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FACHTHEMEN

DOZ

09 | 2017

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z

Farbigkeit des Objekts,

z

Symmetrie, Größe und Reizintensität

des Objekts und

z

Position des Objekts im Gesichtsfeld

abhängig ist. Sie setzt ein gutes Sehen

sowie ungestörte Augenbewegungen

voraus, wobei der Kontrastwahrnehmung

und dem Gesichtsfeld eine herausgeho-

bene Bedeutung zukommen. Die Seh-

schärfe spielt für die visuelle Aufmerk-

samkeit eine untergeordnete Rolle, da

ein zentral abgebildetes Objekt keiner

Aufmerksamkeit mehr bedarf, um wahr-

genommen zu werden; es wird bereits mit

größtmöglicher Schärfe wahrgenommen.

Objekte aus der Peripherie des Gesichts-

feldes, die vom Gehirn als potenziell wich-

tig bewertet worden sind, müssen durch

Sakkaden auf die Fovea abgebildet wer-

den. Die Netzhautbilder bewegter Objekte

müssen durch Folgebewegungen auf der

Fovea stabilisiert werden.

Die Auswahl eines Objekts setzt voraus,

dass das Gehirn seine Aufmerksamkeit

auf dieses Objekts richten kann. Man-

gelnde Aufmerksamkeit wird als eine der

wesentlichen Ursachen für Verkehrsun-

fälle angesehen. [2] Aus der Vielzahl der

gleichzeitig auf eine Person einströmen-

den Informationen müssen die Objekte

und Ereignisse herausgefunden werden,

die für den Verkehrsteilnehmer unmit-

telbar von Bedeutung sind. Mangelnde

Aufmerksamkeit muss nicht immer auf

einer Ablenkung durch Musik, Gespräche

mit dem Beifahrer oder dem unerlaubten

Benutzen eines Smartphones während der

Fahrt verursacht sein, sie kann auch die

Folge von Sehproblemen sein. Reize, die

nicht oder nur schlecht erkannt werden,

können keine Aufmerksamkeit hervor-

rufen.

Die sich ständig verändernde Man-

nigfaltigkeit von Informationen, die auf

die Netzhaut einströmen, muss auf eine

begrenzte Zahl konstanter Objekte ein-

geschränkt werden. Die vom Auge auf-

genommene Datenmenge muss reduziert

werden, andernfalls stieße das Gehirn

rasch an seine Leistungsgrenzen. Die

Informationsreduktion besteht darin,

konstante Reize weitgehend zu unterdrü-

cken und primär auf veränderliche Reize

zu reagieren. Anatomische Grundlage die-

ser Informationsreduktion ist die Organi-

sation der Netzhaut in rezeptive Felder.

Eine retinale Ganglienzelle erhält ihren

Input von mehreren Lichtrezeptoren. Alle

Rezeptoren, die auf eine Ganglienzelle

geschaltet sind, bilden das rezeptive Feld

dieser Ganglienzelle. In der Netzhaut-

peripherie können dies mehrere Hundert

Rezeptoren sein. Die räumliche Lokalisa-

tion eines Objektes wird so eingeschränkt,

wodurch die geringe Sehschärfe der peri-

pheren Netzhaut zu erklären wäre.

Rezeptive Felder reagieren auf Kon-

trast- und Helligkeitsunterschiede im

Gesichtsfeld. Je höher der Kontrast ist,

desto stärker reagieren die Ganglienzel-

len; auf eine diffuse Belichtung antworten

rezeptive Felder nur sehr schwach. Da

Kontrastunterschiede die Informationen

bilden, aufgrund derer das Gehirn die

Außenwelt rekonstruiert, stellt eine diffuse

Belichtung der Netzhaut einen Informa-

tionsverlust über die Außenwelt dar.

Aufmerksamkeit und Sehen

Zu den optischen Faktoren, die die Auf-

merksamkeit bestimmen, zählt der Kon-

trast, unter dem die Objekte erscheinen.

Kontrastarme Objekte sowie Einbußen der

Kontrastempfindlichkeit erschweren die

Wahrnehmung von Objekten. Ungünstige

Beleuchtungsverhältnisse wirken sich

negativ auf den Objektkontrast und die

Kontrastempfindlichkeit aus. Die Kon-

trastempfindlichkeit wird durch optische

und neuronale Faktoren bestimmt.

Ein Defokus, das heißt ein unscharfes

Netzhautbild aufgrund einer Fehlsichtig-

keit, hat den stärksten Einfluss auf die

Kontrastempfindlichkeit. Eine nicht vor-

handene oder unzureichende Korrektion

einer Fehlsichtigkeit wirkt sich über den

niedrigen Netzhautkontrast hemmend auf

die visuelle Aufmerksamkeit aus. Kor-

rekt korrigierte Fehlsichtigkeiten sind

eine wesentliche Voraussetzung für eine

ungestörte visuelle Aufmerksamkeit. Al-

tersbedingt sind es Linsentrübungen, die

den Netzhautkontrast herabsetzen, sei

es durch Streulicht wie beim Rindenstar

oder ein dunkleres Netzhautbild wie im

Falle des Kernstars. Veränderungen des

Gehirns führen ebenfalls zu altersbeding-

ten Einbußen der Kontrastempfindlichkeit.

Multifokale Kontaktlinsen und Intra-

okularlinsen, Orthokeratologie oder re-

fraktive Operationen an der Hornhaut

(z. B. Lasik, Lasek, PRK) reduzieren im-

mer, auch wenn keine Komplikationen

aufgetreten sind, den Netzhautkontrast.

Diese Kontrastminderung tritt besonders

bei großem Pupillendurchmesser in Er-

scheinung, wenn sich wie im Falle von

Lasik oder Orthokeratologie dem Netz-

hautbild, das von der zentralen, korrigier-

ten Hornhaut erzeugt wird, ein unscharfes

Netzhautbild, das von der nichtkorrigier-

ten Peripherie der Hornhaut stammt,

überlagert.

Ein intaktes Gesichtsfeld ist Voraus-

setzung für die visuelle Aufmerksam-

keit. Peripher abgebildete Objekte kön-

nen keine Augenbewegungen auslösen,

Abb. 18: Rezeptive Felder der

Netzhaut. Die Belichtung des

Zentrums des rezeptiven Felds

führt zu einer Aktivierung der

Ganglienzelle (oben), bei Be-

lichtung der Peripherie (unten)

nimmt die Aktivität ab. Eine dif-

fuse Belichtung des rezeptiven

Feldes (unten) hat keine Ände-

rung der Aktivität der Ganglien-

zelle zur Folge. Die Zu- oder

Abnahme der Nervenaktivität

stellt die Informationen dar, aus

denen das Gehirn die Außen-

welt rekonstruiert. Der waage-

rechte Balken symbolisiert die

Dauer des Lichtstimulus.