Lieber klein anfangen als gar nicht

PC, Laptop und Tablet
Online-Marketing umfasst alle Marketingmaßnahmen, die mithilfe des Internets ergriffen werden.
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Kennen Sie sich aus mit Metadaten, Tags und Keyword-Analysen? Wie ist Ihr Targeting eingestellt? Und wie kontinuierlich kümmern Sie sich um SEO-Maßnahmen im Rahmen der täglichen Pflege Ihrer Website und Ihrer Social Media-Accounts? Wenn Sie keine Antworten auf diese Fragen haben, werden Sie diesbezüglich nicht viel schlauer nach der Lektüre dieses Interviews sein, aber Sie werden zumindest wissen, warum es wichtig ist, diese Begriffe mal gehört zu haben.

Dass ein Augenoptiker heutzutage online aufzufinden sein sollte, dürfte zwischenzeitlich geklärt sein. Aber inwieweit muss er die Sozialen Medien verstehen und bedienen, wie sollte er es tun, wenn er in Sachen Onlinekommunikation und -marketing und damit nicht im Wettbewerb an Boden verlieren möchte? Die DOZ sprach zu diesem Dauerthema mit Stephan Redlich, Unit-Direktor Kommunikation, und Roberto Rizzi, Leiter Interaktionsdesign und Experte für den E-Commerce von der Agentur nexum. Herausgekommen ist ein informatives Interview mit den beiden „Onlinekennern“, die sich mit nexum in der Augenoptik durch ihr Engagement beim Zentralverband der Augenoptiker und Optometristen (ZVA) und deren (Online-)Kampagne für Innungsmitglieder bereits einen Namen gemacht haben.

DOZ: Im Rahmen der Digitalisierung fallen häufig die Begriffe Omni- und Multichannel. Welcher ist für unsere Augenoptiker relevant?

Roberto Rizzi: Es kommt darauf an, welches Konzept sie verfolgen. Aus meiner Sicht sollte es jedoch der Omnichannel sein, der sich auch immer stärker durchsetzt. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Während ich beim Multichannel unterschiedliche Kanäle – etwa meine Website und einen Newsletter – unabhängig voneinander einsetze, bündele ich beim Omnichannel alle Kanäle, so dass sie optimal zusammenspielen und meine Geschäftsziele bestmöglich unterstützen. Und dazu gehört beides, Online- wie auch Offline-Kanäle. So kann ich als Optiker im ersten Schritt beispielsweise Kontaktlinsen online reservierbar und im Ladengeschäft abholbereit halten. Im zweiten Schritt nutze ich dann etwa meinen Newsletter dazu, meine Kunden daran zu erinnern, dass es an der Zeit wäre, meine Linsen zu erneuern.
„Kanäle bündeln, damit sie optimal zusammenspielen.“

Was macht Sie beide zu den richtigen Gesprächspartnern, wenn wir unsere Leser über das Thema Online- und insbesondere Social Media-Marketing informieren möchten?

Stephan Redlich: Als Fullservice-Dienstleister im digitalen Bereich haben wir täglich mit unterschiedlichsten Disziplinen, Themen und Technologien zu tun. Und das in verschiedenen Bereichen wie Online-Marketing, Social Media und E-Commerce. Wir beraten Kunden aus vielen unterschiedlichen Branchen und haben dadurch einen sehr breiten Erfahrungsschatz angesammelt. Mittlerweile sind wir aber auch seit vielen Jahren für den ZVA tätig und kennen die Herausforderungen und Bedürfnisse von Augenoptikern daher sehr gut. Natürlich verfügt der Zentralverband über andere Möglichkeiten, als ein niedergelassener Optiker. Dieser benötigt für seine digitalen Aktivitäten daher auch nicht zwingend eine fortlaufend betreuende Agentur.

Agentur Nexum
Stephan Redlich (hinten) und Roberto Rizzi von der Agentur Nexum kennen sich durch die Arbeit für den Zentralverband der Augenoptiker und Optometristen schon ganz gut aus in der Augenoptik. ©Nexum

Dazu kommen wir bitte später. Zunächst einmal, vielleicht noch als Referenz, was machen Sie für den ZVA?

Redlich: Wir klären über gutes Sehen auf, schaffen Begehrlichkeiten für die Produkte dahinter und sorgen dafür, dass Menschen öfter den Innungsoptiker ihrer Wahl aufsuchen. Dafür haben wir digitale Lösungen geschaffen. Etwa die Website www.1xo.de, hinter der die Kernaussage und Aufforderung „Einmal im Jahr zum Optiker“ steht. Sie ist ein zentraler Anlaufpunkt für Informationen rund ums gute Sehen, enthält Profile der angebundenen Innungsoptiker und ebnet durch die angebundene Suche den Weg zu ihnen – selbst, wenn sie nicht über eine eigene Website verfügen sollten. Darüber hinaus nutzen wir digitale Kampagnen, Werbung bei Facebook und Google sowie weitere Möglichkeiten und Formate, die Optiker bei ihren Geschäftsaktivitäten unterstützen.

Und welche handfesten Dinge kommen dabei für den Augenoptiker heraus?

Redlich: In erster Linie schaffen wir Reichweite und Aufmerksamkeit für die Kampagne beziehungsweise für die relevanten Themen. Die Innungsmitglieder können zudem verschiedene Werbemittel und aufmerksamkeitsstarke Kampagnen-Maßnahmen nutzen, wie etwa unsere beiden erfolgreichen Online-Sehteste sowohl für Erwachsene als auch speziell für Kinder. Mit ihnen kann man auch online rund um den eigenen Laden werben.
Womit wir beim eigentlichen Thema sind: Wie kann der Augenoptiker eine sinnvolle lokale Werbung im Internet angehen? Was muss er dazu wissen?

Rizzi: Zunächst einmal sollte er selbst die Kundenperspektive einnehmen und online recherchieren. Existieren Google-Bewertungen – womöglich negative, über die er zuvor keine Kenntnis hatte? Was ist auf Facebook über sein Ladengeschäft zu finden? Viele Optiker denken, sie sind auf Facebook nicht existent, wenn sie dort nicht aktiv sind. Dabei reicht es, wenn ich mich beim Optiker meines Vertrauens via Facebook einchecke und Facebook erstellt automatisch ein lokales Profil, das dann offen für Kommentare und Bewertungen ist. Ganz ohne Wissen des Optikers.

„Auch mit kleinen Budgets lässt sich einiges bewegen.“

Diese Hausaufgaben sollten an erster Stelle stehen, bevor ich mich als Optiker der aktiven lokalen Vermarktung meines Geschäfts widme. An dieser Stelle geht es dann häufig um technische Aspekte. Beispielsweise muss  der Optiker bei der Erfolgsmessung wissen, dass die Lokalisierung natürlich nur dann funktioniert, wenn sie auch auf dem Rechner des Users frei-gegeben ist. Das heißt, der Rechner des potenziellen Kunden muss so eingestellt sein, dass er Geodaten freigibt, sonst sind diese Funktionen nur auf Smartphones beschränkt, bei denen die meisten Nutzer etwas freizügiger mit ihren übermittelten Daten umgehen.
Darauf aber hat der Augenoptiker keinen Zugriff, wie kann er zumindest seinen theoretischen Werbeerfolg online beeinflussen?

Rizzi: Indem er zufriedene Kunden bittet, eine Bewertung bei Google einzutragen. Und indem er dafür sorgt, für neue Kunden online gut auffindbar zu sein. Dazu gehört jedoch eine gewisse Online-Affinität und Grundkenntnisse in der Suchmaschinenoptimierung, der Keyword-Analyse, der Pflege von Metadaten oder dem Einsatz von Tags fürs Geomarketing.

Sie wissen aber schon, dass spätestens jetzt die meisten Leser aus diesem Interview aussteigen werden?

Rizzi: Je tiefer man in das Thema einsteigt, umso komplexer wird es natürlich. Aber gleichzeitig werden die Potenziale für Kundengewinnung und -bindung auch viel größer. Am Ende des Tages ist es für jeden Optiker gut, einen Überblick über die wichtigsten Online-Themen zu gewinnen. Für die Umsetzung digitaler Maßnahmen kann er sich jederzeit externe Unterstützung an Bord holen. Hierbei ist jedoch wichtig, dass derjenige zu einer Vertrauensperson wird.

Wegen sensibler Daten? Youtube

Rizzi: Nein, eher weil es um eine strategische Beratung geht, die ganz entscheidend für den Erfolg der Online-Maß-nahmen ist. Da muss der Augenoptiker sich schon auf den Experten verlassen können, er wird diese Hilfe bei Google & Co. in den allermeisten Fällen benötigen. Bei der Pflege und manchen Konzeptionen kann der Augenoptiker aber natürlich helfen, ja nachdem, wie er mitmachen möchte und kann.

Reden wir mal über Geld, wie klein kann ein Online-Werbebudget werden, damit die Maßnahmen noch erfolgreich sein können?

Redlich: Das kommt ganz auf die Zielsetzung und die Maßnahmen an. Zum Beispiel: Wenn ich dir jetzt sage, dass du für einen Euro Werbemitteleinsatz einen Besucher für deinen Optikerladen bekommst, wieviel würdest du dann investieren? Sicher eine ganze Menge, oder? Wenn ich dir hingegen sage, dass du zunächst 10.000 Euro für eine Reichweitenkampagne ausgeben musst, die dir keine direkten Kunden bringt, winkst du sofort ab. Damit möchte ich sagen: Es gibt keinen Schwellenwert, ab dem ein Online-Werbebudget wirkt. Das bedeutet also auch, dass Optiker mit kleinen Budgets durchaus einiges bewegen können. Dazu tragen jedoch nicht nur Werbekosten bei. Mindestens genauso wichtig ist es, dass Optiker digital genauso wie offline über ein professionelles Profil – am besten mit Alleinstellungsmerkmalen – verfügen. Hier kommt es ganz stark auf die Inhalte an, die ich meinen Zielgruppen präsentiere.

Das mag sicher richtig sein, aber um Alleinstellungsmerkmale reichweitenstark zu vermitteln, kommt es doch auf die eingesetzten Mittel und damit auf die Kosten an.

Facebook LogoRizzi: Ja, aber das ist skalierbar. Im digitalen Kontext kommt der große Vorteil dazu, dass ich meine Aktivitäten jederzeit optimieren oder stoppen kann. Pflastere ich meine Stadt mit Werbeplakaten voll, werde ich wohl einige neue Kunden gewinnen. Aber gleichzeitig auf einen Schlag eine Menge Geld ausgeben, ohne zu wissen, was es mir hinten heraus konkret bringen wird. Bei Online-Maßnahmen hingegen kann ich mit sehr kleinen Budgets starten, auswerten, was sie mir gebracht haben und je nach Ergebnis weitermachen oder etwas Anderes ausprobieren.

Was braucht der Augenoptiker, um Onlinemarketing zu betreiben?

Redlich: Zunächst einmal reicht eine digitale Anlaufstelle aus. Das kann eine klassische Website, eine Landingpage zu einem speziellen Fachthema oder eine Facebook-Präsenz sein.

„Regelmäßig neue Inhalte auf Facebook einstellen.“

Ist denn die eigene Website überhaupt noch ein Muss, wenn man einen Facebook-Auftritt hat?

Redlich: Es mag dazu verschiedene Meinungen geben, aber aus unserer Sicht sollte der Optiker unbedingt zumindest mit einer „digitalen Visitenkarte“ online auffindbar sein. Ein gut gemachter „Onepager“, mit Adresse, Kontakt, Service, Öffnungszeiten, ein paar Marken und ein paar Angebote und Aktionen: das reicht aus und kann im Nachgang immer noch ausgebaut werden.

Wann sollte der Augenoptiker zusätzlich in den Sozialen Medien aktiv werden?

Rizzi: Wenn er sicher sein kann, dass die entsprechenden Accounts vernünftig gepflegt und aktuell gehalten werden können. Und natürlich dann, wenn er zusätzliche Vertriebskanäle sucht.

Was heißt „vernünftig gepflegt“?

Rizzi: Du solltest schon regel-mäßig neue Inhalte auf deiner Facebook-Präsenz einstellen, um relevant zu bleiben – mindestens einmal in der Woche. Viele Betreiber einer eigenen Facebook-Seite wissen nicht um den Facebook-Algorithmus, der Inhalte von Seiten mit wenig Nutzerinteraktion im Newsfeed der Zielgruppen stark depriorisiert und so im Vergleich mit anderen Inhalten kaum noch darstellt. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass du zeitnah auf Reaktionen, Fragen und Anmerkungen deiner Fans reagierst. Sonst sinkt deine Relevanz ebenfalls oder es entsteht eine negative Stimmung dir gegenüber. Und um einen weiteren Faktor zu nennen: Mache dich mit den demographischen Möglichkeiten bei Facebook vertraut. Was nützt es dir als Hamburger Optiker ohne Online-Shop, deine Facebook-Inhalte bei Nutzern in Augsburg auszuspielen?

Sie sagen, einmal in der Woche sollte man etwas Neues posten. Oft hört man auch den Tipp, jeden Morgen mal bei Facebook nachzuschauen, ob sich dort etwas in dem Unternehmensprofil getan hat. Reicht das wirklich aus?

Rizzi: Dafür gibt es kein Patentrezept. Klar kann es so funktionieren, um eine gewisse Grunderreichbarkeit zu gewährleisten. Aber stell dir vor, der Optiker erhält täglich Anfragen potenzieller Kunden über Facebook. Da würde er doch sicher öfter den Status auf Facebook checken, um diese Personen in sein Geschäft zu bekommen, oder? In jedem Fall sollte man Social Media nicht auf die leichte Schulter nehmen, wenn man sich dafür entscheidet. Denn letztlich ist es nichts anderes als ein Kundendialog – nur eben nicht persönlich oder per Telefon, sondern über ein soziales Netzwerk.

Facebook Like Button

Wir reden viel über Facebook, das ist oft so, wenn man über Social Media-Marketing spricht, oder?

Rizzi: Facebook ist der Platzhirsch. Es gibt viele interessante Plattformen, aber der Aufwand für einen Augenoptiker ist in der Regel wohl etwas zu groß, um alle zu bedienen.

Redlich: Besser du machst eine Sache, die aber dafür richtig.

Aber tummelt sich auf  Facebook noch die richtige Zielgruppe?

Redlich: Facebook hat eine so immense Reichweite und repräsentiert mittlerweile einen Querschnitt durch die gesamte Gesellschaft in Deutschland. Gerade für Themen wie gutes Sehen, die so viele Menschen betreffen, stellt sich diese Frage gar nicht. Zudem bietet Facebook sehr umfangreiche Targeting-Möglichkeiten, so dass Optiker ihre Zielgruppen sehr exakt ansprechen können.

Bleiben wir noch einen Moment bei Facebook. Was stelle ich dort als Augenoptiker ein?

Redlich: Wie zuvor erwähnt, ist Facebook zunächst einfach nur ein Kommunikationskanal – wenn auch ein sehr mächtiger. Also: Worüber sprechen Optiker mit Kunden im persönlichen Dialog? Über Dinge rund um Sehfähigkeit, über neue Angebote, über Brillentrends, etc. Diese werden auch bei Facebook funktionieren. Am besten visuell mit Bildern und Videos in Szene gesetzt. Wenn ich als Kunde bei Facebook meinem Lieblingsoptiker folge, dann doch in erster Linie, weil mich die Themen interessieren. Ich brauche sicher keinen Optiker, der mich mit Katzenvideos versorgt. Hier sollten sich Optiker aber auch über Themen wie Urheberrechte fremder Bilder informieren, um keine Fehler zu machen.

„Ein Onlineshop ist arbeitsintensiv, das muss man wissen.“

Thema Onlineshop. Der …

Rizzi: … wird interessant, wenn er sehr gut gemacht ist. Sehr gut gemacht ist er dann, wenn viel Zeit dafür investiert wird, denn ein Onlineshop ist arbeitsintensiv, das muss man wissen.

Oder teuer, wenn er von einem Dienstleister angeboten wird?

Rizzi: Das kann mitunter ein paar Euro kosten, ja. Jeder muss für sich selbst entscheiden, ob er sein Geschäft und seine Kunden online aus den Händen gibt. Ich halte einen Shop für den normalen Augenoptiker nicht für zwingend. Es ist gut und empfehlenswert, sein Sortiment zu zeigen, für die fachmännische Beratung zu werben, Mode zu präsentieren. Das geht alles auch mit einem Onlineshop, aber der verleitet grundsätzlich auch eher zum Onlinekauf. Wichtiger aus unserer Sicht ist die Überführung ins Geschäft, um dort mit Beratung zu punkten. Und das gelingt zum Beispiel mit Onlinerabatten, Gutscheinen oder anderen besonderen Aktionen für die User – ohne Shop.Instagram Logo

Letzte Frage, ist Online- und im speziellen Social-Media-Marketing mehr Chance oder mehr Risiko, weil ich es falsch anpacken kann?

Rizzi: Heute ist es eine Chance, in spätestens zehn Jahren ist es absolute Pflicht. Wir wollen das Geschäft doch nicht reinen Online-Händlern überlassen, oder? Unser Tipp: Die Augenoptiker sollten keine Angst vor Social Media haben und einfach mal die ersten Schritte dort gehen. Lieber klein anfangen als gar nicht. Grundsätzlich sollte man das selbst in die Hand nehmen, aber auf die nötige Hilfe nicht verzichten. Kleinere Fehler werden verziehen, Hauptsache man steht dazu.

Das Gespräch führte Ingo Rütten

 

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