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DOZ

09 | 2017

67

und Hintergrund, sowie die Zuordnung zu

bestimmten Entfernungen erschwert wird.

Zwar kann sich das Gehirn im Rahmen

der Neuroadaptation an die veränderten

Sehbedingungen bei multifokalen Linsen

anpassen, dieser Anpassungsprozess ist

aber allein aufgrund der verlangsamten

Hirnfunktionen umso schwieriger, je älter

die Person ist. Die Implantation multifoka-

ler Intraokularlinsen sollte bei Patienten,

die viel und vor allem nachts mit dem Auto

unterwegs sind, wohl überlegt sein.

Die verlängerte Latenzzeit und die

verlangsamten Hirnfunktionen führen

zu deutlich verlängerten Reaktionszeiten

älterer Menschen. Die Verlangsamung

der Informationsverarbeitung im visuellen

System und im Gehirn gilt als essenziell

für die Probleme älterer Menschen im

Straßenverkehr. Das statistische Bun-

desamt folgert aufgrund der Unfallursa-

chen in den verschiedenen Lebensaltern:

„Ältere Menschen verlieren in komplexen

Situationen schneller den Überblick als

Verkehrsteilnehmer der jüngeren Alters-

gruppen.“ [3]

Visuelle Aufmerksamkeit

Die Verarbeitungskapazitäten des

menschlichen Gehirns sind begrenzt,

obgleich zwei Drittel der Großhirnrinde

mit dem Sehen befasst sind. Die visuelle

Wahrnehmung, das heißt die Verarbei-

tung der Netzhautbilder, die Bewertung

der wahrgenommenen Objekte nach ihrer

Bedeutung für das Individuum und darauf

aufbauend die Steuerung der Augenbe-

wegungen sind Aufgaben des visuellen

Systems. Ein „Augenblick“ dauert etwa

200 Millisekunden. Der Umfang der Auf-

merksamkeit wird durch die Anzahl der

Objekte, die während dieses Zeitraums

wahrgenommen werden können, be-

stimmt. Bei einem Erwachsenen können

im Mittel acht Objekte über das visuelle

System gleichzeitig wahrgenommen wer-

den. Wie viele Objekte zeitgleich wahr-

genommen werden können, hängt von

verschiedenen äußeren und inneren Fak-

toren ab. Die sich ständig verändernde

Lichtverteilung auf der Netzhaut macht

eine Beschränkung auf wenige konstante

Objekte erforderlich. Ohne diese Infor-

mationsreduktion wäre das menschliche

Gehirn schnell überfordert.

Informationsreduktion

und Netzhaut

Aufmerksamkeit ist die selektive Konzen-

tration auf einen eingeschränkten Bereich

oder Aspekt von Informationen, während

andere potenziell wahrnehmbare Infor-

mationen ignoriert werden. Sie ist erfor-

derlich, wenn nur begrenzte Kapazitäten

für die Informationsverarbeitung zur Ver-

fügung stehen. Dies gilt in besonderem

Maße für das visuelle System.

Der Output von mehr als 120 Millio-

nen Fotorezeptoren wird durch nur 1,2

Millionen Nervenfasern des Sehnervs an

das Gehirn geleitet, was bereits einen

Informationsverlust, und zwar speziell

des räumlichen Auflösungsvermögens

bedingt. Der Bereich der Netzhaut, in

dem eine hohe Sehschärfe erreicht wird,

ist verglichen mit der gesamten Netzhaut

sehr klein. Die Foveola, in der eine Seh-

schärfe von 1,0 und mehr erreicht werden

kann, nimmt nur etwa 0,01 Prozent der

gesamten Fläche der Netzhaut ein. Wä-

ren an allen Netzhautorten Sehschärfen

von 1,0 und mehr möglich, hätte dies zur

Folge, dass die Informationsflut, die das

Gehirn permanent erreichen würde, rasch

zu einer Überforderung seiner begrenzten

Verarbeitungskapazitäten führen würde.

Zudemmüsste der Sehnerv etwa zehnmal

dicker sein als es tatsächlich der Fall ist,

was anatomisch aufgrund des begrenzten

Platzangebots in der Orbita nicht reali-

sierbar wäre.

Die Organisation der Netzhaut in einen

zentralen Bereich, in dem eine hohe Seh-

schärfe erreicht werden kann, und einer

Peripherie mit einer niedrigen Sehschärfe

setzt ein hochentwickeltes System der

Augenbewegungen voraus. Die Geschwin-

digkeitsangabe eines Verkehrszeichens

wird zunächst auf die Netzhautperipherie

abgebildet. Erst durch eine Augenbewe-

gung, die das Verkehrszeichen auf die

Netzhautmitte abbildet, ist ein deutliches

Erkennen der Geschwindigkeitsangabe

möglich und erspart dem Fahrer unter

Umständen ein Bußgeld wegen überhöh-

ter Geschwindigkeit.

Die spezielle Anatomie der Netzhaut

erfordert eine uneingeschränkte visuelle

Aufmerksamkeit, welche von

z

Kontrast,

z

Bewegung des Objekts,

Anzeige

Funktion

Erforderliche Voraussetzung

Wahrnehmung

• zentral

• peripher

Gutes Sehen

• Fixation

• Scannen des Gesichtsfeldes /

Augenbewegungen

Interpretation

Erfahrung, Wissen

Entscheiden

Reaktionszeit

Handeln

Motorische Fähigkeiten

Tabelle 2: Stufenleiter von der Wahrnehmung zum Handeln.