Mit harter Hand geführt ist halb gewonnen

Faust auf einem Tisch
Hart durchgreifen oder Kuschelkurs?
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Oder auch nicht – ein situativer Führungsstil setzt oft mehr Eigeninitiative frei. Augenoptiker, die stark ins Tagesgeschäft eingebunden sind, haben wenig Zeit für die Führung ihrer Mitarbeiter. Oft überlassen sie diese sich selbst. Häufig wendet der Chef ein, eine aktive Führung sei bei dem geringen Personalstand nicht erforderlich, bisher hätte auch niemand die Führung vermisst oder ausdrücklich gefordert. Außerdem läuft alles von alleine. Andererseits werden in Stellenangeboten für Führungskräfte ausdrücklich Führungseigenschaften gefordert. Vorgesetzte müssen nicht nur Fachkenntnisse haben, sondern auch Managementfähigkeiten mitbringen. Führung soll die Motivation der Mitarbeiter fördern und damit auch die Arbeitsfreude und die Ergebnisse verbessern.

Jeder Mitarbeiter ist nur so gut wie er geführt wird. Der erfolgreiche Augenoptiker versteht sich als Personalentwickler, zu Neudeutsch als Coach. Früher wurde der Kutscher eines Fuhrwerks als Coach bezeichnet, heute wird der Begriff Coach nicht nur im Sport verwendet. So wie im Mannschaftssport der Trainer und Coach auf jeden einzelnen Sportler individuell eingeht, um bei ihm Leistungsreserven zu wecken, berücksichtigt der Augenoptiker bei der situativen Führung die Individualität des Einzelnen. Im „situativen Führungsstil“, die Fortsetzung der „kooperativen Führung“, erhält jeder Mitarbeiter für seine Situation und seine fachlichen sowie sozialen Fähigkeiten angemessene Führung.

Führungskraft wird zum „Beziehungsmanager“

Fachkompetenz, Entwicklungsstand und Persönlichkeit des einzelnen Mitarbeiters werden der situativen Führung soweit wie möglich berücksichtigt. Merkmal ist der individuelle Bezug zum einzelnen Mitarbeiter im Gegensatz zu anderen Führungsstilen, die pauschal vorgeben, was zu tun ist, ohne die Situation des Einzelnen zu bedenken. Situativ führen verlangt der Führungskraft ein hohes Maß an Flexibilität ab. Jeder Mitarbeiter will in seiner Individualität erkannt und angenommen werden. Situative Führung wird nicht nur gewünscht, sondern geradezu von den Mitarbeitern in allen Branchen gefordert. Im Gegensatz zu anderen Führungsmethoden geht der situative Führungsstil optimal auf die Belange der Mitarbeiter ein. Führung ist effektiv, wenn sie für jeden im Team erkennbar und erlebbar ist. In der Praxis kann dieser Führungsstil oft nicht in Reinform, also zu 100 Prozent angewendet werden, sondern im Mix mit der autoritären Führung.

Die Führungskraft wird zum „Beziehungsmanager“, legt neben den betrieblichen Zielen verstärkt Wert auf emotionale Kompetenz. Dabei geht es um die Gewinnung von Sympathien und Vertrauen der Mitarbeiter. Gelingt es dem Chef, das Vertrauen und die Sympathien der Mitarbeiter auf sich zu vereinen, wird sich das Team nach außen hin loyal zeigen und als Mannschaft auftreten.

Wunschliste des Personals

  • Wir werden rechtzeitig und vollständig über Wichtiges informiert.
  • Wir haben bei der Arbeitseinteilung auch ein Mitspracherecht.
  • Wir dürfen an Entscheidungen mitwirken, es gibt Handlungsspielräume.
  • Wir werden gehört, verstanden und ernst genommen.
  • Wir erhalten für besondere Leistungen Anerkennung.
  • Wir spüren die Wertschätzung unserer Person.

Im Idealfall sind die Mitarbeiter von der Führung begeistert, sie sehen ihren Chef  als Teil ihres Teams und als Coach der Mannschaft. Dadurch entsteht beim Einzelnen die Bereitschaft, private Interessen auch mal zurückzustellen und Mehrarbeit ohne Frust zu leisten. Dabei sollte man nicht nur auf ein harmonisches Miteinander achten, ein Kuschel-Management wird von Mitarbeitern kritisch betrachtet. Motivierend hingegen wirkt es, wenn der Chef seinen Mitarbeitern das Gefühl vermittelt, dass sie einen für den Betriebserfolg notwendigen Beitrag erbringen.

Zehn Leitbilder zeigen die totale Kehrtwende vom autoritären zum situativen Führungsstil. Wer selbst in einem autoritären Stil gelernt und gearbeitet hat, sich unterordnen musste, muss sich als Führungskraft jetzt umstellen.

Übersicht Führungsstile

Zur erfolgreichen Führung gehört es, Entscheidungen nicht im Alleingang zu treffen, Mitarbeiter müssen darauf vorbereitet werden, Verantwortung zu übernehmen, der Augenoptiker wird sich erst daran gewöhnen müssen, bestimmte Verantwortungsbereiche zu delegieren. Durch die Delegation fördert er die Motivation und die Identifikation des Mitarbeiters mit dem Betrieb. Richtig motiviert ist, wer sagt: „Ich freue mich auf meine Arbeit, ich freue mich auf Herausforderungen“. Je mehr sich der Mitarbeiter als Teil der Firma fühlt, desto größer wird sein Engagement ausfallen. Zufriedene Mitarbeiter unterscheiden sich von begeisterten Mitarbeitern. Wer begeistert ist, geht bis an seine Leistungsgrenze und arbeitet, als wäre er selbst der Chef. Begeisterung zu schaffen, erfordert die besondere Führungsqualität des Chefs. Gute Personalführung führt außerdem zu Mitarbeiterbindung (Retention) und reduziert die Fluktuation im Betrieb. Motivierte Mitarbeiter entwickeln Eigeninitiative, Engagement, Schwung, und Begeisterung. Ein Mitarbeiter ist motiviert, wenn er von sich aus den „Antrieb“ zeigt, die Arbeitsziele möglichst gut zu erreichen.

Das Wir-Gefühl stärken

Autoritäre Führung ist bis auf wenige Ausnahmen zum Scheitern verurteilt. Für den autoritären Vorgesetzten sind Mitarbeiter reine Vollzugsorgane, die sich unterordnen müssen. Wer sein Team unter Druck setzt, erzeugt Gegendruck oder Gleichgültigkeit. Der autoritäre Chef hat immer das letzte Wort, und tut sich schwer, eine andere Meinung zuzulassen. Widerspruch wird in der Regel nicht geduldet. Bemerkenswert: Der autoritäre Führungsstil wird in manchen Betrieben bis heute in leicht ausgeprägter Form praktiziert, weil der Chef keine andere Führung kennt oder anwenden kann. Und man hört immer wieder die Meinung: „Mit meinen Leuten muss ich so reden, die verstehen nichts anderes und können sich unter situativer Führung auch nichts vorstellen.“

Test

Die Mitarbeiterzufriedenheit beeinflusst die Kundenzufriedenheit, ein Zusammenhang der vielfach nachgewiesen wurde. Nur zufriedene Mitarbeiter schaffen zufriedene Kunden. Zu den Aufgaben des Augenoptikers gehört es, die Mannschaft mal zum Essen einzuladen, oder sich auf einem regionalen Volksfest zu treffen, eine Sportveranstaltung zu besuchen oder das Team zu einem Grillabend zu bitten. Das zeigt Wertschätzung und stärkt das „Wir-Gefühl“. Manchmal sind gerade die kleinen Dinge wichtig für die Motivation des Einzelnen zum Beispiel die Gratulation zum Geburtstag eines Mitarbeiters.

von Rolf Leicher