Marc Fielmann: „Fachkompetenz hat ihren Preis“

Marc Fielmann
Marc Fielmann bildet zusammen mit seinem Vater Günther Fielmann die Doppelspitze der Fielmann AG. In der Digitalisierung sieht er große Chance für die Augenoptik. Mit Fielmann Ventures will er die 3D-Anpassung und schließlich den Online-Sehtest zu Marktreife führen.
© Frank Siemers

Fielmann habe sein Kontaktlinsen-Geschäftsmodell seit 2016 vollständig digitalisiert, sagt Marc Fielmann der DOZ. Der Vorstandsvorsitzende der Fielmann AG möchte auch in der Brillenoptik die „persönliche Beratung mit digitaler Exzellenz“ verbinden, ohne Qualitätsverlust. Wie weit die Fielmann AG mit diesem Vorhaben ist, erklärt Marc Fielmann im Interview. [Noch mehr Interviews mit den Köpfen der Branche zum Thema Digitalisierung finden Sie in der DOZ-Sonderausgabe zur Opti.]

DOZ: Fielmann arbeitet daran, Brillen online in „Fielmann-Qualität“ zu verkaufen. Auf welche Entwicklung bis zur Marktreife freuen Sie sich besonders, woran forschen Sie selbst?

Marc Fielmann: Für den Online-Brillenkauf in Fielmann-Qualität benötigen wir marktreife Technologien in drei Bereichen: eine verlässliche 3D-Anprobe, eine millimetergenaue 3D-Anpassung und einen Online-Sehtest. Die Fielmann Ventures entwickelt diese Schlüsseltechnologien selbstständig und in Zusammenarbeit mit Technologieunternehmen sowie innovativen Start-ups. Ziel ist es, die führende digitale Plattform in der Augenoptik zu entwickeln, die auch anderen Unternehmen zur Verfügung stehen wird.
Unsere strategische Beteiligung an FittingBox ist ein konsequenter Schritt auf dem Weg dahin. FittingBox ist mit 13 Patenten weltweit führend im Bereich der 3D-­Anprobe von Brillen und Sonnenbrillen, bietet die derzeit beste Lösung in Echtzeit, ist technologisch allen relevanten Alternativen deutlich überlegen. Als nächstes wird die Fielmann Ventures gemeinsam mit Partnern die 3D-Anpassung und schließlich auch den Online-Sehtest zur Marktreife führen.

Soll der Brillenkauf künftig ohne Kontakt des Kunden zur stationären Filiale funktionieren?

Wenn wir die 3D-Anpassung und den Online-Sehtest zur Marktreife gebracht haben, können wir Brillen über die Distanz in Fielmann-Qualität anbieten. Aber auch dann werden viele Kunden immer noch die Niederlassung aufsuchen. Es wird Kunden geben, die für ihren nächsten Brillenkauf schon einmal verschiedene Fassungen online anprobieren, aber eine persönliche Anpassung wünschen. Wieder andere Kunden werden in der Niederlassung einen Sehtest machen, den Kauf abends gemütlich vom Sofa tätigen. Die Zukunft liegt in der intelligenten Verbindung aus persönlicher Beratung und digitalen Services, dem sogenannten Omni-Channel-Geschäftsmodell.

Welche Relevanz hat ein Onlineshop zukünftig für Ihr Unternehmen? Geht es darum, einen neuen Vertriebsweg zu launchen oder ist es ein neuer Marketingkanal?

Onlineshops sind digitalisierte Kataloge – in einer beratungsintensiven Branche wie der Augenoptik ist der Mehrwert für den Kunden begrenzt. Das erklärt auch, warum praktisch alle Versender inzwischen auf stationäre Partner oder eigene Geschäfte setzen. Fielmann denkt weiter, nutzt Technologie, um den Online-Brillenkauf zu ermöglichen ohne Kompromisse bei der Qualität zu machen. Dabei kann jeder Kunde frei wählen, welche Services er nutzt. Er unterscheidet nicht mehr in online und offline. Unternehmen, die starr in ihren Strukturen verharren, werden es in Zukunft schwer haben. Unser Ziel ist die Omni-Channel-Innovation.

Wie wird sich das Kaufverhalten verändern, wenn eine Online-­Refraktion mit annehmbaren Ergebnissen leicht für den Kunden möglich ist?

Unser Innovationslabor, die Fielmann Ventures, arbeitet gerade am Online-Sehtest. Wir halten es für realistisch, dass die objektive Augenglasbestimmung in absehbarer Zeit digital möglich ist. Da sind wir schon ziemlich weit. Bei der subjektiven Augenglasbestimmung fehlt den Experten aktuell die Fantasie, wie die Dienstleistung ohne Qualitätsverlust digitalisiert werden kann. Herausforderungen liegen in der Frage, wie wir fachlich und rechtlich einwandfrei die Anamnese, den Binokularabgleich und den Nahabgleich im Sinne der Kunden digitalisieren können.

Die Augenoptik ist beherrscht von der Diskussion um die Digitalisierung. Wie nutzen Sie bei Fielmann die neuen digitalen Möglichkeiten intern, aber auch in Richtung der Kunden?

Die Digitalisierung hat das Potenzial, Kunden durch Innovation zu begeistern und die Kundenzufriedenheit zu steigern. Fielmann digitalisiert die augenoptische Branche zum Vorteil für die Kunden, ohne Kompromisse bei der Qualität zu machen. Innerhalb der Gruppe haben wir unsere Organisationsstrukturen entlang unserer Digitalstrategie ausgerichtet – heute arbeiten bei uns über 200 Mitarbeiter und externe Experten in einer agilen Projektorganisation. Kontaktlinsenkunden bedient Fielmann heute bereits mit einem Omni-Channel-Geschäftsmodell, in der Brillenoptik wird es auch bald soweit sein.

Wie wird sich die Branche insgesamt durch die zunehmende Digitalisierung verändern?

In unserer Branche wird oft über den Niedergang des traditionellen Fachhandels gesprochen. Faktisch wird aber auch der Versandhändler langfristig Schwierigkeiten bekommen, wenn er keine persönliche Beratung bietet. Die Mehrheit der Brillenträger wünscht sich eine intelligente Verbindung aus persönlicher Beratung und digitalen Services. Diese Entwicklung lässt sich in unserer Branche übrigens hervorragend in der Kontaktlinse beobachten: Fielmann hat sein Kontaktlinsen-Geschäftsmodell seit 2016 vollständig digitalisiert, wir verbinden heute als einziger Anbieter konsequent die persönliche Beratung mit digitaler Exzellenz. Damit sind wir allen relevanten Wettbewerbern – ganz gleich ob Onlineversender oder stationärer Handel – weit voraus, sind in diesem Jahr dreimal so schnell gewachsen wie der Markt.

Können Sie das konkreter machen? Was ist an Ihrem Kontaktlinsen-Geschäftsmodell so besonders?

Nur bei uns kann sich der Kunde in über 600 Niederlassungen deutschlandweit persönlich beraten lassen, seine Kontaktlinsen in zehn Sekunden nachbestellen und danach zu genau der Transaktion von seinem Kontaktlinsen-Anpasser beraten lassen. Viel zu lange wurden Anpasser und Abverkäufer als zwei separate Kanäle betrachtet. Ein Umstand, der langfristig zum Erliegen des Kontaktlinsen-Markts in Deutschland führen muss. Wir freuen uns sehr, dass in den vergangenen Monaten Schwung in die Diskussion gekommen ist. In einer Omni-Channel-Welt kann sich kein Anbieter mehr um die Anpassung drücken. Wenn unsere Branche das verstanden hat, wird auch der Kontaktlinsen-Markt wieder wachsen. Fachkompetenz hat ihren Preis.

Glauben Sie, dass es irgendwann möglich sein wird, eine optimale Brillenberatung durch eine Maschine vornehmen zu lassen? Wäre das vielleicht sogar eine Antwort auf den Fachkräftemangel?

Wahrscheinlicher erscheint mir, dass der Augenoptiker sich in seiner Kernkompetenz – der fachkompetenten Beratung – dank digitaler Technologie weiterentwickeln wird. Wer weiß, vielleicht wird aus dem Augenoptiker irgendwann tatsächlich ein Optotroniker.

Die Fragen stellte Ingo Rütten