Schulklasse mit sozialem Engagement

Eine Brille, die schmeckt und hilft: kreative Aktion für den guten Zweck

Am Anfang stand die Frage, mit welcher einfachen, aber nachhaltigen Aktion eine Schulklasse ohne Budget langfristig etwas Gutes tun kann. Inzwischen entwickelte sich aus dieser Fragestellung eine branchenübergreifende Aktion mit Beteiligten vom Augenoptiker über den Bäcker bis hin zu Deutscher Post und DHL, deren Erfolg anfangs so nicht vorhersehbar war.
Gudd-Zweck-Brillen-Kringel

Der „Gudd-Zweck-Brillen-Kringel“: Pro verkauftem Brillen-Kringel werden je fünf Cent an insgesamt drei Hilfs-Projekte gespendet. Entworfen wurde dieses Plunderstück von der Bäckerei Plentz aus Schwante.

© Brillen ohne Grenzen

Erstveröffentlicht in der DOZ 10I23

Erik Zurth ist Lehrer am GMOSZ, dem Georg- Mendheim-Oberstufen-Zentrum im Landkreis Oberhavel Oranienburg & Zehdenick, und Brillenträger. Als er mit seiner Geschichtsklasse die Folgen von Kolonialismus und Imperialismus behandelte, äußerte diese den Wunsch, Menschen zu unterstützen, die bis heute unter diesen Folgen leiden. Zurth machte sich mit seiner Klasse Gedanken, wie sie ohne jegliches Budget ein Projekt starten oder unterstützen könnten. Er berichtete dabei von seiner während Corona zerbrochenen Brille und stieß damit eine Diskussion über Auswirkungen einer unkorrigierten Sehschwäche auf Bildung und Arbeitsleben an. Schnell war die Idee geboren, Brillen zu sammeln, um Menschen in ein selbstbestimmtes und zufriedeneres Leben zu führen. Eine Maßnahme, für die es zudem keine Eigeninvestition brauchte. Da diese Brillen aber natürlich gereinigt, vermessen, geprüft und schließlich in die Projekte transportiert werden müssen, suchte man einen Partner und stieß dabei auf „Brillen ohne Grenzen“.

Brillen ohne Grenzen, mit der ausführenden Gudd- Zweck UG, kann in ihren Brillenverwertungsstellen diese Infrastruktur abbilden. Die Initiative nimmt garagenweise Altbrillen an, bereitet sie auf oder führt sie dem Recycling zu. Dabei erwies sie sich mit ihrer Drei-Säulen-Strategie als geeigneter Partner für das Vorhaben. Im Rahmen der ersten Säule „Direkt-Hilfe“ werden die angeforderten Brillenpakete an weltweite Organisationen gesendet, die die Sehhilfen an Bedürftige ausgegeben. Säule zwei steht für „Hilfe zur Selbsthilfe“. In Kooperation mit dem Entwicklungsdienst Deutscher Augenoptiker (EDA) werden in bedürftigen Ländern Brillenwerkstätten errichtet und Fachpersonal ausgebildet, um die Versorgung langfristig und fachkompetent anzulegen, dabei jedoch individuelle Brillen zu landesüblichen zahlbaren Preisen anbieten zu können. Als dritte Säule „Finanzierung mit Gudd-Zweck- Ideen“ zeigen sich die Brillen-ohne-Grenzen-Gründer Michaela und Michael Roos immer wieder kreativ, um die Projektfinanzierungen sicherzustellen.

Brillen-Benefizkonzert und Bürgermeisterwiegen

GMOZ-Lehrer Erik Zurth konnte weitere Fächer und Bildungsgänge ins Projekt integrieren. So wurden im Wirtschaftsunterricht im Bereich Marketing Werbeplakate für die Sammlung der Altbrillen entwickelt. Zurths Sozialkurs bereitete eine große Pressekonferenz mit Medienvertretenden und dem Bürgermeister vor und veranstaltete ein Brillenbenefizkonzert mit dem Konzertorchester Oranienburg. Im Sportunterricht schwärmten die Schülerinnen mit dem Fahrrad aus, um die selbstgebauten Spendenboxen aufzustellen und wieder abzuholen. Auszubildende der Deutschen Post / DHL kümmerten sich um die Logistik, sodass die gesammelten Brillen kostenlos ins Saarland zu Brillen ohne Grenzen transportiert werden konnten. Witzige Aktionen, wie etwa das Aufwiegen des Bürgermeisters gegen Spendenbrillen, ließen die Bekanntheit des Projekts wachsen. Rund 80 Unternehmer und Einrichtungen als Brillenannahmestellen im Landkreis Oberhavel und Berlin, eine davon sogar im Roten Rathaus der Hauptstadt, unterstreichen dies.

Aktionsteam Brillen ohne Grenzen

Wenn alle an einem Strang ziehen: (v.l.) Michaela Roos (Brillen ohne Grenzen), Madlen Hänsch (Bäckerei Plentz), Schülerinnen und Schüler des Georg-Mendheim-Oberstufen-Zentrum sowie Auszubildende der Deutschen Post, Erik Zurth (Lehrer am GMOSZ) und Steff en Hennes (Lux Augenoptik).

© Brillen ohne Grenzen

Einer der kooperierenden Augenoptiker zeigte besonderes Engagement: Steffen Hennes von Lux Augenoptik (Oranienburg) finanzierte die Kosten für eine Werbekampagne inklusive Plakatdruck, stellte das Material für den Bau der Werbeboxen und übernahm die Kosten für das Brillenbenefizkonzert. Überdies bekamen die Schüler von einer Lux-Mitarbeiterin, die ehrenamtlich in Kambodscha tätig ist, Informationen über einen aktiven Einsatz aus erster Hand. Hinzu kamen Kursfahrten zur Europäischen Akademie Berlin, die über die Themen Nachhaltigkeit und Entwicklungszusammenarbeit aufklärte.

Spenden an Kamerun durch Brillen-Kringel-Gebäck

Inspiriert von diesen neu gewonnen Informationen, entstand der Wunsch, selbst eine Brillenwerkstatt in einem Entwicklungsland aufzubauen. Theorie- und Praxishilfe gab es dabei von Steffen Hennes sowie vom EDA und vom Verein „Innovationen für Nachhaltige Entwicklung in Afrika“ (INEA). Die Wahl fiel letztlich auf Kamerun, um das Projekt aber finanzieren zu können, entstand eine weitere, schmackhafte Idee: der „Gudd-Zweck-Brillen-Kringel“: Entworfen wurde dieses Plunderstück von der Bäckerei Plentz aus Schwante mit sieben Filialen und rund 160 Mitarbeitenden. Pro verkauftem Brillen-Kringel werden je fünf Cent an insgesamt drei Hilfs-Projekte gespendet: die besagte Brillenwerkstatt in Kamerun als internationales Projekt, an Brillen ohne Grenzen als nationale Hilfsorganisation und an ein regionales Sozialprojekt, das von den Schülern noch in einer Umfrage ermittelt wird. Zusätzlich wurden auf Kundenwunsch ergänzende Spendenboxen in den Filialen der Bäckerei Plentz aufgestellt, via Social Media wurde zudem über weitere „Füllungswünschen“ des Brillen-Kringels, wie etwa der „Vanille-Brille“, abgestimmt.

Engagieren, helfen und genießen – ein Dreiklang, der zeigt, wie viel Potenzial in solchen Kooperationen steckt, die klein anfangen, dann aber immer größere Kreise ziehen. Weitere Informationen zum Projekt finden Sie hier.

Autorin: Claudia Büdel