Mitarbeiter hatten Mitspracherecht Fielmann hat seine neue Zentrale in Hamburg-Barmbek bezogen
08.10.2025
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(Links) Hereinspaziert: CEO Marc Fielmann (r.) begrüßte zusammen mit Katja Groß, Vorstand Personal und IT, die Mitarbeitenden in der neuen Firmenzentrale.
Erstveröffentlichung in der DOZ 10/2025.
Die Evolution der Brille beginnt bei Kaiser Nero und gipfelt bei Fielmann – diese Botschaft nehmen Besucher gleich mit, wenn sie die neue Firmenzentrale des Branchenprimus in der Fuhlsbüttler Straße 399 betreten. Wer am eleganten Empfangstresen die Treppe in die erste Etage nimmt, steigt gemeinsam mit der Entwicklung auf. Stufe um Stufe veranschaulichen kreisrunde Schautafeln mit erklärenden Worten (auch auf Englisch) die Geschichte der Sehhilfe, beginnend beim römischen Herrscher, der Smaragde benutzt haben soll, um seine Augen bei Gladiatorenkämpfen vor dem Sonnenlicht zu schützen. Über Lesestein, Nietbrille, Bügelbrille, Franklin-Bifokalbrille und Kassenbrille endet die Reise schließlich – im Fielmann-Verständnis – bei der Brille zum Nulltarif bzw. den heutigen vielfältigen Fielmann-Kollektionen. Die Botschaft: Fielmanns bedeutender Anteil an der Brille als schicker Hingucker für alle.
Einige der aktuellen Hingucker warten in Form einer virtuellen Brillenanprobe direkt am Treppenaufgang – das erste interaktive Highlight. Ein Schritt durch die nächste Tür – und die Fielmann-Experience nimmt die Besucher mit auf eine multimediale Reise durch das Fielmann-Universum. Inmitten all der technischen Features sticht ein kleiner Kabinenroller sofort ins Auge. Es ist die BMW Isetta, mit der Günther Fielmann in den 1980er Jahren persönlich zu den Neueröffnungen gefahren ist. Wichtiges Detail ist ein alter Aufkleber am Seitenfenster aus einer der ersten Werbekampagnen: ein kleiner Junge mit Topfhaarschnitt, freundlich winkend, mit silberner Rundbrille auf der Nase und dazu der wegweisende Slogan „… und mein Papi hat nicht einen Pfennig dazu bezahlt.“
Gleich neben dem Oldtimer geht es noch ein paar Jahre weiter zurück. In einem Wandregal liegen originalgetreue Nachbauten aller Varianten der ersten Kassenbrille bereit, von der es nur sechs Fassungen für Erwachsene und zwei für Kinder gab. Aufsetzen, anprobieren, im Spiegel betrachten ist hier ausdrücklich erlaubt – gepaart mit dem Verständnis dafür, warum die kostenlose Sehhilfe damals eher ein Stigma war und qualitativ minderwertig obendrein. Daneben wird Günther Fielmann zitiert: „Wer sich keine teure Markenbrille leisten konnte, trug mit der Kassenbrille den Nachweis seines niedrigen Einkommens per Sozialprothese auf der Nase.“ Der Beginn einer unternehmerischen Zeitreise, von der Entwicklung ab 1972 mit dem ersten Geschäft „Optic im Centrum“ in Cuxhaven bis zum heutigen Aktienkonzern inklusive der Eckpfeiler der erst kürzlich präsentierten „Vision 2035“ (siehe auch DOZ 08/25).
Mit dieser BMW-Isetta fuhr Günther Fielmann in den 1980er Jahren zu den Neueröffnungen. Jetzt steht das Rollermobil in der „Fielmann Experience“ im neuen Hauptquartier.
Die Besucher tauchen interaktiv ein in die Geschichte des Gründers Günther Fielmann, erfahren, dass er eigentlich Kunstmaler statt Augenoptiker werden wollte, erleben Wissenswertes über den Aufbau der Akademie und von der Passion für seine Kärntner Brillenschafe. Eine Simulation lässt Dioptrienzahl und verschiedene Augenkrankheiten erlebbar werden, eine andere einen Hörverlust.
In großen Lettern werden auch die seit Jahresbeginn bei Fielmann verkauften Brillen präsentiert. Mehr als 6,6 Millionen sind es am Tag der Führung durch die Räumlichkeiten. Zum Abschied erhalten alle Besucher der „Fielmann-Experience“ noch ein besonderes Geschenk: Eine Irisfotografie, die sich per QR-Code direkt aufs Smartphone laden lässt.
Mehr als 6,6 Millionen Brillen hat Fielmann in 2025 bereits verkauft. Über den aktuellen Stand informiert dieser Zähler.
Mitarbeiter einbezogen, Wünsche umgesetzt
Mittelfristig soll die 180 Quadratmeter große Ausstellung auch für interessierte Besucherinnen im Rahmen von Führungen zugänglich sein. Zunächst aber ist sie den Beschäftigten von Fielmann, Gästen des Hauses und potenziellen Anwärtern auf eine Ausbildung oder einen Arbeitsplatz – der für Vorstellungsgespräche vorgesehene Raum befindet sich direkt daneben – vorbehalten. „Bewerberinnen und Bewerber erhalten hier schon einmal einen Eindruck, was Fielmann als Arbeitgeber und die Augenoptik allgemein ausmacht“, erklärt Katja Groß, Vorstand Personal und IT, und ergänzt: „Das ist schon etwas anderes als die vereinzelten Brillen-Vitrinen in unserer vorherigen Zentrale.“ Zwischen alter und neuer Zentrale liegen zwar nur vier Kilometer – aber nicht nur im Erscheinungsbild Welten. Zwar blieb man dem Hamburger Stadtteil Barmbek treu, band aber bei der Wahl des neuen Standorts die Mitarbeitenden via Umfrage ein. Zentrale Anforderungen waren ein besseres gastronomisches Angebot für die Pausen sowie eine bessere Anbindung an den ÖPNV. Zwei Kernpunkte, die auf der Fuhlsbüttler Straße nun erfüllt sind.
Als klares Bekenntnis zur Hansestadt bezeichnet Fielmann den neuen Firmensitz. Das zeigt sich auch visuell: Viele neu eingerichtete Arbeitsplätze eröffnen den Blick auf benachbarte Bauwerke wie das Planetarium – und von ganz oben im Coworking-Space sogar bis zum Hafen, zur Elbphilharmonie und zum Kirchturm des „Michel“. Die Farben der Umgebung wiederum spiegeln sich in den Räumlichkeiten wider: Terrakotta-Töne harmonieren mit rot-braunem Backstein, dem Grün der Bäume (nebenan befindet sich der Stadtpark) und dem Blau des Himmels.
Über eine Brücke sind die beiden Gebäudeteile miteinander verbunden. Durch die große Brille ist auch von außen sichtbar, wofür drinnen das Herz schlägt.
Kreative Arbeitsbereiche im Desksharing-Prinzip
Die insgesamt 15.000 Quadratmeter Bürofläche (zum Vergleich: in der alten Firmenzentrale war sie mit 33.000 Quadratmetern mehr als doppelt so groß) verteilen sich auf einen Nord- und Südflügel mit vier und sechs Etagen. Beide Gebäudeteile verbindet eine gläserne Brücke mit einer riesigen Brille. Am 1. September gaben Marc Fielmann und Personalvorständin Katja Groß den Startschuss und die Fielmann-Teams zogen, verteilt auf drei Tage und inklusive großem Willkommensprogramm, in Etappen ein. Für die Beschäftigten war dies gleichbedeutend mit dem Start in eine neue Arbeitswelt nach dem Desksharing-Prinzip, die in einer 22 Monate währenden Planungs- und Umbauphase entstanden ist. Dem Grundsatz des Aktivitäten-basierten Arbeitens folgend, suchen sich alle, die an einem Tag in Präsenz im Büro arbeiten (vereinbart sind dafür insgesamt 40 Prozent der Arbeitszeit), auf Grundlage ihrer Aufgaben und anstehenden Tätigkeiten den optimalen Arbeitsort. Das kann beispielsweise ein klassisch gestalteter Schreibtisch in der Homezone sein – große Büros mit schallisolierenden Elementen, etwa einer Telefonbox für ungestörte Gespräche. Wer lieber komplett für sich sein möchte, setzt sich in ein „Office for a Day“. Für kreative Aufgaben und Austausch gibt es insgesamt 33 Thinktanks, für Workshops insgesamt 14 Projekträume. Die höhenverstellbaren Tische in den Homezones sind einheitlich gestaltet, über den Bürostuhl durften die Beschäftigten nach einem Probesitzen abstimmen – der Favorit steht nun überall bereit. In den anderen Büroräumen ist das Mobiliar so gestaltet, dass unterschiedliche Sitz- oder Arbeitshaltungen eingenommen werden können.
Ganz oben im Südflügel wurde ein Ort geschaffen, der besonders inspirierendes, funktionsübergreifendes Zusammenarbeiten ermöglichen und als Kreativzone dienen soll: Der Co-Working-Space setzt mit Elementen wie dem „Tree-Table“ – einem Tisch, aus dem echte Bäume wachsen – oder einem Fahrrad an der Wand Akzente, wie man sie aus Start-ups kennt: Symbole für Dynamik, Aufbruch und Tempo. Für Begegnungen und gemeinsame Pausen gibt es in mehreren Etagen außerdem die sogenannten Joint Spaces. Das Herz der Firmenzentrale bildet das „Social Heart“ – ein Bereich mit komplett ausgestatteter Küche und Soundsystem für gemeinsame Aktivitäten, Treffen, Essen und Gespräche. Wer mal einen Moment der Ruhe benötigt, kann dafür den „Raum der Stille“ mit bereitgestellten Yogamatten nutzen. Und falls sich keine Betreuung für den Nachwuchs findet, gibt es auch ein Eltern-Kind-Büro.
Im Showroom sind alle Eigenkollektionen ausgestellt. Derzeit sind dies etwa 750 Modelle.
Das Prinzip: First come, first served
Insgesamt 600 Standardarbeitsplätze stehen im neuen Gebäude zur Verfügung – und damit nur noch halb so viele wie es Mitarbeitende gibt. Desksharing macht es möglich, Flächen effizient zu nutzen, denn in Zeiten hybriden Arbeitens verbringen viele Beschäftigte ohnehin einen Teil ihrer Zeit im Homeoffice. In der neuen Fielmann-Zentrale sind die meisten Arbeitsplätze, auch die Einzelbüros, außerdem nicht buchbar. Sie werden nach dem Prinzip „First come, first served“ genutzt. Könnte es da nicht einen morgendlichen Run auf die vermeintlich besten Plätze geben? Personalerin Katja Groß winkt ab. „Wir haben uns bewusst gegen ein Buchungssystem entschieden, weil Erfahrungen anderer Firmen zeigen, dass gerade dies die Mitarbeitenden unter Stress setzt.“ Einige Desksharing-Regeln gilt es dennoch zu beachten: Nicht genutzte Arbeitsplätze müssen freigegeben werden, zudem muss nach Arbeitsende der Platz sauber und ordentlich verlassen werden. Für persönliche Dinge stehen Spinde auf jeder Etage bereit.
Schallisolierende Elemente sorgen in den neuen Büros dafür, dass möglichst ungestörtes Arbeiten möglich ist. Wer ganz ungestört einen Anruf erledigen will, nutzt eine der Telefonboxen.
Bei der Gestaltung aller Räume wurde darauf geachtet, dass alle Mitarbeitenden optimale Bedingungen haben, auch beim Arbeitsschutz. In den Homezones, in denen Schreibtische nebeneinander stehen, sorgen Raumtrenner für Sicht- und Geräuschschutz. „Wir haben sehr viel in die Akustik investiert, um die Nachhallzeiten und den Geräuschpegel gering zu halten“, sagt Fielmann-Projektleiter Philipp Poppe. „So sollte die Sprachverständlichkeit für die Mitarbeitenden in allen Bereichen herausragend sein.“ Dies wurde unter anderem durch verschiedene Elemente an den Raumdecken erreicht, so etwa Deckensegel, Lochdecken oder Filzbaffeln. Letztere wurden zugleich gestalterisch eingesetzt und formen beispielsweise die Kronen von stilisierten Bäumen im „Social Heart“. Insgesamt investierte Fielmann im zweistelligen Millionenbereich in die neue Zentrale.
Überall im Gebäude finden sich Symbole mit engem Bezug zur Augenoptik: Im Joint Space hängt eine wie ein Auge geformte Uhr, auf einigen Flurtüren sind Buchstaben oder Landolt-Ringe foliert. Und die Glaswände mancher Räume leuchten in Spektralfarben, erzeugt durch eine spezielle Chromatfolierung.
Bei der Wahl des neuen Standorts wurden die Mitarbeitenden einbezogen. Wichtige Punkte waren das gastronomisch Ange-bot und die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr.
Kollektionsräume mit Fotostudio
Im Flur des dritten Stocks im Nordflügel hängen technische Zeichnungen verschiedener Brillenmodelle und ebnen den Weg zum Showroom, in dem die kompletten Eigenkollektionen ausgestellt sind. In Zahlen ausgedrückt sind das derzeit ungefähr 750 Modelle, mit den verschiedenen Farbausführungen macht das rund 3.500 Artikel. „Wir stehen jetzt kurz vor unserem Kollektionswechsel Herbst/Winter 2025, deswegen ist es jetzt gerade ein bisschen dünner“, erklärt ein Mitglied des Design-Teams fast schon entschuldigend. Direkt neben dem Showroom wurde ein eigenes Fotostudio eingerichtet, in dem neue Fassungen direkt abgelichtet und perfekt inszeniert werden können.
Augenpaare von 130 Mitarbeitenden sind auf den Fluren zu finden, die Türen sind mit typischen augenoptischen Symbolen foliert.
Zwei Stockwerke tiefer verschönern die (Brillen-)Augenpaare von 130 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern den Gang – mittendrin auch die von CEO Marc Fielmann. Seinem Vater wurde hingegen im Konferenzbereich ein (weiteres) Denkmal gesetzt. In der Wartezone vor den insgesamt sieben Konferenzräumen (jeder trägt den Namen einer Brillenform wie Butterfly oder Panto) ist das berühmte Motiv vom Firmengründer mit der überdimensionalen Brille als großformatiges Wandbild verewigt. Und so ist die neue Firmenzentrale nicht nur ein großer Schritt Richtung Zukunft, sondern auch eine Hommage an den Mann, der die deutsche Brillenlandschaft in Deutschland geprägt hat wie kaum ein anderer.
Hommage an den Firmengründer: Im Wartebereich vor den Konferenzräumen ist Günther Fielmann mit einem seiner markanten Bildmotive großflächig zu sehen.