KI und Telemedizin spielen in der Augenoptik eine immer wichtigere Rolle Screening beim Optiker statt Warten beim Augenarzt

Screening

Der Bedarf an Augen-Check-ups in der alternden Gesellschaft steigt – ebenso wie die Möglichkeit für Augenoptiker und Optometristen, durch zusätzliche Screenings zur Früherkennung von Augenkrankheiten einen Beitrag zur Gesundheitsvorsorge zu leisten.

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Erstveröffentlichung in der DOZ 10|2025

„Ich sehe plötzlich schwarze Punkte.“ – Bei dieser Aussage sollten bei jeder Augenoptikerin und jedem Augenoptiker die Alarmglocken läuten. Klarer Fall: Die betroffene Person sollte schnellstmöglich einen Augenarzt aufsuchen. Doch was ist mit all den Kundinnen und Kunden, bei denen auf den ersten Blick alles in Ordnung scheint? Gerade bei familiärer Vorbelastung oder ab einem bestimmten Alter ist ein regelmäßiges Augenscreening entscheidend, um ernsthafte Erkrankungen wie altersbedingte Makuladegeneration (AMD), Glaukom oder diabetische Retinopathie, die anfangs meist symptomlos verlaufen, frühzeitig zu erkennen. Denn nur bei rechtzeitiger Diagnose können diese abgeschwächt, verzögert oder sogar verhindert werden. Die Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft (DOG) und der Berufsverband der Augenärzte Deutschlands (BVA) empfehlen Menschen daher ab dem 40. Lebensjahr regelmäßige Augen-Check-ups.

Der Vorsorgebedarf für Augenscreenings ist hoch. Gleichzeitig verschlechtert sich die Versorgungslage in der Augenheilkunde zunehmend – besonders in ländlichen Regionen: Lange Wartezeiten, wenige verfügbare Termine, der demografische Wandel und der Fachkräftemangel bei Augenärzten führen dazu, dass viele Menschen überhaupt keinen Zugang zu regelmäßiger Vorsorge haben. Etliche Augenoptikerinnen und Optometristen reagieren auf diese Entwicklung und führen zusätzliche Augenscreenings durch. Bereits bei der Branchenstrukturerhebung des Zentralverbands Deutscher Augenoptiker und Optometristen (ZVA) im Jahr 2022 gaben 53 Prozent der Inhabenden an, Optometrie aktiv in ihrem Betrieb umsetzen. Auch viele Filialisten haben die Bedeutung der Augengesundheitsvorsorge erkannt und engagieren sich zunehmend in diesem Bereich. Alle übernehmen damit eine wichtige Rolle in der Prävention von Augenerkrankungen – mit positiven Folgen für alle Beteiligten. Für ihre Kundinnen schaffen Augenoptiker mit zusätzlichen Screenings echten Mehrwert durch ein leicht zugängliches Vorsorgeangebot. Denn der Augenoptiker ist für viele ohnehin die erste Anlaufstelle rund um das gute Sehen. Während Arztbesuche oft als kurz und distanziert empfunden werden, ermöglichen augenoptische Fachgeschäfte ausführliche Beratung und persönlichen Austausch. Die Augenärzte werden entlastet, die Augenoptiker können ihre Fachexpertise ausbauen und Kundinnen nicht nur bei der Brillenberatung, sondern auch bei der Gesundheitsvorsorge helfen, indem sie bislang unerkannte, symptomfreie Erkrankungen frühzeitig entdecken und gegebenenfalls rechtzeitig an eine ärztliche Praxis schicken. Allerdings muss auch die Expertise für das Screening-Angebot vorhanden sein. Die Mitarbeitenden müssen über entsprechende Fachkenntnisse verfügen oder diese in zusätzlichen Schulungen erwerben. Zudem müssen die entsprechenden Geräte für das Screening gekauft werden (Tipps zur Umsetzung von Screenings im augenoptischen Alltag vgl. Artikel von Carolin Truckenbrod in der DOZ 05|25).

KI erkennt Merkmale und Muster

Ein Screening anzubieten, bringt aber auch ein paar Herausforderungen mit sich. Beim Netzhautscreening kommt es häufig zu Unsicherheiten in der Beurteilung, insbesondere wenn es um die Einschätzung der Frage geht, ob die Papille der Norm entspricht oder um das Erkennen feiner Veränderungen im Netzhautbild. Gleichzeitig möchte man als Augenoptiker die Kunden auch nicht unnötig zum Arzt schicken und sie mit einem Fehlalarm verunsichern. Um in solchen Situationen eine zusätzliche Einschätzung zu erhalten, stehen mittlerweile technische Lösungen diverser Hersteller zur Verfügung. Diese nutzen entweder Künstliche Intelligenz (KI) oder setzen auf telemedizinische Konzepte. KI-gestützte Systeme zur Analyse von Fundusbildern erkennen Merkmale und Muster in den Bildern, die auf potenzielle Erkrankungen hindeuten, und sind so in der Lage, frühe Anzeichen bestimmter Erkrankungen automatisch zu erkennen. Häufig werden die Befunde dabei nach Schweregrad eingeordnet und in anschaulichen, patientenfreundlichen Grafiken dargestellt. Derzeit zugelassene KI-Anwendungen konzentrieren sich jedoch in der Regel auf nur drei Krankheitsbilder: die AMD, das Glaukom und die diabetische Retinopathie. Andere potenziell schwerwiegende Veränderungen – wie Netzhautablösungen oder Tumore – werden von der KI meist nicht erkannt, da sie außerhalb des definierten Analyse-Spektrums dieser Systeme liegen. Manche Anbieter werben damit, dass ihre KI-Ergebnisse noch einmal von einem Augenarzt überprüft werden. Das bedeutet, dass ein Arzt die automatischen Auswertungen der Software anschaut und prüft, ob sie sinnvoll erscheinen. Falls nötig, kann er sie korrigieren. 

Telemedizin setzt auf Zusammenarbeit

Bei den Modellen, die auf Telemedizin setzen, werden Netzhautaufnahmen direkt im Geschäft erstellt. Eine zusätzliche Absicherung erfolgt innerhalb eines bestimmten Zeitraums entweder durch einen Augenarzt oder – bei unklaren Befunden der KI – durch einen sogenannten Back-up-Augenarzt. Dieses Prinzip wird schon seit vielen Jahren vor allem in den skandinavischen Ländern erfolgreich praktiziert. Es setzt darauf, dass durch die Zusammenarbeit von Augenoptikern und Patienten eine wirkungsvolle Prävention für die Kundinnen möglich ist. Trotz der zahlreichen neuen Möglichkeiten, die Augenoptikern das Screening erleichtern, sollte nicht außer Acht gelassen werden: Das Screening ersetzt keine Diagnostik und macht den Besuch beim Facharzt nicht überflüssig. Oft bietet es aber eine gute Orientierung, ob weiterführende Untersuchungen notwendig sind. Auch wenn es mit einem Zusatzaufwand verbunden ist, können Augenoptiker und Optometristinnen bei ihren Kunden mit der erweiterten Expertise im Bereich Gesundheit punkten, somit die Kundenbindung erhöhen und damit gleichzeitig noch selbst zur Verbesserung der Augengesundheitsvorsorge beitragen.

Geschrieben von

Katharina Jansen

Katharina Jansen

Katharina Jansen erzählt am liebsten von Menschen – direkt, lebendig, mitten aus dem Leben. Bei der DOZ bringt sie Porträts und Reportagen zum Blühen, mit Gespür fürs Detail und einem Blick für das Unerwartete.

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