Ausgewählte Brillengläser im Vergleich

Autofahrgläser: Unterschiedliche Ansätze für weniger Blendung

Eine fast alltägliche Situation im Augenoptikfachgeschäft: Eine Kundin klagt über schlechte Sicht beim Autofahren – gerade bei schlechter werdenden Sichtverhältnissen durch einsetzende Dunkelheit oder bei Blendung durch das Licht entgegenkommender Fahrzeuge. Zahlreiche Hersteller bieten hier spezielle Brillengläser, um der Kundin bei diesem Problem helfen zu können. Dabei setzt man bei den Firmen auf durchaus unterschiedliche Ansätze, wie der Vergleich von vier Gläsern deutlich macht.
Autofahren bei Nacht
© Adobe Stock /krichigin

Erstveröffentlicht in der DOZ 08I21

Seit einigen Jahren sind spezielle Brillengläser zum Autofahren zur Verbesserung der Sicht bei Dunkelheit und widrigen Sichtverhältnissen auf dem Markt. Der Hauptzweck dieser Gläser ist die Reduzierung der Blendung durch entgegenkommende Fahrzeuge, Straßenbeleuchtungen und Lichtquellen im Fahrzeug sowie die Erhöhung des Kontrastes. Drei Möglichkeiten, eine Blendungsreduzierung und eine Kontrasterhöhung zu erreichen, werden derzeit eingesetzt: spektrale Manipulation insbesondere der kürzeren Wellenlängen, zweckangepasste Entspiegelungen oder eine Kombination der vorgenannten Ansätze.
Um das Wissen darüber zu erweitern, wie die speziellen Brillengläser eine Blendungsreduktion erreichen, wurden die spektralen Transmissionskurven verschiedener Brillengläser mit unterschiedlichen Beleuchtungsarten im Versuchslabor gemessen. Daher bezieht sich diese Betrachtung nur auf die Transmission der getesteten Brillengläser. Die Designs der jeweiligen Brillengläser bleiben von dieser Betrachtung unberücksichtigt.

Prüfung von vier Brillengläsern

Vier spezielle Brillengläser für das Autofahren (jeweils Scheitelbrechwert von 0 Dioptrien) wurden untersucht: DriveSave (n = 1,50), Zeiss, Deutschland; EnRoute PRO (n = 1,60), Hoya, Japan; Formula Drive (n = 1,60), Optovision, Deutschland und Streetlife (n = 1,50), Essilor, Frankreich. Zum Vergleich wurde ein Plan-Standardbrillenglas (n = 1,60) vermessen. Die spektrale Bestrahlungsstärke, im Wellenlängenbereich von 380 bis 780 nm (Schrittweite = 5 nm), wurde mit dem Mavospec Base Spektrometer (Gossen, Deutschland) ermittelt. Die Messungen wurden für drei verschiedene Bedingungen durchgeführt: eine Glühlampe, eine weiße LED (Peak bei 455 nm) und eine blaue LED (Peak bei 410 nm). Die blaue LED wurde zusätzlich ausgewählt, da eine Reduktion des blauen Lichtanteils die Effekte der Lichtstreuung und der chromatischen Aberration minimiert.
 

Blaues LED

Spektogramm der blauen LED ohne Filterung durch ein Brillenglas. Die Abszisse wurde auf den Bereich von 380 bis 480 nm begrenzt, da es sich um eine blaue Beleuchtung handelt und außerhalb dieses Bereichs keine elektromagnetische Strahlung gemessen wurde.

© Andreas Hartwig

Ansätze zur Reduzierung der Blendung

Aus den Spektrogrammen ist ersichtlich, dass die Hersteller unterschiedliche Ansätze zur Reduzierung der Blendung während der Autofahrt verwenden. 

•    Beleuchtung mit Glühlampe

Für die Glühlampenbedingung wurde keine signifikante Änderung der spektralen Bestrahlungsstärke für die DriveSafe- und Streetlife-Gläser beobachtet. Die EnRoute PRO und Formula Drive Brillengläser wirken wie Kantenfilter und beginnen ab 420 nm mit der Transmission. Bei dem Standardbrillenglas sieht das Spektogramm vergleichbar aus, nur dass die Transmission bei 410 nm beginnt.

•    Beleuchtung mit weißer LED

Für die weiße LED-Bedingung wurde bei allen Brillengläsern keine signifikante Änderung der spektralen Bestrahlungsstärke beobachtet, außer einer Reduzierung des blauen Peaks um etwa 5 mW/m² bei den Brillengläsern DriveSafe, EnRoute PRO und Formula Drive.

•    Beleuchtung mit blauer LED

Für die blaue LED-Bedingung wurde die blaue Spitze durch das Streetlife-Brillenglas um 82 mW/m² reduziert. Die DriveSafe- und Standard-Brillengläser reduzieren den Peak um 276 mW/m² bzw. 455 mW/m². Die Gläser EnRoute PRO und Formula Drive hingegen eliminieren den blauen Peak nahezu (auf 2,24 mW/m² bzw. auf 7,95 mW/m²). Das Spektogramm der blauen LED ist in Abbildung 1 dargestellt. Abbildung 2 zeigt die Transmissionskurven der vier getesteten Brillengläser bei Beleuchtung mittels blauer LED. Die Ergebnisse zu den EnRoute PRO Gläsern decken sich mit einer bisherigen Publikation [1].

Spektogramm Autofahrgläser

Spektogramm der blauen LED mit Filterung durch die Brillengläser DriveSafe, EnRoute PRO, Formula Drive und Streetlife. Die Abszisse wurde auf den Bereich von 380 bis 480 nm begrenzt, da es sich um eine blaue Beleuchtung handelt und außerhalb dieses Bereichs keine elektromagnetische Strahlung gemessen wurde.

© Andreas Hartwig

Individuelle Wirkung in den Vordergrund stellen

Aus den Spektrogrammen verschiedener Brillengläser unter unterschiedlichen Beleuchtungsbedingungen ist ersichtlich, dass verschiedene Ansätze zur Reduzierung der Blendung beim Fahren verwendet werden. Da es verschiedene Ansätze gibt, ist es wichtig, bei der Beratung verschiedene Brillengläser für das Autofahren zu testen und den Kunden diejenigen Gläser auswählen zu lassen, die für ihn die beste Wirkung zeigen. Dieser Ansatz wird von der wissenschaftlichen Literatur unterstützt, da einige Studien bei allgemeiner Betrachtung einer Reduktion der Transmission von blauem Licht einen visuellen Vorteil bestätigen [2] und andere Studien einen visuellen Nachteil sehen [3]. Eine spätere Arbeit fand heraus, dass eine Reduktion von blauem Licht bei älteren Kundinnen eine bessere Wirkung zeigt [4]. Eine weitere Untersuchung zeigte, dass EnRoute-Brillengläser die Kontrastempfindlichkeit unter normalen Sehbedingungen, also unabhängig vom Autofahren, optimieren können [5]. Je nach Anwendung der Brille kann natürlich eine eventuell eintretende Nachtmyopie entsprechend korrigiert werden [6].

Autor: Dr. Andreas Hartwig, PhD, FAAO 


Literaturverzeichnis
[1] Cozza, F., et al., The effects of two longpass filters on visual performance. J Optom, 2020. 13(2): p. 102-112.
[2] Zigman, S., Light filters to improve vision. Optom Vis Sci, 1992. 69(4): p. 325-8.
[3] Rosenblum, Y.Z., et al., Spectral filters in low-vision correction. Ophthalmic Physiol Opt, 2000. 20(4): p. 335-41.
[4] Mahjoob, M., S. Heydarian, and S. Koochi, Effect of yellow filter on visual acuity and contrast sensitivity under glare condition among different age groups. Int Ophthalmol, 2016. 36(4): p. 509-14.
[5] Tavazzi, S., et al., Improvement or Worsening of Human Contrast Sensitivity Due to Blue Light Attenuation at 450 nm. Clin Optom (Auckl), 2020. 12: p. 57-66.
[6] Charman, W.N., Night myopia and driving. Ophthalmic Physiol Opt, 1996. 16(6): p. 474-85.