AKTUELL
DOZ
09 | 2017
30
Die Jamaikanerin Violet Brown, auch Aunt V genannt, ist mit 117 Jahren der älteste
lebende Mensch auf der Welt. Die meisten von uns werden dieses Alter vermutlich
nicht erreichen, aber ja, wir werden immer älter. Damit steigt auch die Zahl der
Seniorinnen und Senioren in Deutschland und mit ihr die Zahl der altersbedingten
Sehbehinderungen: Auch unsere Augen altern mit.
Die längste Zeit seiner Geschichte wurde
der Mensch im Durchschnitt nicht älter
als 30 Jahre. Hohe Kindersterblichkeit,
Infektionskrankheiten und schwere kör-
perliche Arbeit forderten ihren Tribut.
Heute leben die Menschen zum Teil
weit mehr als 90 Jahre. Mit dem Alter
gehen körperliche Beeinträchtigungen
einher, das betrifft auch die Augen: Al-
tersbedingte Sehbehinderungen greifen
dabei ganz entscheidend in die Lebens-
qualität ein. Vermeidbaren Sehverlust
zu verhindern und die Unterstützung bei
Sehverlust zu optimieren – das sind zen-
trale Ziele des Aktionsbündnisses „Sehen
im Alter“ des Deutschen Blinden- und
Sehbehindertenverbandes (DBSV). Das
Bündnis wurde im Jahr 2014 nach der
ersten interdisziplinären Fachtagung
„Sehen im Alter“ gegründet.
Drei Jahre nach der ersten Fachtagung
trafen sich jetzt am 7. und 8. Juli in Bonn
erneut Experten aus unterschiedlichen
Bereichen wie der Augenmedizin, Au-
genoptik, Geriatrie, Pflege, Rehabilita-
tion, Selbsthilfe, Seniorenarbeit, Politik,
Verwaltung und Versorgungsforschung.
Die diesjährige Veranstaltung hatte den
Schwerpunkt „Prävention: gemeinsam
vorrausschauend handeln“.
Wie die bisherige Situation in Deutsch-
land ist, erklärte Renate Reymann, Prä-
sidentin des DBSV: „Schon beim Thema
Vorsorgeuntersuchungen gibt es in
Deutschland Defizite. Es gibt keinen ge-
regelten ,Check-up‘, wie man ihn zum
Beispiel bei bestimmten Krebserkran-
kungen kennt. Für einige Vorsorgeun-
tersuchungen beim Augenarzt muss der
Patient oder die Patientin sogar noch
selbst aufkommen, da diese nicht Teil
des Leistungskatalogs der gesetzlichen
Krankenkassen sind. Dies hält verständ-
licherweise viele Menschen, vor allem
Ältere mit kleiner Rente, davon ab, Vorsor-
geuntersuchungen wahrzunehmen. Dabei
können die meisten Augenerkrankungen
vor allem im Frühstadium gut behandelt
werden.“
Senioren-Organisationen
stärker aufklären
Reymann wies auf die Zahlen der OVIS-
Studie (Ophthalmologische Versorgungs-
forschung in Seniorenheimen) der Uni-
versität Bonn hin, die eine unzulängliche
ophthalmologische Versorgung von Se-
nioren und Seniorinnen belegt. Die DOZ
berichtete ausführlich in der Mai-Ausgabe
05 | 2017 über die Versorgungsdefizite
und Präventionsmaßnahmen in Senioren-
heimen. Momentan mangelt es an einer
flächendeckenden mobilen Versorgung.
„Senioren-Organisationen sollten sich
des Themas ‚Sehen im Alter‘ stärker an-
nehmen und flächendeckend über Vor-
sorge- und Versorgungsmöglichkeiten
aufklären“, forderte deshalb auch Franz
Müntefering, ehemaliger Vizekanzler
und Vorsitzender der Bundesarbeitsge-
meinschaft der Senioren-Organisationen
(BAGSO), auf der Pressekonferenz der
Fachtagung.
Mit einer Mischung aus Fachvorträgen,
Podiumsdiskussionen und Workshops
sowie einer moderierten Poster-Ausstel-
lung bekamen die 165 Teilnehmer einen
Überblick über das seit 2014 Erreichte.
Zudem sollten sie gemeinsam Aufgaben
und gemeinsame Handlungsoptionen für
die Zukunft entwickeln. Zu den ersten
Ergebnissen gehören unter anderem ver-
einbarte Mindeststandards für Sensibi-
lisierungs- beziehungsweise Schulungs-
angebote, die sich an das Fachpersonal
richten, und eine Checkliste für Begehun-
gen von Einrichtungen. Folgen wird eine
deutschlandweite Beratungslandkarte.
Müntefering forderte die Politik auf,
„die Barrierefreiheit konsequent umzuset-
Wenn das Auge altert
Fachtagung Sehen im Alter verabschiedet Aktionsplan 2022
Renate Reymann,
Präsidentin des Deut-
schen Blinden- und
Sehbehindertenver-
bandes, freute sich
über die zweite Aus-
richtung der Fachta-
gung, denn sie zeige,
„dass das ,Bündnis
Sehen‘ nicht nur eine
Eintagsfliege ist.“
(Foto: DBSV)




