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FACHTHEMEN

DOZ

09 | 2017

66

sein. Als Reaktion muss ein Abbremsen,

Beschleunigen oder Ausweichen des ei-

genen Fahrzeugs erfolgen. Die Reaktion

muss der Situation angemessen sein.

Mehr als 80 Prozent aller Informationen,

die das Gehirn von der Außenwelt erhält,

erreichen es über die Augen. Zwei Drittel

der Verarbeitungskapazitäten des Gehirns

sind mit dem Sehen in allen seinen Facet-

ten befasst. Sehschwächen oder Sehstö-

rungen wirken sich beeinträchtigend auf

die Kognition ein, da keine brauchbaren

Informationen in den „Kognitionsapparat“

gelangen. Gutes Sehen allein ist nicht

ausreichend für eine sichere Teilnahme

am Straßenverkehr. Wichtig ist richtiges

Reagieren auf Veränderungen in der Um-

welt. Ohne gutes Sehen ist jedoch kein

richtiges Reagieren möglich.

An der Verarbeitung der Informationen

über die Außenwelt wirken Gedächtnis-

strukturen mit, sodass auch Erinnern und

Wiedererkennen von Objekten und Situ-

ationen auf die kognitiven Prozesse Ein-

fluss nehmen. Durch Erfahrung können

Mängel der Sinnesorgane oder Altersver-

änderungen des Gehirns teilweise kom-

pensiert werden. Daher bewegen sich die

meisten Autofahrer in einem bekannten

Umfeld wesentlich sicherer als in einem

unbekannten Milieu. Zur Erfahrung zählt

auch, dass Menschen mit Sehproblemen

ihr Fahrzeug bei ungünstigen äußeren

Verhältnissen (schlechtes Wetter, Dunkel-

heit, hohes Verkehrsaufkommen) stehen

lassen und die Fahrt zu einem günstigeren

Zeitpunkt unternehmen.

Da die Kognition an sensorische Pro-

zesse gekoppelt ist, wirken sich Verän-

derungen der Sinnesorgane auf die Kog-

nition aus. Gut dokumentiert ist dies für

Seh- und Hörstörungen, die die geistigen

Fähigkeiten einer Person stark beeinflus-

sen können. Fast die Hälfte der individu-

ellen Unterschiede der Intelligenzleistun-

gen älterer Menschen sind auf Defizite

dieser beiden Sinnessysteme zurückzu-

führen. [11] Nach der Aufmerksamkeits-

Belastungs-Hypothese muss das Gehirn

einen großen Teil seiner Ressourcen zur

Kompensation dieser sensorischen Defi-

zite einsetzen. Dadurch stehen weniger

Kapazitäten der Kognition zur Planung

und Umsetzung von Reaktionen auf verän-

derte Umweltbedingungen zur Verfügung.

Insbesondere in komplexen Situationen

wie beispielsweise dem Straßenverkehr

in unbekannter Umgebung kann dann

eine angemessene Reaktion nicht mehr

erwartet werden. Eine nicht oder nur un-

zureichend korrigierte Fehlsichtigkeit er-

fordert vom Gehirn größere Anstrengun-

gen, um aus dem unscharfen Netzhautbild

die Information zu extrahieren, die für die

sichere Bewältigung der jeweiligen Situa-

tion im Straßenverkehr erforderlich sind.

Können visuelle Defizite mit optischen

Hilfsmitteln korrigiert werden, lassen sich

die kognitiven Leistungen mit geringem

Aufwand deutlich verbessern. Dies führt

im Straßenverkehr zu verbesserten Reak-

tionen und damit mehr Sicherheit. Eine

regelmäßige Überprüfung des Sehens

erscheint daher in diesem Zusammen-

hang sinnvoll.

Altern und Kognition

Neben dem Sehen schränkt vor allem das

Altern die Kognitionsprozesse im Gehirn

ein. Eine Verlangsamung der Kognitions-

prozesse gilt als Leitsymptom altersbe-

dingter Veränderungen des Gehirns. Op-

tische und anatomische Faktoren können

zur Verlangsamung der Kognition bei-

tragen.

Die Geschwindigkeit, mit der visu-

elle Reize im visuellen System verarbei-

tet werden, wird von der Helligkeit des

Netzhautbildes bestimmt. Je heller das

Netzhautbild, desto schneller erfolgt die

Verarbeitung der Sehreize. Die Netzhaut-

helligkeit eines 60-jährigen Menschen

beträgt nur noch etwa ein Drittel der Hel-

ligkeit, die bei einem 20-Jährigen vor-

liegt. Grund hierfür sind zum einen der

altersbedingt geringere Pupillendurch-

messer (senile Miosis) und zum anderen

Trübungen der Augenmedien. Die Latenz-

zeit, die Zeit von der Absorption des Lichts

in der Netzhaut bis zur Wahrnehmung, ist

dadurch verlängert.

Altersbedingt gehen Mitochondrien,

in denen die notwendige Energie für

die biochemischen und physiologischen

Prozesse des Körpers gewonnen werden,

verloren, sodass dem Organismus weni-

ger Energie für lebensnotwendige Pro-

zesse bereitgestellt werden kann. Hiervon

ist das Gehirn, als dem Organ mit dem

höchsten Verbrauch an Energie, beson-

ders nachhaltig betroffen. Des Weiteren

verschlechtert sich auch die Durchblutung

und damit auch die Sauerstoffversorgung

des Gehirns mit zunehmendem Alter. Die

Folge dieser beschriebenen Altersverän-

derungen des Gehirns ist eine Verlangsa-

mung aller Hirnfunktionen.

Zunehmend Bedeutung erlangen mul-

tifokale Intraokularlinsen und Kontakt-

linsen zur Korrektion der Alterssichtigkeit.

Die optische Abbildung dieser Linsen ist

aus prinzipiellen optischen Gründen im-

mer schlechter als die einer monofokalen

Linse. Die Lichtverteilung auf der Netzhaut

ist wesentlich komplexer als bei monofo-

kalen Linse, weshalb die Segmentierung

der retinalen Lichtverteilung in Objekte

Abb. 17: Multifo-

kale Intraokular-

linse im Auge. Die

im Vergleich zu

einer monofokalen

Linse komplexere

retinalen Lichtver-

teilung multifokaler

Linsen erschwert

die Wahrnehmungs-

prozesse im Gehirn.

Die Anpassung der

kognitiven Prozesse

an die veränderte

Sehsituation (Neuro-

adaptation) wird mit

zunehmendem Alter

schwieriger.