Tipps aus der Werkstatt

Bröckeln: Vorsicht, was weg ist, ist weg

Wie kommt das Glas in die Brillenfassung? Diese handwerkliche Tätigkeit gehört zur Ausbildung einer jeden Augenoptikerin und eines jeden Augenoptikers dazu. Immer wieder gibt die DOZ-Redaktion Tipps aus der Werkstatt. Dieses Mal beschäftigte sich die Autorin Ann-Katrin Zellner mit dem allseits „beliebten“ Thema Bröckeln.
Bröckeln von Brillengläsern

Beim Bröckeln können die Scherben in alle Richtungen fliegen.

© Breitfeld & Schliekert

Erstveröffentlichung DOZ 05I21

„Das Leben ist bezaubernd, man muss es nur durch die richtige Brille sehen“, wusste schon der französische Schriftsteller Alexandre Dumas. Die „richtige Brille“ ist aber unweigerlich mit den „richtigen Gläsern“ verbunden, die in die Fassung eingesetzt werden müssen. Heutzutage kommen die meisten Gläser schon per Fernrandung auf die entsprechende Brillenform geschliffen im Geschäft an. „Rohrunde“ Gläser, sprich runde Gläser mit einem vorher definierten Durchmesser von in der Regel 50 bis 85 Millimetern, kommen heute nur noch selten im augenoptischen Fachgeschäft an, waren früher aber meist gang und gäbe. Der Anteil von mineralischen Gläsern an der Gesamtzahl verkaufter Gläser in der Augenoptik liegt heute nur noch bei knapp vier Prozent (Spectaris Branchenreport 2019/2020). Entsprechend sind Tätigkeiten wie Bröckeln und Schleifen, um diese Gläser nach den Zentrieranforderungen passend in die Fassung zu bekommen, nicht mehr gängiger Arbeitsalltag, dennoch gehört diese Handarbeit immer noch zum handwerklichen Rüstzeug einer jeden Augenoptikerin, um den Umgang mit dem Material kennenzulernen.

Das Bröckeln ist definiert als das Abbrechen von kleinen Glasteilen von mineralischen Rohgläsern mit der Bröckelzange, um die Schleifzeit am Handschleifstein zu verkürzen und die Gläser vorab in Form zu „bröckeln“.

Sicherheit geht vor

Wer mineralische Gläser bröckeln will, sollte einige Sicherheitsaspekte beachten: Den Anfang macht eine passende Schutzbrille, da anfallende Splitter unbeabsichtigt in alle Richtungen fliegen können und zum Teil sehr scharfkantig sind. Neben der generellen Schnittgefahr können diese im schlimmsten Fall sogar ins Auge gelangen. Des Weiteren gilt: keine kurzen Hosen oder Röcke sowie geschlossenes Schuhwerk tragen! Um die abgebrochenen Glasteilchen direkt aufzufangen, eignet sich ein leerer Eimer unter dem Arbeitsplatz, der die abgebrökelten Glasteile sofort auffängt.

Extra-Tipp: Alles in der Nähe wegräumen!

Egal, ob es Fassungen, Mikrofasertücher oder die Kästchen, in denen die fertigen Brillen liegen, sind: Weg damit! Gerade in Mikrofasertüchern können sich kleinste Splitter verfangen und weder die Kolleginnen und Kollegen noch der Chef werden erfreut sein, wenn nach dem Polieren plötzlich große Kratzer in den teuren individuellen Gleitsichtgläsern sind. Ebenso senkt diese Vorsichtsmaßnahme das Verletzungsrisiko für die Kolleginnen, wenn diese im Anschluss an diesem Platz arbeiten müssen.

 

Bröckelzange von Breitfeld und Schliekert

Die Bröckelzange hat eine geriffelte Innenfläche, um das Glas „abzuknabbern“

© Breitfeld & Schliekert

Langsam arbeiten

Ist die Schutzbrille aufgesetzt, kann es losgehen. Wichtigstes Werkzeug ist dabei die sogenannte Bröckelzange. Mit ihren geriffelten Backen kann das Glas „abgeknabbert“ werden. Doch Vorsicht ist geboten! Schließlich soll das Bröckeln nur eine grobe Vorarbeit für die weiteren Schritte sein. Da für das Bröckeln ein gewisser Druck notwendig ist, um das hörbare „Knistern“ des Glases zu erzeugen, sind leichte Ausplatzer und im Schlimmsten Falle sogar der Bruch eines mineralischen Glases keine Seltenheit.

Glasschneider

Mit dem Glasschneider ritzt man das mineralische Glas an.

© Breitfeld & Schliekert

Vorsicht ist das oberste Gebot

Um die Buchgefahr des Glases zu minimieren, ritzen viele Azubis das Glas vorher an. Als Vorbereitung für das Schleifen wird die Form zunächst auf eine Astralonscheibe und anschließend auf das Glas übertragen. Mit einem Glasschneider oder auch Schneidlöffel genannten Werkzeug ritzt man die Form der Brille einmal rundherum in das Glas hinein. Es sollte jedoch noch genug Platz zwischen der angezeichneten Form und der eingeritzten Spur sein. So soll verhindert werden, dass eventuelle Glassprünge sich durch das komplette Glas ziehen.

Bruchstellen vermeiden

Ebenso wichtig zur Vermeidung von Bruchstellen ist die Haltung des Brillenglases: Es wird (bei Rechtshändern) von Daumen und Zeigefinger der linken Hand festgehalten. Dabei zeigt die Wölbung (die Konvexseite) des Glases nach unten. Insgesamt sollte man etwa einen halben Zentimeter von der finalen Glasform fernblieben. Dies verhindert auch, dass kleine Ausplatzer später im fertigen Glas noch sichtbar sind. Daher ist die geritzte Spur auch etwas großzügiger und entspricht nicht der exakten Glasform. Ein Spruch, der hier passender nicht sein könnte: Was weg ist, ist weg! Daher lieber langsam und gleichmäßig bröckeln, statt zu einem schnellen Erfolg kommen zu wollen

Kehren nicht vergessen

Fertig mit Bröckeln? Dann ran an Besen und Kehricht und den Platz rund um den Eimer herum gründlich säubern, um die weggehüpften Glasteilchen aufzufangen. So können sie nicht im ganzen Raum verteilt werden und auch keine unliebsamen Kratzer auf dem Boden hinterlassen