DOZ
09 | 2017
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hatte der DOZ gegenüber vor wenigen Wochen Kompromiss
bereitschaft angedeutet: „Bei der Folgeversorgung könnte ich
mir einen Kompromiss vorstellen, sodass die erwachsenen Pa
tienten innerhalb von beispielsweise ein oder maximal zwei
Jahren auch ohne erneuten Besuch beim Augenarzt eine neue
Brille mit Krankenkassenleistung erhalten können, wenn der
Optiker keine Sehminderung oder deutliche Refraktionsänderung
feststellt“, erklärte Professor Bernd Bertram im DOZInterview
(online unter
www.dozverlag.de ). Möglicherweise eine Nebel
kerze und ohnehin nur ein schwacher Trost, auch für den ZVA.
Im für Innungsmitglieder erscheinenden ZVAReport stellt der
Geschäftsführer klar: „Der Verbraucher wird zu einer Vorsorge
untersuchung genötigt, obwohl er eigentlich nur eine neue Brille
braucht. Und wenn er sich hat untersuchen lassen, dann kann es
gut sein, dass sich seine Netzhaut ein paar Tage später dennoch
löst. Als Gegenleistung hat er dafür aber drei Monate auf einen
Arzttermin gewartet und Refraktionsdaten erhalten, die noch
einmal eines „Feinabgleichs“ durch den Augenoptiker bedürfen.“
G-BA sieht erhöhte Gefahr
Natürlich sehen das die Mediziner anders. Offensichtlich hatte
auch Professor Josef Hecken – als Leiter des GBA genießt er
den Rang eines unparteiischen Vorsitzenden – eine andere
Meinung. Es sei dahin gestellt, ob das eine überraschende Tat
sache ist, bemerkenswert ist aber ganz sicher, dass selbst die
Stimmberechtigten der Gesetzlichen Krankenkassen gegen die
in dieser Form beschlossene Richtlinie gestimmt haben. Profes
sor Heckens und die Meinung des GBA sind im DOZPortal in
den PDFs zum Beschlusstext und zu den „Tragenden
Gründen“ nachzulesen, in Kurzform könnte Heckens
Erklärung „im Sinne der Ärzte und Patientenvertre
ter“ zusammengefasst lauten: Menschen mit hohen
Fehlsichtigkeiten sind einer erhöhten Gefahr ausgesetzt, kom
plexe Augenerkrankungen zu erleiden. Außerdem sind von der
neuen Regelung nur sehr wenige Menschen betroffen. Wörtlich
heißt es in der Begründung: „Die Patientinnen und Patienten
können gerade bei den hohen Refraktionsfehlern meist nicht
differenzieren, ob ihre Sehbeschwerden durch einen schlechten
Zustand ihrer Brillengläser, eine Änderung der Refraktion (Di
optrienzahl), eine neue Augenkrankheit oder eine Zustandsän
derung bei einer bestehenden Augenkrankheit verursacht sind.“
Die Patienten vielleicht nicht, die Kunden übrigens auch nicht.
Sie wissen mitunter aber auch beispielsweise nicht, dass ihre
Nacken und Kopfschmerzen nicht durch Massagen behandelt
werden müssen. Die Zeilen enttarnen eher das Problem, dass im
GBA die Gesundheitshandwerker kein Stimmrecht haben und
dass zumindest die Augenärzte ihren Kollegen im Sinne einer
guten Sehversorgung nicht über den Weg trauen und ihnen
Kompetenz abstreiten: Ihre Kompetenz!
Der ZVA sieht diese Begründung rein formal als sachlich falsch
an und bemängelt zu Recht, dass die Kompetenz und das Know
how der Augenoptiker nicht im Ansatz gewürdigt beziehungs
weise in Zukunft gefragt seien. Professor Bertram hatte den
DOZLesern dazu seine Meinung bereits vor Wochen verraten.
In der Regel könnten Augenärzte und Augenoptiker sehr gut
zusammenarbeiten, „weil die große Mehrheit der Augenoptiker
die Grenze ihrer Profession beachtet und nicht versucht, in die
Augenheilkunde einzudringen“. Dass sich die Meinung des GBA
in seiner Gesamtheit und die der Vertreter der Augenärzte kaum
unterscheiden, war schon lange zu befürchten und in dem ge
samten Ablauf im Zuge der Änderungen des HHVG und der nun
beschlossenen Richtlinie zu erkennen. Förmlich greifbar wird das
noch einmal in den Worten von Professor Hecken in der schrift
lich niedergelegten Beschlussbegründung, die beinahe exakt so
seit Wochen der DOZRedaktion bereits von Professor Bertram
vorliegt. „Patientinnen und Patienten gehen aufgrund ihrer jah
relangen Erfahrung mit der stärker werdenden Kurzsichtigkeit
beim Auftreten einer neuen mit der hohen Myopie assoziierten
Augenkrankheit meist fälschlich davon aus, dass nur eine neue
stärkere Brille erforderlich sei.“ Erneut bleibt der Augenoptiker
und erst Recht der Optometrist außen vor.
So oder so, das letzte Kapitel in Sachen HHVG und Verord
nungsrecht für Augenoptiker ist noch nicht geschrieben, sind
wir ehrlich, das war doch eigentlich schon vor dem 20. Juli und
dem Beschluss des GBA klar. Die DOZ wird weiterhin darüber
berichten, so gut es geht objektiv. Denn natürlich sind wir nicht
nur unserer Branche verbunden, sondern auch rein subjektiv der
Meinung, dass die Entwicklung in die völlig falsche Richtung
geht. Gäbe es nicht den ernsten Hintergrund, wäre Farce wohl
die korrekte Bezeichnung. Noch einmal unterstrichen durch ein
BertramZitat: „Wir wollen leben und leben lassen, das reine
Refraktionieren von einfachen Fällen kann man lernen.“
Richtig, mancher lernt es an zwei Wochenenden, andere in
Theorie und Praxis über Monate und Jahre.
n
Ingo Rütten




