Demonstration mit 13. 000 Menschen

Erdinger Augenoptiker protestiert gegen Heizungsgesetz

Franz Widmann, Augenoptikermeister aus Erding, hat einen politischen Stein ins Rollen gebracht – mit zunächst nichts weiter als einem Pappschild gegen das geplante Heizungsgesetz der Bundesregierung. Was Widmann dazu bewegte, sich allein auf den Erdinger Marktplatz zu stellen, und wie daraus eine Veranstaltung mit rund 13.000 Menschen werden konnte, hat er der DOZ im Gespräch verraten.
Portrait Franz Widmann

Franz Widmann leitet seit 25 Jahren das Optikerfachgeschäft seiner Familie - jetzt hat er sich politisch engagiert und damit die Ängste vieler Menschen sichtbar gemacht. 

© privat

Anfang Mai stand Franz Widmann, Augenoptikermeister aus Erding, ganz allein mit einem Pappschild auf dem Erdinger Marktplatz. Sein Ziel: dem eigenen Ärger und dem seines privaten Umfeldes eine Stimme geben. Gegenstand seines Ein-Mann-Protestes war das neue Gebäudeenergiegesetz oder Heizungsgesetz, das von der Bundesregierung aktuell auf den Weg gebracht wird. Und obwohl die Details des Gesetzes noch umstritten sind, hat sich in der Bevölkerung bereits Unmut über den Entwurf breit gemacht. Ursprünglich hatte der Bund angekündigt, die Umstellung auf eine klimaschonende Heizung bis 2024 für jeden verpflichtend machen zu wollen (bei Neubauten und nicht mehr zu reparierenden Heizungen). „Das ist einfach weit weg von der Realität“, erklärte Widmann gegenüber der DOZ. Er selbst sei nicht betroffen von einer solchen Umstellung, obwohl das Gebäude, in dem sich sein Geschäft befindet, zum Teil betroffen sei. Er sei lediglich Mieter. Doch er habe in den letzten Wochen immer wieder Angst, Verunsicherung und Frust in seinem privaten Umfeld erlebt, sobald das Thema aufkam. Dies wollte der Augenoptiker nicht länger tatenlos hinnehmen und beschloss, etwas zu tun.

Allein gegen den Rest

So stellte er sich zunächst vollkommen alleine mit einem Pappschild mit der Aufschrift „Stoppt die Heizungs-Ideologie“ auf den Erdinger Marktplatz. Die lokale Zeitung wurde auf ihn aufmerksam und berichtete. Auf diesem Weg kam Widmann mit der Kabarettistin Monika Gruber ins Gespräch, die außerdem seine Nachbarin ist und ihn bei seinem Protest unterstützten wollte. Widmann meldete schließlich eine Demonstration für den 10. Juni an, Gruber teilte diesen Termin mit ihren Social-Media-Kontakten – und so nahm die Geschichte ihren Lauf. Der Aufruf verbreitete sich wie ein Lauffeuer, mit dem Resultat, dass schlussendlich rund 13.000 Menschen kamen – nicht auf den kleinen Schrannenplatz, gleich ums Eck von Widmanns Laden, sondern auf die Erdinger Volksfestwiese. Mit von der Partie waren auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler). Auch die AfD war anwesend, bekam aber keinen Zugang zur Bühne.

Während Gruber nach der Veranstaltung ankündigte, demnächst eine Demonstration auf der Münchner Theresienwiese abhalten zu wollen, zieht Widmann sich nun aus dem Diskurs zurück. „Ich habe nicht vor, mich politisch weiter zu engagieren“ betonte er. „Ich wollte lediglich den Weg bereiten und das habe ich getan. Nun sind andere an der Reihe, diese Bewegung fortzuführen.“

Technisch nicht umsetzbar

Ein alternativloses Verbot von Öl- oder Gasheizungen findet er schlicht unmöglich. „Das ist eine Monokultur, die technisch nicht umsetzbar ist“, sagte er. Dabei betont der Augenoptiker, dass er kein Problem mit der Wärmepumpe an sich habe. Ihn stört die Kommunikation der Bundesregierung, die die Wärmepumpe als allgemeingültige und einzige Möglichkeit präsentiert. Dies sei schlicht nicht machbar und verunsichere die Bevölkerung zutiefst. „Natürlich brauchen wir Alternativen“, gab Widmann gegenüber der DOZ zu. „Und natürlich soll der Strom sauber sein, aber um dies flächendeckend zu gewährleisten, muss das Netz dafür zunächst einmal viel weiter ausgebaut werden und der Strom muss für jedermann bezahlbar sein.“ Erst dann könne man über eine allgemeingültige Lösung für das Heizungsproblem sprechen.

Der Gesetzentwurf zur Neuerung des seit 2020 bestehenden Gebäudeenergiegesetzes (GEG) sieht tatsächlich vor, dass bis 2024 neu eingebaute Heizungen zu 65 Prozent klimaneutral sein müssen. Zusätzlich sollen Heizungen, die nicht mehr repariert werden können, durch eine klimaneutrale Variante ersetzt werden. Die Wärmepumpe ist dabei nur eine von mehreren Möglichkeiten, auch hybride Modelle sind vorgesehen. So sollen Gasheizungen in Bestandsgebäuden weiter eingebaut werden können, sofern sie zu 65 Prozent mit grünen Gasen oder in Kombination  mit einer Wärmepumpe betrieben werden. Zusätzlich sieht der Entwurf finanzielle Fördermaßnahmen vor. Darüber hinaus plant der Bund, in Vorleistung zu gehen: Das GEG soll zwar zum 1. Januar 2024 in Kraft treten, aber erst gelten, sobald eine Kommunale Wärmeplanung vorliegt. In der vergangenen Woche war das Heizungsgesetz in den Bundestag gekommen und wird seither diskutiert. Zur Abstimmung kam es noch nicht. Wirtschaftsminister Robert Habeck hatte Sonntagabend in der Sendung „Anne Will“ zugegeben, dass die Kommunikation zu dem Gesetz von Seiten der Regierung „nicht so gelungen“ gewesen sei.

 

Gekaperte Veranstaltung?

Widmann hat etwas losgetreten, was eine Eigendynamik entwickelt hat, mit Leuten, die dort eigentlich gar nicht gewünscht waren. Auf der Demonstration in Erding am 10. Juni hatte sich ein buntes Konglomerat aller politischer Richtungen getummelt, das nach den Kundgebungen noch durch die Erdinger Innenstadt gezogen war. Wie der Münchner Merkur berichtete, hätten gewisse Störer die Veranstaltung für eigene Zwecke genutzt. So wurde zum Teil gegen die Ampel, gegen Markus Söder, gegen eine Impfpflicht sowie für den Weltfrieden demonstriert. Und so entwickelte die Veranstaltung eine gewisse Eigendynamik, die von Widmann so nicht vorherzusehen war –  erst recht nicht, als er noch als Einzelkämpfer mit seinem Pappschild auf dem Marktplatz stand. 

Die satirische Auseinandersetzung mit Widmanns Protest können Sie in der Rubrik angedozt der kommenden DOZ-Ausgabe 07I2023 lesen.