UV-Strahlung, Blaulicht und Infrarotstrahlung: „Wichtig ist die kompetente Bedarfsanalyse“

Lichtblendung Hand UV
Die Gefahren von UV-Strahlung sind bekannt und unumstritten.
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Die Gefahren von UV-Strahlung sind bekannt, die von Blaulicht viel diskutiert, die von Infrarotstrahlung erst jetzt in ersten Produkten berücksichtigt. Um etwas Ordnung in diese Diskussion zu bringen, haben wir uns mit Prof. Dr. med. Dipl.-Ing. (FH) Hans-Jürgen Grein (Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der DOZ) von der Technischen Hochschule Lübeck über Nutzen und mögliche Schäden verschiedener Wellenlängen unterhalten.

DOZ: Herr Professor Grein, Gesundheitsschäden am Auge durch Lichtstrahlung ist kein neues Thema. Dass ein Schutz vor UV-Strahlung nötig ist, dürfte mittlerweile auch beim Verbraucher bekannt sein. Anders sieht das beim Blaulicht und beim Infrarotlicht aus. Während Letzteres noch nicht so in den Medien diskutiert wird, ist Blaulicht dort schon seit Längerem ein Stimmungskiller. Platt gefragt, welches Licht sollte ein Augenoptiker im Kundengespräch als erstes nennen? 

Professor Hans-Jürgen Grein: Die genannte Reihenfolge ist schon ganz gut. Die Schäden durch UV am beziehungsweise im Auge sind unumstritten. Auch für die potenziell schädigende Wirkung von Blaulicht gibt es viele Hinweise. Die Rolle von Infrarot im Alltag muss man sich zunächst genauer ansehen. 

Dann bleiben wir doch zunächst bei der UV-Strahlung, deren Gefahren doch eigentlich bekannt sind. Zudem sollen die Produkte der Brillenglashersteller für einen ausreichenden Schutz sorgen. Reichen die Maßnahmen der Glashersteller heutzutage aus? 

Hans-Jürgen Grein
Professor Hans-Jürgen Grein
empfiehlt Bildschirmarbeitern,
den Blauanteil ihres Displays
am Abend herunterzufahren:
„Zu hohe Blauanteile im
abendlichen Kunstlicht können
zu Schlafstörungen führen.“
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Die Wirkungen von UV-Strahlung auf Gewebe wird seit Jahrzehnten beforscht – wir kennen das Schädigungspotenzial für das Auge. Glashersteller bieten mittlerweile ausreichend Möglichkeiten für den UV-Schutz an und zwar sowohl für klare als auch für Sonnenschutzgläser. Die UV-Kante sollte nicht unter 400 nm liegen. Unverständlicherweise ist in Sonnenschutzgläsern mit Korrektion eine nicht unerhebliche UV-Durchlässigkeit erlaubt. Dagegen haben praktisch alle einfachen Plansonnenbrillen UV-400-Schutz. Das führt zu der absurden Situation, dass manch hochwertige Optiker-Sonnenbrille mit Korrektion einen schlechteren UV-Schutz bietet als die Billigsonnenbrille von der Tankstelle. Es gibt keinen vernünftigen Grund, Brillengläser ohne UV-Schutz anzubieten, denn diesen Teil der Strahlung brauchen wir nicht im Auge. Es ist die Verantwortung des Augenoptikers, sich über die UV-Transmission seiner Brillengläser zu informieren und die Kunden fachgerecht zu beraten.

Manchmal ist von einem nötigen Schutz bis 420 Nanometer die Rede, ist das nötig und von Herstellerseite aus möglich? 

Per Definition hört die UV-Strahlung bei 400 nm auf. Deswegen sprechen wir hier also schon von Blaulichtschutz. Untersuchungen an retinalen Pigmentepithelzellen haben gezeigt, dass das maximale Schädigungspotenzial des Blaulichtes um 435 nm liegt. 
Aus theoretischer Sicht wäre ein Schutz bis circa 450 nm sinnvoll. Diese Gläser sähen aber bereits sehr gelb aus und wären aus kosmetischen Gründen kaum vermittelbar. Auch ein Glas mit einer Absorptionskante bei 420 nm ist schon nicht mehr ganz klar. Man kann das mit einer leichten Grundtönung des Glases etwas kaschieren. In diesem Sinne ist eine Transmissionskante bei 420 nm als Kompromiss zwischen Schutz und Aussehen nachvollziehbar und auch herstellbar. Ob solche Gläser von den Kunden akzeptiert werden, ist eine andere Frage.

Sollten nicht fehlsichtige Menschen auch nur mit UV-schützenden Brillengläsern ins Tageslicht gehen?

Das geht mir etwas zu weit. UV-Schutz ist nicht in jeder Situation notwendig. Gerade jetzt im Winter ist die UV-Belastung meist sehr gering. Der aktuelle UV-Index lässt sich ja jederzeit im Internet abrufen. Anders sieht das im Sommer bei strahlendem Sonnenschein aus. Dann ist ein UV-Schutz sinnvoll und in aller Regel auch ein Sonnenschutzglas mit Absorption im sichtbaren Bereich. In dieser Kombination lässt sich das auch für nicht fehlsichtige Menschen vermitteln. Anders ist das bei Menschen, die ohnehin Brillenträger sind. Die können den UV-Schutz ja ganz nebenbei mitnehmen. 

Welche Kunden müssen besonders sensibilisiert werden? Und worauf?

Die Augenlinse ist ein wichtiger UV-A-Absorber. Aphake, also Menschen ohne Linse im Auge, bekommen eine hohe UV-A-Belastung auf die Netzhaut. Hier ist UV-Schutz in Brille oder Kontaktlinse Pflicht. Das kommt aber nicht so häufig vor. Menschen, die an degenerativen Netzhauterkrankungen leiden, also insbesondere im Low-Vision-Bereich, sollten sich vor blauem Licht schützen, um den oxidativen Stress für die ohnehin geschädigten Zellen möglichst gering zu halten. Das sind die typischen Anwendungen für Kantenfilter.

Sollten Menschen mit Intraokularlinsen die Blaulichtbelastung reduzieren?

Das hängt davon ab, ob eine klare oder eine blaufilternde, also gelbe Intraokularlinse eingesetzt wurde. Klare IOL lassen das ganze sichtbare Spektrum ungehindert passieren. Die Betroffenen fühlen sich nach der Katarakt-OP oft geblendet und klagen über „Blausehen“. Entsprechend hoch ist auch die oxidative Belastung der Netzhaut. Hier können blauabschwächende Brillengläser helfen. Mit gelben IOL kommen diese Beschwerden kaum vor. Der Blaulichtschutz ist zu einem gewissen Grad schon eingebaut. Sonnenschutz brauchen diese Kunden aber trotzdem. Die gelben IOL haben übrigens keine Nachteile was Visus, Farb- oder Kontrastsehen angeht und sind auf jeden Fall empfehlenswert. 

Manchmal hört man davon, dass Sonnenbrillen bei Kindern das Auge „verwöhnen“ würden und es später sogar zu Komplikationen bei der Adaptation kommen könnte. Stimmt das?

Diese Behauptungen entbehren jeder Grundlage. Kinder haben sehr klare Augenlinsen, die auch einen gewissen Teil der UV-A-Strahlung zur Netzhaut durchlassen. Diese hochenergetische Strahlung kann zu oxidativen Schäden und degenerativen Prozessen in der Netzhaut führen, die erst viele Jahrzehnte später offensichtlich werden. Bis zum Erwachsenenalter schließt sich das UV-Fenster. Bei Erwachsenen wird das UV-A von der Augenlinse vollständig absorbiert. Klar ist, dass Säuglinge überhaupt nicht in die pralle Sonne gehören. In Situationen, in denen sich Erwachsene sinnvollerweise durch eine Sonnenbrille schützen sollten, ist das bei Kindern aber genauso wichtig. Wenn die Gesamtabsorption der Gläser nicht zu hoch ist, etwa im Bereich 65 Prozent, adaptieren Pupille und Netzhaut trotz Sonnenbrille ständig auf die Beleuchtungsbedingungen. Da gibt es kein „Trainings­defizit“. Sehr effektiv beim UV-Schutz im Sonnenschein sind übrigens auch Schirmmützen. Die sollten auf jeden Fall dabei sein.

Infrarotlicht
Es gibt viele Hinweise, dass Infrarotstrahlung Zellen positiv stimulieren kann.
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Wir haben das Blaulicht eben bereits angesprochen. Wenn von Blaulicht die Rede ist, dann meist in dem Zusammenhang, dass es Augenerkrankungen (speziell die Begünstigung einer altersabhängigen Makuladegeneration), Schlaf- und Konzentrationsstörungen verursacht. Kann man das so pauschal sagen?

Es lohnt sich, das etwas differenzierter zu betrachten. Es gibt zwei Effekte des Blaulichts, die bei unterschiedlichen Wellenlängen auftreten. Das kurzwellige Blau, etwa zwischen 400 und 450 nm, hat ein hohes Schädigungspotenzial in der Netzhaut. In den retinalen Pigmentepithelzellen sammelt sich im Laufe des Lebens Lipofuscin an, ein Abfallprodukt aus dem Stoffwechsel des Sehfarbstoffs der Netzhautrezeptoren. Wird dieses Lipofuscin mit kurzwelligem Blau bestrahlt, entstehen freie Radikale, die zu oxidativen Gewebeschäden führen können. Ein Prozess, der für die Entstehung der AMD eine wichtige Rolle spielt. Dieser kurzwellige Teil des blauen Lichts ist das schädliche Blau.

Andererseits haben wir spezielle blaulichtempfindliche Ganglienzellen in der Netzhaut, die den Tag-Nacht-Rhythmus des Körpers entscheidend mitsteuern, unserem Körper also signalisieren, ob es Tag oder Nacht ist. Deren maximale Empfindlichkeit liegt etwa zwischen 440 und 490 nm. In diesem Bereich liegt quasi das nützliche Blaulicht. Wir brauchen genügend davon am Tag, um wach zu bleiben. Zu viel von diesem Blau am Abend kann aber wiederum Schlafstörungen verursachen. 

Folglich wäre es sinnvoll, das kurzwellige, schädliche Blau zu reduzieren, aber gleichzeitig tagsüber genügend langwelliges, nützliches Blau ins Auge gelangen zu lassen.

Blaulicht gilt als „Stimmungsaufheller“ und wurde auch als Behandlungsmethode gegen Depressionen eingesetzt. Wie ist es dann zu erklären, dass es tatsächlich schädlich sein soll? 

Stimmungsaufhellend wirkt der langwelligere Blaulichtanteil, der über die speziellen blauempfindlichen Ganglienzellen den Melatoninspiegel im Gehirn triggert. Wird das ganze Blauspektrum eingesetzt, nimmt man auch belastende Effekte für die Netzhaut in Kauf. 

LED-Lampen und LED-Licht sind weiter auf dem Vormarsch. Sie verfügen über einen hohen Anteil an Blaulicht, was die Diskussion darüber hin und wieder anheizt. Wie gefährlich ist LED-Licht für das menschliche Auge, insbesondere für Augen von 
Kindern?
 

Tatsächlich emittieren LEDs aufgrund ihrer Bauweise besonders viel Blaulicht um 435 nm, also genau am Empfindlichkeitsmaximum des Lipofuscins. LEDs, etwa in Taschenlampen, können sehr lichtstark sein. Beim direkten Blick aus unmittelbarer Nähe in die LED können Grenzwerte der Netzhautbelastung bereits nach zehn Sekunden überschritten werden. Über diese Gefahr sollten Kinder aufgeklärt werden. Im normalen Leben wird das aber niemand tun. Die Blaulichtbelastung bei bestimmungsgemäßer LED-Nutzung ist um Größenordnungen geringer und gilt als sicher. 

Und ganz konkret: Kann Blaulicht von LED-Lampen eine Makuladegenerationen beschleunigen oder gar in Gang setzen?

Aus zellbiologischer Sicht ist ein gewisses Risiko plausibel. Die Wirkung von blauem Licht auf die Netzhaut ist in Tiermodellen und an isolierten Zellen erforscht. Entscheidend für die Netzhautgefährdung ist am Ende aber die Dosis. Bei bestimmungsgemäßer Nutzung von LEDs dürfte das Risiko nicht allzu groß sein, wenn man bedenkt, um wieviel höher die Belastung von Menschen ist, die im Freien arbeiten. Langfristige Erkenntnisse hierzu müssen aber noch gesammelt werden. 

Was ist für das Auge besser: kaltes oder warmes LED-Licht?

Warmes LED-Licht hat geringere Blauanteile und ist insofern schonender für die Augen. Das kann man ja auch am Computermonitor ausnutzen und den Blauanteil der LEDs reduzieren.

Was ist gefährlicher, die Blaulichtanteile im Sonnenlicht oder die im Kunstlicht?

Entscheidend sind Wellenlängenbereich und Dosis des Blaulichts. Letztere ist im Sonnenlicht deutlich größer. Im Vergleich zum Computermonitor ist die Leuchtdichte des blauen Himmels im Sonnenlicht mehrere hundertmal höher. Eine 20-minütige Mittagspause im Sonnenschein kann also die gleiche Blaulichtdosis ergeben wie ein Acht-Stunden-Tag vor dem Monitor. 

Wenn die Dosis also das Gift macht: Wie hoch darf denn dann eine Dosis sein? Und wie kann man sich überhaupt gegen zu viel Blaulicht schützen? Sollte man das grundsätzlich überhaupt tun? 

Es gibt leider keine gesicherten Daten darüber, bei welcher Dosis die langfristige Gefährdungsschwelle liegt. Die entstehenden Netzhautschäden addieren sich über Jahrzehnte auf. Ein Blaulichtschutz, zum Beispiel mit Blaufilterbrille, macht in Situationen mit hoher Lichtdosis natürlich besonders Sinn. Ob und wie gut sich damit das langfristige AMD-Risiko verringern lässt, ist schwer zu messen. Entsprechende kontrollierte Studien müssten über Jahrzehnte laufen. Aus zellbiologischer Sicht ist es in jedem Fall plausibel, sich zu schützen. 

Wie schädlich ist die Bildschirmarbeit für die Augen denn tatsächlich?

Was das Blaulicht bei LED-Bildschirmen angeht, lässt sich das bis heute wegen der Langfristigkeit der Effekte nicht abschließend sagen. Übertriebene Panik ist aber nicht angebracht. Die Blaulichtemission lässt sich ja auch in den Bildschirmmenüs reduzieren. Die sich immer mehr etablierenden OLED-Displays haben ohnehin eine geringere Blauabstrahlung. 

Müssen Kinderaugen generell eher vor Blaulicht geschützt werden als die Erwachsener? Die intensive Nutzung von Tablets und Smartphones soll die „Myopie-Epidemie“ vor allem in Asien zumindest teilweise erklären. Sollte man das hierzulande ernst nehmen und mit Kunden diskutieren, oder ist das etwas, was insgesamt zu heiß gekocht wird?

Dem blauen Licht wird eine wichtige Funktion bei der Myopiekontrolle zugeschrieben. Vermutlich steuert Blaulicht die Dopaminfreisetzung in der Netzhaut, was dem Längenwachstum der Augen entgegenwirkt. Damit wird erklärt, warum der Aufenthalt im Freien bei Kindern so wichtig ist. Ein expliziter Blaulichtschutz bei Kindern wäre daher nach aktuellem Stand eher kontraproduktiv. Vorrangig ist der UV-Schutz bei Kindern, da deren Augenlinse wie schon erwähnt bis zum Erwachsenenalter eine gewisse Durchlässigkeit für UV-A hat. Die in einer japanischen Studie postulierte myopieregulierende Wirkung von UV-Strahlung wird stark angezweifelt und auf methodische Schwächen der Studie zurückgeführt. Der myopisierende Effekt von Tablets und Smartphones wird dem geringen Sehabstand zugeschrieben, nicht dem blauen Licht.

Die Industrie bietet längst Brillengläser mit Blau­filter an. Sie sollen bei intensiver Bildschirmarbeit für weniger trockene Augen, selteneren Kopfschmerzen und weniger müden Augen sorgen. Tun sie das?

Das sind insbesondere Gläser mit blauen Entspiegelungen. Sie reduzieren die Blaulichttransmission um knapp 15 Prozent. Ein wissenschaftlicher Wirksamkeitsnachweis ist methodisch aufwendig und teuer und wird von vielen Faktoren überlagert. Augenoptiker berichten durchaus von zufriedenen Kunden. Das ist aber kein wissenschaftlicher Nachweis der Wirksamkeit. Bei der subjektiven Zufriedenheit spielt die Erwartung der Kunden an das Brillenglas eine große Rolle, das ja eine entlastende Wirkung haben soll. Unter strengen wissenschaftlichen Kriterien hat sich die Wirksamkeit bisher nicht zeigen lassen. 

Die möglicherweise unterschiedlichen Brillenglaswerte mal außer Acht gelassen: Müssten konsequenterweise Brillen für den Schreibtisch nicht auch im Dunkeln im Auto getragen werden, um sich vor hellen Xenon- oder LED-Scheinwerfern entgegenkommender Autos zu schützen?

Das kann man natürlich tun. Blendempfindlichkeit ist ein stark subjektives Gefühl. Ein Faktor bei den genannten Scheinwerfern sind die sehr punktuellen und enorm hellen Lichtquellen mit hohem Blauanteil. Eine Blaulichtreduktion von knapp 15 Prozent kann subjektiv hilfreich sein. Kommt die Blendung aber im Wesentlichen durch Medientrübungen und entsprechendes Streulicht im Auge, wird der Effekt nicht ausreichen.

Sind spezielle Brillengläser für die Reduktion der Blaulichtbelastung letztlich überhaupt die richtige Lösung?

Wollen wir uns vor Blaulicht schützen, bleibt neben der Reduktion des Blauanteils in Lichtquellen nur der Einsatz entsprechender Filter in Sehhilfen oder Intraokularlinsen. Im Sonnenlicht steckt die höchste Intensität an Blaulicht, der wir üblicherweise ausgesetzt sind. Deshalb ist da der Blaulichtschutz am wichtigsten. Nach allem was heute über die Schädlichkeit und Nützlichkeit des Blaulichtes bekannt ist, hätte ein ideales blauabschwächendes Sonnenschutzglas bis etwa 450 nm eine sehr geringe Transmission und würde darüber bis etwa 500 nm genügend blau durchlassen, um die positiven Blaueffekte zu nutzen. Solche selektiven Blauabschwächer gibt es auf dem Markt und sie sind auch verkehrstauglich. Für eine wirklich kompetente Beratung der Kunden ist es unerlässlich, die Transmissionskurven der verschiedenen Filtergläser beim Hersteller abzurufen und sorgfältig zu vergleichen.

Welchen Einfluss hat Blaulicht auf die innere Uhr des Menschen? Wie kann ich dem entgegenwirken? 

Blaulicht stimuliert spezielle Ganglienzellen der Netzhaut, die ihrerseits hemmend auf die schlaf­induzierende Melatoninproduktion in der Zirbeldrüse des Gehirns wirken. Unter natürlichen Bedingungen nimmt bei Abenddämmerung der Blauanteil im Licht ab, die Melatoninproduktion steigt und wir werden müde. Zu hohe Blauanteile im abendlichen Kunstlicht können deshalb zu Schlafstörungen führen. Abends sollte die Netzhaut deshalb nicht mehr mit hohen Blaulichtdosen bestrahlt werden. Für Displays gibt es Programme, die den Blauanteil am Abend herunterfahren. Übrigens hat die Netzhaut selbst auch einen Tag-Nacht-Rhythmus, zum Beispiel bei der Stoffwechselaktivität der Stäbchen und Zapfen und bei der Verarbeitung des verbrauchten Sehfarbstoffs der Rezeptoren. Störungen dieses Rhythmus könnten die Bildung von Abfallpigment in der Netzhaut fördern.

Abschließend zum Blaulicht, was sollte ein Augenoptiker eher verkaufen für die Nachtlektüre: Eine Lesebrille für das Buch auf dem Kopfkissen oder eine blaulichtschützende Filterbrille fürs Tablet unter der Bettdecke? 
Das hängt vom Alter des Kunden ab und ist ein klassischer Fall für eine kompetente Bedarfsanalyse. Beides kann sinnvoll sein. Beim Tablet sollte aber in jedem Fall der Blauanteil reduziert werden.

Dass es erste Brillengläser gibt, die die ins Auge tretende Infarotstrahlung reduzieren sollen, dürfte noch nicht jedem bekannt sein. Wird es in naher Zukunft mehrere Anbieter geben? 

Dazu liegen mir keine Informationen vor. Es ist aber konsequent, nach der Blaulichtdiskussion auch über die Wirkungen von Infrarot nachzudenken.

In der Dermatologie gibt es Studien zur schädlichen Wirkung von Infrarotstrahlen im Sonnenlicht – insbesondere, wenn es um das Thema Sonnenschutz geht. Die meisten von uns haben gelernt, was ein Glasbläserstar ist, und im Umgang mit Infrarot­lampen wird davor gewarnt, die Augen während der Benutzung zu öffnen. Ist demnach ein Schutz vor Infra­rotstrahlung durch ein Brillenglas sinnvoll? 

Die Wirkung von Infrarot- oder kurz IR-Strahlung  auf Zellen wurde bereits intensiv beforscht. Es gibt eine ganze Reihe positiver Effekte für den Zellstoffwechsel, die von IR-Strahlung ausgehen können. Das hängt aber sehr stark von der Wellenlänge, der Art der Applikation und natürlich der Intensität ab. Durch IR-Strahlung werden Zellen auch erwärmt. Überschreitet die Erwärmung kritische Grenzen, werden die Zellen durch Proteindenaturierung geschädigt. Dieser Effekt wird unter anderem für die Entstehung des Infrarotstars verantwortlich gemacht. Besonders Strahlung zwischen 800 und 1.200 nm ist aufgrund ihrer Absorptionscharakteristik gefährlich für die Augenlinse. Die kurz- oder langfristig kritische Grenze der Erwärmung der Augenlinse wird nur unter besonderen Bedingungen erreicht, wie sie zum Beispiel an Hochöfen bestehen. In alltäglichen Situationen ist das nicht zu befürchten. Ein entsprechender Schutz ist daher im Alltag eher nicht erforderlich. 

Und andererseits sagt man ja, dass Infrarotlicht-Anteile im Sonnenlicht bestimmte Prozesse im Auge reparieren können. Stimmt das und wenn ja, welche sind das?

Es gibt viele Hinweise, dass Infrarotstrahlung Zellen positiv stimulieren kann. Meist verwendet man künstliche Lichtquellen, die sehr viel besser kontrollierbar sind als Sonnenlicht. So soll zum Beispiel die Energiegewinnung in den Mitochondrien der Zellen profitieren. Auch verbesserte Funktion von Nervenzellen, Wundheilungsförderung im Gewebe oder Effek­te bei der Krebsbehandlung werden beschrieben. Besonders in der Dermatologie nutzt man das, zum Beispiel bei der Therapie von Akne. Aktuell wird IR-Strahlung zur Stimulation von Meibom-Drüsen in der Therapie des Trockenen Auges eingesetzt. Auch bei der Therapie von Netzhauterkrankungen wie AMD und diabetische Retinopathie könnte es positive Effekte durch Infrarotstrahlung geben. Bei solchen Therapien sind viele Variablen zu berücksichtigen, etwa die eingesetzte Wellenlänge, Pulsationen oder die Intensität der Strahlung. Die Ergebnisse von Zellstudien lassen sich auch leider nicht so einfach in funktionierende Therapien am Menschen übertragen. Bei der AMD-­Behandlung gab es da schon Enttäuschungen in Therapiestudien. In Zukunft könnten wir aber auch positive Überraschungen erleben.

Die Fragen stellte Ingo Rütten. 


Dieses Thema stammt aus der aktuellen DOZ-Ausgabe 02|2020 - erhältlich als Print- oder digitale Ausgabe im Abonnement.