Die Doppelbelastung ist ein zentrales Hindernis

Studien zu Frauen in Führungspositionen

„Weiblich, jung, Führungskraft im Handwerk? Fehlanzeige!“ Mit solch drakonischen Urteilen machen verschiedene Player, in diesem Fall die Handwerkskammer Düsseldorf in einem Flyer, auf den (zu) geringen Anteil von Frauen als Chefin eines Betriebs aufmerksam. Was man der rheinischen Kammer zugutehalten muss: Sie meckert nicht nur, sondern handelt auch. Schon 2016 hat sie beim Volkswirtschaftlichen Institut für Mittelstand und Handwerk an der Universität Göttingen (ifh), bekannt auch unter dem gängigeren Namen Deutsches Handwerksinstitut, eine Studie initiiert, mit dem Auftrag, Ursachenforschung zu diesem Problem zu betreiben.
Frau mit Kind
© Foto: Shutterstock / Kaspars Grinvalds

Erstveröffentlicht in der DOZ 01I24

Die Autoren dieser „Frauen gehen in Führung“ (Göttinger Beiträge zur Handwerksforschung, Heft 9) betitelten Studie konstatieren, dass „derzeit etwa jeder vierte Handwerksbetrieb von einer Frau geleitet wird, dieser Anteil ist aber immer noch niedriger als in der Gesamtwirtschaft. Der Grund liegt primär darin, dass Frauen eher in Dienstleistungsbranchen gründen, die im Handwerk unterrepräsentiert sind“. Überdies stünden Frauen eher kleineren Betrieben vor und übten ihre Selbstständigkeit relativ häufig in Teilzeit oder im Nebenerwerb aus. So könnten sie zwar Beruf und Familie besser miteinander vereinbaren; andererseits bedinge dies ein geringeres Einkommen. Insgesamt sei bei Frauen  „die Risikobereitschaft geringer; sie gründen daher sehr viel vorsichtiger, wobei sie viel häufiger als Männer eine Doppelbelastung von Familie und Beruf auf sich nehmen. Hier kommt den traditionellen Rollenbildern immer noch ein hoher Stellenwert zu“.

Typische Gründungsphase meist parallel zu Zeit der Familienplanung

Auf die Doppelbelastung Familie/Beruf geht auch eine jüngere Studie, der „Female Founders Monitor 2020“ (FFM), explizit ein – basierend auf dem Durchschnittsalter von Unternehmensgründern in Deutschland. Unabhängig vom Geschlecht sind die Gründerinnen und Gründer im Mittel etwa 35 Jahre alt, die quantitativ größte Gruppe (46 Prozent) gründet zwischen ihrem 30. und 40. Lebensjahr. Der Anteil derjenigen, die vor dem Alter von 25 Jahren ein Start-up aufbauen, liegt dagegen nur bei 9 Prozent. Damit falle, so die Forschenden, „die typische Phase der Unternehmensgründung genau mit der Zeit der Familienplanung zusammen“, was wiederum beim Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf außergewöhnliche Herausforderungen besonders für Frauen mit sich bringe. Denn familiäre Aufgaben sind laut der Studie auch im Startup-Bereich sehr ungleich zwischen Frauen und Männern verteilt und Gründerinnen hier deutlich stärker gefordert als Gründer. Fazit des FFM: „Diese Doppelbelastung ist für Frauen ein zentrales Hindernis auf dem Weg zum eigenen Unternehmen.“

Etliche Forschende weisen darauf hin, dass die Veränderung von Geschlechterstereotypen (bei Erziehung, Haushalt oder Ausbildungs- und Berufswahl) eine wichtige Rolle dabei spielt, dauerhaft einen höheren Anteil an Gründerinnen zu erreichen. So betont etwa der KfW-Gründungsmonitor 2022: „Wenn ein Selbstständigkeitswunsch besteht, gehen Frauen gleich wahrscheinlich in die Gründungsplanung wie Männer und realisieren ihren Gründungsplan auch gleich wahrscheinlich.“ Dass viel weniger Frauen gründen als Männer, liege vor allem an traditionellen, teils überholten Arbeits- und Familienmodellen. Modernisierung tut laut Gründungsmonitor Not, doch „ein solcher sozialer Wandel benötigt – insbesondere in demografisch älteren Gesellschaften – einen langen Atem“.

Statistik Frauen

Warum sich Frauen selbstständig machen: Die Studie „Gründerinnen im Handwerk“ der Fachhochschule Mittelstand (FHM) hat mit weitem Abstand den Wunsch nach Unabhängigkeit als Treiber ausgemacht, die Gründe „berufliche Herausforderung“ und „Selbstverwirklichung“ folgen auf den Plätzen.

Kreativität, Fürsorglichkeit und gute Beziehungen

Was speziell der Augenoptik-Branche an diesem Studienüberblick Mut machen sollte: Die festgestellte Risikoaversität von Frauen nimmt ab, wenn es um Betriebsnachfolge statt um Neugründung geht. Im Vergleich zu letzteren ist laut der ifh-Erhebung „bei der Übernahme vorhandener, am Markt bereits eingeführter Unternehmen [durch Frauen] ein deutlich erhöhter Anteil an Gründungen“ festzustellen. Hier gilt es angesichts der großen Zahl anstehender Übernahmen in den kommenden zehn Jahren (vgl. Branchenstrukturerhebung 2023 des ZVA, nach der 21,5 Prozent der befragten Betriebe mit einer Übergabe bis 2033 rechnen) ein enormes Potenzial auszuschöpfen.

Denn die geringe Beteiligung von Frauen am Arbeits- und Gründungsgeschehen ist weder aus volks- noch aus betriebswirtschaftlicher Sicht wünschenswert. Aus volkswirtschaftlicher Perspektive bedeutet dies eine Verschwendung von wirtschaftlichen Ressourcen im Sinne von gut ausgebildeten Fachkräften, die nicht nur als Angestellte fehlen, sondern eben auch im Bereich der Gründerinnen. Betriebswirtschaftlich gesehen ist es suboptimal, wenn das Potenzial von Frauen im Gründungsprozess nicht genutzt wird, da sie andere Stärken einbringen und Schwerpunkte setzen als Männer. So ergab zum Beispiel eine Erhebung des Verbands deutscher Unternehmerinnen, dass sich Frauen stärker auf Kreativität, Fürsorglichkeit und Teamfähigkeit fokussieren. Auch intensive Kundenbindungen und gute Beziehungen zu den Mitarbeitenden werden von Frauen stärker als Erfolgsfaktoren gewertet.

Es droht der Verlust tausender Handwerksbetriebe

Diese Erkenntnis ist bei manchen Verantwortlichen inzwischen angekommen: „Handwerkerinnen bilden die größte Unternehmerreserve“, sagt zum Beispiel Andreas Ehlert, Präsident der eingangs zitierten Handwerkskammer Düsseldorf. „Schöpfen wir dieses Potenzial nicht aus, droht unserem Wirtschaftsbereich langfristig der Verlust tausender Handwerksbetriebe und zehntausender Beschäftigter.“ Im Gesundheitshandwerk Augenoptik mögen die absoluten Zahlen kleiner sein, der Wahrheitsgehalt der Aussage sicher nicht.