Auch an Misserfolgen kann man wach
sen. Unsere Schwimmer, bei denen wir
uns freuen, wenn sie wieder vollzählig
den Beckenrand erreichen, haben immer
nichtssagende aber tröstende Erklärungen
zur Hand. So kommt man leichter drüber
hinweg, wenn der Kunde sagt, er müsse
nochmal eine Nacht über den Preis für die
individuelle Gleitsichtbrille schlafen.
Ganz wichtig ist es, das Team mitzuneh
men. Wenn Vettel als erster die Linie
quert, dann brüllt er ein paarmal „Yes“ um
dann – am besten auf italienisch – den Er
folg seinen Schraubern zu widmen, damit
die wieder fröhlich die Nacht durcharbei
ten, wenn er seinen Boliden beim nächsten
Rennen mal versehentlich verstümmelt.
Also muss auf jeden Verkaufsabschluss
eine Teamsitzung mit Bier und Brötchen
folgen. Zeit dafür ist ja.
Besser noch, als ich neulich einen schwie
rigen Kunden wundberaten hatte, und
er endlich die erlösenden Worte sprach:
„Dann machen wir das so, wie Sie vor
schlagen“, da bin ich raus auf die Straße
gerannt, auf Knien auf das Halteverbots
schild zu gerutscht, den weißen Kittel
über den Kopf gestülpt, damit jeder mein
großes Brillentattoo auf der Brust sehen
konnte, mein ganzes Team hinterher, mich
herzend, drückend und zu Boden werfend,
während die umstehenden Einzelhändler
skandierten: „Wir haben ein neues Ergeb
nis – der Oppicker – Eins – Onlinebrillen –
Nuuuull – Danke! – Bitte!“. Geht doch!
Seitdem seh ich das nicht mehr so eng.
Der Oppicker
AUFGEPICKT
DOZ
09 | 2017
108
IMPRESSUM
72. Jahrgang
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HRB:
331681
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Fachzeitschrift mit geprüfter Auflagenzahl
II. Quartal 2017
Druckauflage:
8.020 Exemplare
Verbreitete Auflage: 6.995 Exemplare
Abonnierte Auflage: 4.209 Exemplare
Total fokussiert
Neulich hab ich den Straßenarbeiter vor
der Tür beneidet. Der kam morgens mit
seiner Schaufel, und als er Feierabend
hatte, blickte er zufrieden auf einen großen
Haufen zurück. Maurer stell ich mir auch
gut vor. In der Früh eine Palette Steine,
abends eine schöne Mauer. Oder Akkord
arbeiter, da sieht man sein Wirken unmit
telbar auf dem Lohnzettel. Oder Sessel
pupser, da merkt man jedes Mal, dass man
noch lebt, wenn man Papier im Drucker
nachlegen muss. Na ja, es gibt auch Jobs
in denen man am Fitnessarmband ablesen
muss, wie viele Meetings es denn waren.
Aber in manchem AugenoptikLaden ge
schieht gar nix, da sieht es abends ge
nauso aus wie morgens, der Automat
trocken, die Kasse leicht eingestaubt.
Seit Jahren sinken die Stückzahlen in den
Einzelgeschäften. Manch einer macht nur
noch halb so viele Brillen wie zu Friedens
zeiten. Das schlägt auf die Stimmung, da
ist es schwer, die Motivation hochzuhalten.
Umso wichtiger ist es, jeden Erfolg zu fei
ern. Wir sollten uns ein Beispiel am Sport
nehmen. Es wäre vielleicht übertrieben,
wenn sich der obige Maurer nach jedem
gerade gesetzten Stein das TShirt vom
Leibe risse. Aber nach jeder Reihe kurz die
Faust ballen und „Komm jetzt!“ murmeln,
wie die Menschen, die einsam eine Karre
durch die Natur zerren und weitgehend
unkontrolliert auf ein Bällchen einschla
gen, dass hilft. So verkauft man vielleicht
auch mal ein Etui.
istockphoto.com/ RainerPlendl




