, wenn Sie als Ophthalmologe die Optometristen ausbilden?

Es bedarf eines Augenarztes, um den zukünftigen Kollegen Pathologien, Therapien, den Umfang von Therapien und deren Grenzen darzulegen. Dafür könnten die Studierenden natürlich auch Bücher wälzen, aber ich als Augenarzt kann aus meinem eigenen Erfahrungsschatz berichten und unterrichten. Gerade, wenn die Optometristen mehr in die Patientenversorgung integriert werden sollen, muss vorher eine entsprechende Anleitung durch Augenärzte erfolgen. Wir arbeiten aktuell an einer klinischen Praxisphase für die Studierenden, die es stärker auszubauen gilt.

Die Versorgungslücke in Bezug auf die Gesundheitsvorsorge fürs Auge ist unbestritten. Wie kann man dieser aus Ihrer Sicht im Sinne der Patienten begegnen?
Auf dem Land gibt es ganz klar eine Versorgungslücke. Ein Augenarzt einer Kleinstadt geht in Rente, die Praxis wird nicht nachbesetzt, die Patienten bleiben zurück. Das sind mitunter vor allem ältere Menschen, die eventuell auch nicht mehr mobil sind. Ich denke, dass die Telemedizin hier von großer Bedeutung sein wird. Allerdings sollte die Befundungen bei diesem telemedizinischen Ansatz in der Hand der Augenärzte bleiben. Damit die Integration dieser „Satellitenpraxen“, bei denen die Ärzte nicht mehr vor Ort sind, gelingt, muss eine zuverlässige Patientenbegleitung durch Augenoptiker oder Optometristen gewährleistet sein. Das würde die Vorbereitung der Patienten auf verschiedene Prozedere und viele administrative Themen beinhalten. Die Diagnosestellung soll nach wie vor den Augenärzten zufallen. Aber die Aufarbeitung der Befunde ist etwas, was die Optometristen zunehmend leisten können, wie beispielsweise ein Gesichtsfeld aufzunehmen oder eine Fundusaufnahme im Weitwinkel. Das haben die Optometristen alles gelernt und sollten diese Aufgaben selbstverständlich übernehmen.

Bisher gab es keinen einheitlichen Standard in der Ausbildung zum klinischen Optometristen. Würden Sie sich einen solchen wünschen?
Definitiv. Zum einen kann man den Optometristen HWK nebenberuflich erlangen, zum anderen gibt es die Bachelor-/Masterstudiengänge, die fünf Jahre intensives Lernen beinhalten. Beides ist meiner Meinung nach aber nicht miteinander vergleichbar. Überdies ist die Berufsbezeichnung des Optometristen in Deutschland nicht geschützt, was es natürlich auch für die Augenärzte schwieriger macht. Woher soll ich wissen, wie tiefgehend das Wissen des einzelnen Optometristen ist? Es wäre wünschenswert, dass die Berufsverbände sich in dem Punkt klarer positionieren und Vorschläge zur Vereinheitlichung machen.