BETRIEBSPRAXIS
DOZ
09 | 2017
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nächsten Jahren entwickeln? Kann das
Unternehmen unabhängig von den bis-
herigen Inhabern geführt werden? Wie ist
die Bilanz gestaltet? Werden realistische
Gewinne ausgewiesen oder liegt die Prio-
rität eher auf der Steuerminimierung?
Das rückt nun den Unternehmenswert
in den Blickpunkt …
…und damit die solide geprüfte Un-
ternehmensbewertung. Sie ist die Ge-
sprächsgrundlage für den jetzigen und
den potenziellen zukünftigen Unterneh-
mensinhaber. Sie legt offen, ob der ver-
kaufswillige Inhaber überhaupt von kom-
patiblen Vorstellungen ausgeht. Heikler
Nebenaspekt für den Verkäufer ist dabei
die Wertschätzung, die Bilanzierung sei-
nes Lebenswerkes. Die damit verbunde-
nen Emotionen sorgen nicht selten dafür,
dass es zu wenig marktgerechten Wert-
vorstellungen kommt. Grundsätzlich muss
jeder Betrieb individuell bewertet werden.
Dabei können unterschiedliche Bewer-
tungsmethoden richtig sein. Sind bei dem
einen Unternehmen die Gewinne die aus-
schlaggebende Bewertungsbasis, sind es
bei einem anderen die Vermögenswerte,
die in Maschinen oder im Warenlager
gebunden sind. Die Verwendung allge-
meiner Durchschnittsmultiplikatoren kann
daher kaum zu einer plausiblen Wert-
ermittlung führen.
Eine transparente und plausible Wert-
ermittlung setzt deshalb die detaillierte
vorherige Analyse des Unternehmens
voraus. Der gesamte Betrieb muss auf
seine Stärken und Schwächen, Chancen
und Risiken eingehend durchleuchtet wer-
den. Dieser Vorgang umfasst sowohl die
Produkte, den Markt, die Kunden- und
Lieferantenstruktur, die Organisation,
das Management sowie die Beurteilung
bisher getroffener Notfall- und Nachfol-
geregelungen und auch die Analyse der
Unternehmenszahlen. Was im Zuge des-
sen außerdem niemals fehlen darf, ist eine
Kapitaldienstfähigkeitsberechnung, die
zeigt, ob der anvisierte Wert oder Kauf-
preis bei einer angenommenen Finanzie-
rungsstruktur überhaupt finanzierbar ist.
Welche strittigen Punkte treten dabei
erfahrungsgemäß auf?
Viele Nachfolgen scheitern, weil Ver-
käufer und Käufer extrem unterschied-
liche Vorstellungen über den Kaufpreis
haben. Dem Deutschen Industrie- und
Handelskammertag zufolge sind bei ei-
nem Drittel aller Fälle die Preisvorstellun-
gen der Verkäufer einfach zu hoch. Wie
gesagt, es gibt kein einheitliches Verfah-
ren, um den Wert eines Unternehmens zu
ermitteln. Je nach Branche, Größe oder
Unternehmensform bieten sich andere
Methoden an. Dabei gilt: Der ermittelte
Wert ist immer nur eine Orientierungs-
größe. Den tatsächlichen Kaufpreis regeln
dann Angebot und Nachfrage. Zuneh-
mend haben sich in der Praxis die Ermitt-
lung der nachhaltig erzielbaren Erträge
nach dem Ertragswertverfahren sowie
die Berechnung der realisierbaren Cash-
Flows nach der Discounted Cash-Flow
Methode (DCF) durchgesetzt. Problema-
tisch – und durchaus strittig – bei diesem
Verfahren ist allerdings die Prognose des
zukünftigen Erfolgs. Auch der Kapitali-
sierungszinsfuß lässt sich nicht objektiv
berechnen. Betriebsspezifische Risiko-
faktoren und die Inhaberabhängigkeit, die
auch nach dem Verkauf noch eine gewisse
Zeit nachwirkt, müssen berücksichtigt
werden.
Gibt es weitere diesbezügliche Risiko
faktoren?
Erfahrungsgemäß kommen die aus den
Bereichen Produkt- und Leistungsange-
bot, Markt und Branche, Beziehungen,
Mitarbeiter und Organisation. Eine Rolle
spielt beispielsweise die höhere Abhän-
gigkeit vom Management im Vergleich
zu börsennotierten Unternehmen. Ein
weiterer Aspekt ist die geringere Markt-
macht mittelständischer Unternehmen
in der Branche. Je niedriger die Risiken
anzusetzen sind, desto niedriger fällt der
eben genannte Zins aus und desto höher
ist der Wert des Unternehmens. Nicht
selten sind Verkäufer jedoch auch bereit,
für den richtigen Nachfolger oder die rich-
tige Nachfolgerin einen Abschlag auf den
Kaufpreis hinzunehmen, um den Verkauf
in ihrem Sinne oder überhaupt zu realisie-
ren. Dieser emotionale Discount wird un-
ter anderem durch die persönliche Nähe
zum potenziellen Übernehmer beeinflusst,
aber auch durch den Wunsch des Überge-
bers, den Mitarbeitern des Betriebes den
Arbeitsplatz zu sichern oder den Namen
des Unternehmens zu erhalten.
Welche Faktoren müssen abschließend
genauer betrachtet werden, um den
Unternehmensverkauf von Seiten der
Abwicklung wasserdicht zu machen?
Bevor es zum Vertragsabschluss
kommt, sind es diese Fragen, über die Klar-
heit herrschen muss: Wurden Zahlungsal-
ternativen vereinbart? Welche
Regelungen gelten im Fall ei-
ner verzögerten Kaufpreiszah-
lung und beim Rücktritt vom
Vertrag? Wurde der zeitliche
Ablauf festgelegt? Ist die Er-
ledigung laufender Aufträge
geklärt? Welche besonderen
Verpflichtungen gibt es für
den Käufer hinsichtlich des
Firmennamens, des Standor-
tes und der Mitarbeiter? Ist
eine Auflistung übergebener
Unterlagen sowie die Zusi-
cherung ihrer Ordnungsmä-
ßigkeit erfolgt? Gibt es ein
Wettbewerbsverbot für den Alt-Inhaber
oder Festlegungen zu einer eventuellen
Beratertätigkeit? Genau wie bei einer
Nachfolgeregelung innerhalb der Familie
sollte der scheidende Unternehmer dem
neuen Inhaber persönlich den Einstieg
erleichtern. In diesem Zusammenhang
sollten beide auch bedenken: Sowohl die
Belegschaft als auch wichtige Kunden
und Lieferanten schätzen es gar nicht,
wenn sie aus der Presse vom Verkauf des
Unternehmens erfahren.
n
Interview: Hartmut Volk
„Viele Nachfolgen scheitern,
weil Verkäufer und Käufer
extrem unterschiedliche
Vorstellungen über den
Kaufpreis haben.“




