60. Fielmann Kolloquium

Augenärzte und Augenoptiker bekunden Interesse an Vernetzung

Beim 60. Fielmann Kolloquium der Fielmann Akademie Schloss Plön ging es um das Thema Augenärzte und Augenoptiker und deren nicht ganz eingängiges Verhältnis. Unter dem Titel: „Kooperation statt Konfrontation“ sprachen drei Fachmänner aus beiden Lagern. Am Ende waren sich alle einig: es braucht mehr Vernetzung zum Wohle der Kunden.
Prof. Grein und die drei Referenten des Abends.

Prof. Grein (oben rechts) begrüßte die Referenten Dr. Johannes Steinberg (oben links), Dirk Engisch (unten rechts) und Prof. Marcel Menke (unten links) zum 60. Fielmann Kolloquium. 

© Screenshot/Fielmann Akademie Schloss Plön

Pünktlich um 18:30 Uhr begrüßte Prof. Dr. Hans-Jürgen Grein, Leiter der Fielmann Akademie Schloss Plön, alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer zum 60. Fielmann Kolloquium, das als Web-Seminar über Zoom stattfand.

Nach ein paar einführenden Worten zu dem mitunter komplizierten Verhältnis zwischen Augenärzten und Augenoptikern und den verschwimmenden Grenzen beider Arbeitsfelder, begrüßte er den ersten Referenten Prof. Dr. Marcel Menke. Der Schweizer Chefarzt der Augenklinik Kantonsspital Aarau hatte einen Vortrag zur Notwendigkeit der Kooperation zwischen beiden Berufsgruppen vorbereitet.

Weniger Ärzte, mehr Patienten

Menke stieg mit dem Beispiel eines erblindenden Auges ein und erklärte, dass vor allem der demographische Wandel die augenoptische Branche in naher Zukunft vor neue Herausforderungen stellen werde. Eine immer älter werdende Bevölkerung bedeute auch mehr Patienten mit ernsthaften Augenerkrankungen. Des Weiteren gibt es bereits heute Versorgungslücken auf dem Land, die in den kommenden Jahren, mit fortschreitendem Alter der Augenärzte, nur noch größer werden. Zusätzlich wies Menke darauf hin, dass die Vorsorge in Deutschland zu kurz käme. Zum einen, weil sie in den Köpfen der Menschen noch nicht angekommen sei, zum anderen, weil sie nicht von den Kassen bezahlt würden, was die Patienten zusätzlich abschrecke. Nur rund 23 Prozent aller Menschen in Deutschland gingen regelmäßig zum Augenarzt.

Menke präsentierte zudem Zahlen der Versorgungskapazität im Vergleich zu den aktiven Augenärzten und verwies als Quelle auf das Weißbuch der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft DOG. Aus den Zahlen ginge hervor, dass die Versorgungskapazität in den letzten Jahren trotz steigender Zahlen bei den Augenärzten fast gleichgeblieben sei. Diesen Umstand erklärte er damit, dass viele Augenärzte heute angestellt wären, anstatt eigene Praxen zu eröffnen und viele zudem in Teilzeit arbeiten würden.

Wird die Welt blind?

Der demographische Wandel berge zudem eine weitere Herausforderung: die Erblindung im Alter. Durch die altersbedingte Makuladegenaration (AMD), aber auch durch das Glaukom und die diabetische Retinopathie gebe es heute in Deutschland mehr als 19 Millionen Fälle von Sehverlust bei unter 50-Jährigen. Und die Tendenz steigt: laut der WHO könnten bis 2050 weltweit etwa 703 Millionen Menschen unter einer schweren Sehbehinderung leiden.

Mit einem Blick ins Ausland wies Menke daraufhin, dass regelmäßige Vorsorge diese Zahl eindämmen könne. In Ländern wie Großbritannien, den USA, Schweden und Spanien gibt es staatliche Vorsorgeprogramme für bestimmte Patientengruppen, wie beispielsweise Diabetiker. So seinen die schweren Sehbehinderungen oder Erblindungen in Großbritannien kontinuierlich gesunken (siehe Abbildung). „Durch gezieltes Screening kann die Erblindung signifikant gesenkt werden“, schloss Menke.

Zum Abschluss brach er eine Lanze für die telemedizinische Plattform Ocumeda, die er mit aufgebaut hat und mit deren Hilfe Fielmann nun seinen Augen Check-up deutschlandweit ausrollt. Ocumeda sei ein gutes Beispiel dafür, wie die Augenoptiker als Ansprechpartner für die Patienten da sein könnten, wenn die Ärzte überlastet sind. Ocumeda ermöglicht es Augenoptikern, Auffälligkeiten, die sie bei einem Kunden entdecken digital einem Augenarzt mitzuteilen und beurteilen lassen zu können. In dringenden oder gar Notfällen hilft Ocumeda dabei, schnell einen Augenarzt in der Nähe zu finden.(Mehr zu Ocumeda und Fielmann lesen Sie in der aktuellen Dezember-Ausgabe der DOZ)

Eine Folie von Menke zeigt den leichten Rückgang von Erblindung durch Vorsorge.

Menke berief sich auf das Ergebnis einer Studie, die aufzeigt, dass die Erblindung in Großbritannien durch die staatliche Vorsorge zurückgeht. 

© Screenshot/Prof. Menke

Mitteilung per Zettel

Im Anschluss berichtete Augenoptiker und Diplom-Ingenieur Dirk Engisch aus seiner persönlichen Erfahrung in der Kommunikation zwischen Augenärzten und Augenoptikern. Er selbst führt ein Geschäft und begann eines Tages, seinen Kunden bei Bedarf einen beidseitig bedruckten Zettel in die Hand zu drücken. Auf der einen Seite fand der Kunde eine Liste mit Augenärzten in der Nähe. Auf der anderen Seite befand sich eine Kurzeinschätzung des Augenoptikers, die der Kunde direkt an den Arzt weitergeben konnte. „Ich wollte maximale Transparenz in der Kommunikation“, erklärte Engisch und wies darauf hin, dass diese Mitteilungszettel bei den Augenärzten nicht nur gut ankamen, sondern auch für Wiedererkennungswert sorgten.

Aus dieser Anekdote heraus wies Engisch darauf hin, wie wichtig es sei, dass Augenoptiker Augenärzten Auffälligkeiten direkt mitteilen. Aus eigener Erfahrung wisse er, dass der Kunde bis zum lang erwarteten Termin beim Augenarzt mitunter wieder vergessen habe, was genau ihm der Augenoptiker gesagt habe und des Weiteren mit den Fachbegriffen mitunter überfordert sei. Von den Kunden kam bald das Feedback, dass die Terminvergabe durch die Zettel beim Augenarzt schneller ging, da die Dringlichkeit erkennbar war. Inzwischen hat sich Engisch ein eigenes kleines Netzwerk mit einigen Augenärzten aufgebaut, von dem beide Seiten profitierten.

Ein Mitteilungszettel mit den wichtigsten Daten für den Augenarzt

Dirk Engisch gibt seinen Kunden im Falle einer Empfehlung einen Mitteilungszettel für den Augenarzt mit.

© Screenshot/Dirk Engisch

Mehr Aufklärung für die Kunden

Zudem wies er die Augenoptiker an, die Kunden vermehrt auf Vorsorgetermine beim Augenarzt aufmerksam zu machen. Für gesunde Augen müsse der Kunde beide Seiten regelmäßig aufsuchen. Zusätzlich sah er die Augenoptiker in der Pflicht, die Kunden kommunikativ besser abzuholen, ihnen nach dem Besuch beim Augenarzt das Fachvokabular zu erklären und die Befunde mit ihnen durchzusprechen. Es sei wichtig, dass der Kunde nicht allein gelassen werde. 

Zum Abschluss wünschte sich Engisch eine bessere Begleitung bei Katarakt-OPs durch die Augenoptiker, um die Kunden für die Übergangszeit nach der OP besser abholen zu können. So biete er für die Übergangszeit nach einer solchen OP seinen Kunden eine Übergangsbrille an, die sie nach Ablauf der Zeit wieder zurückgeben könnten. 

Einfach anrufen

Als dritter Redner war Dr. Johannes Steinberg, niedergelassener Augenarzt aus Hamburg, zugeschaltet. Er ging auf die langen Wartezeiten bei Augenärzten mit einer persönlichen Geschichte ein und schloss, dass die Augenoptiker für die meisten Patienten schneller und besser greifbar seien.

Steinberg ging ähnlich wie Menke auf die Herausforderungen des demographischen Wandels ein und betonte, dass auch die alternden Augenärzte bald zu Patienten werden würden. Dem könne man mit gezielter Kommunikation und Nutzung der Technologie begegnen. Dafür brauche es seiner Erfahrung nach nicht einmal ein tolles Tool, meist reiche ein Anruf bei einem nahegelegenen Augenoptiker.

Austausch zum Wohl des Patienten

In Fällen wie einem Katarakt, einem Keratokonus sowie bei Notfällen wie beispielsweise Gesichtsfeldausfällen sollten sich laut Steinberg Augenärzte und Augenoptiker immer austauschen. Außerdem gab er zu bedenken, dass auch lebensbedrohliche Erkrankungen auf den ersten Blick harmlos wirken können.  

Da er in naher Zukunft keinen großen Anstieg bei den Augenärzten sieht, nannte Steinberg die Einbindung der Augenoptiker als logische Konsequenz und gab zu bedenken, dass die Begründung einer höheren Ausbildung bei den Ärzten so nicht mehr greife, da Augenoptiker heute ebenfalls über weitreichende Weiterbildungen verfügen. Zudem unterstütze heute die moderne Technik. Steinberg ging ebenfalls auf Ocumeda ein und wies zudem auf KI als eine Chance für die Branche hin, die in der Zusammenarbeit positiv unterstützen könne. Er fügte hinzu, dass er sich in Angleichung an die verpflichtenden Fortbildungen für Ärzte ebenfalls ein „Pflichtcurriculum“ für die Augenoptiker im Gesundheitsbereich wünschen würde.

Screenshot von Folie mit Datum und Ort zum "Tag der Kommunikation"

Steinberg lud zum "Tag der Kommunikation - AO-AA" in Hamburg ein. 

© Screenshot/Dr. Steinberg

„Kooperation statt Koexistenz“

Zum Abschluss seines Vortrages sprach Steinberg eine Einladung an Augenoptiker und Augenärzte für einen „Tag der Kommunikation AO-AA“ in Hamburg aus. In einer der Praxen von „Praxissehstärke“ soll am 8. Dezember ein menschliches Kennenlernen beider Seiten stattfinden, um die Kommunikation anzukurbeln. Auch weitere Termine in Frankfurt, München und Regensburg seien geplant.

Großes Interesse an Vernetzung

Bei der anschließenden, von den Zuhörer gestellten Fragen angeregten Abschlussdiskussion standen vor allem das Interesse an KI und der Tag der Kommunikation in Hamburg im Zentrum. Viele Teilnehmenden wollten nähere Infos zu der Veranstaltung erhalten. Einige fragten nach dem genauen Ablauf und Zugriffsberechtigungen bei Ocumeda und wollten zudem wissen, ob Fehlmessungen durch die KI bekannt wären, was zwar verneint, aber nicht endgültig ausgeschlossen wurde. Menke versicherte den Zuhörern aber, dass neben der KI auch immer Menschen vom Fach in die Beurteilung über Ocumeda eingebunden seien.

Auch die Frage nach dem internationalen Vergleich der Zuständigkeit und Kompetenzen von Augenoptikern und Augenärzten wurde gestellt. So seien die Augenoptiker in Großbritannien ganz anders eingebunden, als in Deutschland. Alle drei Referenten bejahten dies, gaben aber zu bedenken, dass in anderen Ländern auch der Ausbildungsweg ein anderer sei. Ferner waren sich alle Referenten einig, dass die Medikamentenvergabe weiterhin in der Hand der Ärzte verbleiben solle. Engisch fügte dem hinzu, dass er sich in erster Linie als Techniker verstehe und sehr froh darüber sei, nichts mit Medikamenten zu tun zu haben. Abschließend fügte Grein noch hinzu, dass er durch moderne Technik und das erweiterte medizinische Tätigkeitsfeld große Chancen für die Augenoptiker sehe, neue Nischen zu erschließen wie beispielsweise die Vorsorge.

Viele weitere interessante Informationen rund um das Thema lesen Sie im Spezial der Dezember-Ausgabe der DOZ mit dem Titel "Partner auf Augenhöhe: Augenarzt & Augenoptiker".