„ … weil uns das Wohl der Kinder am Herzen liegt“ Myopie-Management im Realitätscheck
28.11.2025
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Regelmäßige Kontrollen beim Augenoptiker und individuell angepasste Brillengläser gehören zum modernen Myopie-Management dazu. Einige Umfrage-Stimmen wünschen sich, dass das Thema bereits bei Kinderärztinnen und Ophthalmologen angesprochen wird.
Erstveröffentlichung in der DOZ 12/2025.
Myopie-Management war eines der Schwerpunktthemen der ersten Opti nach Corona im Jahr 2022. Seither kommt keine Augenoptikerin, die regelmäßig auf Branchenveranstaltungen unterwegs ist, am Kampf gegen die Kurzsichtigkeit vorbei. Unterstützt von Forschung und Industrie, die das Thema mit Studien und Produkten auf Kongressen vorstellten und in die Geschäfte brachten, entwickelte sich ein an Bedeutung und Vielfalt zunehmendes Angebot – vor allem bei Brillengläsern und Kontaktlinsen. Da es bislang keine statistischen Erhebungen dazu gibt, wie viele Betriebe aktiv Myopie-Management betreiben und wie diese die wirtschaftliche Bedeutung einschätzen, kann auch unsere Umfrage nur als grobes Stimmungsbild dienen: Sie offenbart Hinweise auf eine Tendenz unter den Teilnehmenden, beansprucht aber keine Evidenz.
Der deutliche Großteil (64) der teilnehmenden Betriebe ist inhabergeführt. Filialisten waren lediglich neun vertreten, außerdem nahm ein Franchise-Unternehmen an der Umfrage teil. Die Mehrheit aller Firmen arbeitet in kleinen Teams: 38 gaben an, zwischen ein und fünf Mitarbeitende zu haben, 21 beschäftigen bis zu zehn Personen. Knapp ein Drittel der Betriebe ist städtisch gelegen, 23 befinden sich stadtnah und 21 im ländlichen Raum. Vom Umsatzvolumen her bewegen sich die meisten im mittleren Preissegment: 24 Geschäfte gaben einen Jahresumsatz von bis zu 500.000 Euro an, 16 Betriebe bis zu 750.000 Euro und 22 Unternehmen bezifferten ihren Jahresumsatz mit mehr als 750.000 Euro.
Für 54 Prozent ist Myopie-Management nicht umsatzrelevant
Wenig überraschend: Kinder und Jugendliche stellen für viele Fachgeschäfte eine zentrale Kundengruppe dar. 55 der Befragten bewerten sie als „wichtig“ oder „sehr wichtig“. Bei den städtischen Betrieben gaben 63 an, Myopie-Management aktiv anzubieten – 25 davon bereits seit über fünf Jahren, 30 seit bis zu fünf Jahren. Nur vier Firmen verzichten ganz auf entsprechende Angebote. Bei den ländlichen Geschäften wenden 18 (von 21) Myopie-Management an, 16 seit mehr als fünf Jahren. Hochpreisige Betriebe und solche mit größerem Umsatz haben es überdurchschnittlich häufig implementiert. 54 Prozent gaben zwar an, keinen Einfluss auf ihren Jahresumsatz zu spüren (Grafiken 1 + 2), dem entgegen stehen etwas weniger als die Hälfte der Teilnehmer, die einen „eher positiven“ bis „stark positiven“ Effekt von Myopie-Management auf ihren Jahresumsatz feststellen. Bei Letzteren hatte auch die Kundengruppe der Kinder und Jugendlichen durchweg größere Relevanz. Bei der Umsetzung setzen 37 Betriebe auf spezialisierte Expertinnen und Experten, 31 schulen ihr gesamtes Team. Die neun Filialisten arbeiten fast durchweg mit spezialisierten Kräften, während die in-habergeführten Geschäfte häufiger das gesamte Team schulen. Auffällig ist auch, dass die Hälfte der Unternehmen regelmäßig an Schulungen teilnimmt oder sich zu Myopie-Management-Produkten informiert; ein Drittel hält das Angebot für ausbaufähig.
Der überwiegende Teil nutzt Myopie-Brillengläser
Bei den eingesetzten Methoden dominieren Myopie-Brillengläser (70 Nennungen) und Kontaktlinsen (50 Nennungen) (Grafiken 3 + 4). 32 Betriebe nutzen Orthokeratologie, meist in Kombination mit Brillengläsern oder Kontaktlinsen, und zwölf bieten zusätzlich eine Atropin-Therapie in Kooperation mit Augenärzten an. Nur vier Unternehmen setzen alle vier Methoden parallel ein; die Mehrheit konzentriert sich auf Kombinationen aus Brillengläsern und Kontaktlinsen. Die Dominanz der Brillengläser ist wenig überraschend, schließlich ermöglichen diese den niederschwelligsten Einstieg ins Thema – und haben es überhaupt erst zum Trendthema in den vergangenen Jahren gemacht.
Dies unterstreicht auch ein Blick auf die aktiven Ortho-K- Anwender: Ortho-K als Therapieform wird zwar nur von 24 Prozent der Betriebe angeboten (Grafik 5), von diesen arbeiten allerdings bereits über die Hälfte seit mehr als fünf Jahren mit Myopie-Management. Heißt: Wer früh ins Myopie-Management eingestiegen ist, nutzt anscheinend oft auch eine größere Bandbreite der zur Verfügung stehenden Optionen.
Die Umfrage zeigt außerdem, dass Myopie-Management als wichtig, aber auch als kontrovers wahrgenommen wird. Der Großteil der Teilnehmer (88 Prozent) hält Myopie-Management für „eher sinnvoll“ bis „sehr sinnvoll“. Mehr als die Hälfte der Befragten geht davon aus, dass die Nachfrage in den nächsten fünf bis zehn Jahren steigen wird (Grafik 6). Zahlreiche Betriebe fordern jedoch mehr öffentliche Aufklärung und eine stärkere Beteiligung der Krankenkassen. „Myopie-Management sollte nicht aus Marketinggründen angeboten werden, sondern weil uns das Wohl der Kinder am Herzen liegt“, schreibt eine Teilnehmerin. Eine andere ergänzt: „Solange sich Krankenkassen nicht beteiligen, bleibt die Versorgung für viele Familien zu teuer.“ Neben Zustimmung gibt es auch kritische Stimmen: „Der Hype ist übertrieben. Wir brauchen mehr wissenschaftliche Klarheit, bevor das Thema weiter aufgeblasen wird.“ Andere plädieren für Pragmatismus: „Es wird zu viel darüber geredet und gefachsimpelt – einfach machen!“
„Messung der Augenlänge zur Routine machen“
Einige betonen, dass der langfristige Nutzen eher in Kundenbindung und Imagebildung liegt als im kurzfristigen Ertrag. Mehrere Kommentare verweisen zudem auf fehlende Information, mangelnde Kooperation und die Notwendigkeit klarer Standards. Gefordert werden einheitliche Leitlinien, transparente Kommunikation mit Eltern sowie eine stärkere Integration des Themas in die Medien. „Augenärzte sollten die Messung der Augenlänge bei Kindern zur Routine machen“, heißt es mehrfach. Andere fordern, dass Myopie-Management „nicht zur Frage des Geldbeutels werden darf“.