Viu - beste Brillen zu attraktiven Preisen

ein stylischer Viu-Laden
Die stylischen Viu-Läden zeichnen sich nicht immer durch ihre Großzügigkeit aus, hier in Düsseldorf muss der Architekt grübeln, um einen Refraktionsraum einplanen zu können.
© Viu

Dieses Portrait über ein junges, aufstrebendes Unternehmen in der Augenoptik könnte mit einem Zitat des Deutschland-Geschäftsführers Johannes Heinrich beginnen. Jeder Leser wüsste fortan, dass die als Onlineanbieter getarnten Schweizer auch nur mit Wasser kochen. Doch der Vergleich „Schuhekauf und Brillenkauf“ ist ausgelatscht, und Viu ist kein Onlineanbieter! Deswegen muss der „Heinrich-Schuhe-Vergleich“ bis zum Ende des Textes warten. Demnach muss diese bislang noch kurze Erfolgsgeschichte damit beginnen, dass die Schweizer in ihren zwanzig Läden in der Schweiz, Österreich und Deutschland ohne Augenoptikermeister oder einen Eintrag in die Handwerksrolle laut eigener Aussage die „besten Brillen der Welt zu attraktiven Preisen“ verkaufen wollen. Da sich das mit der Handwerksrolle und den Meistern aber zwischenzeitlich wohl geändert hat, und auch mancher Leser das an dieser Stelle erst einmal gar nicht so gut finden könnte, sei auch dieser Aspekt hinten angestellt.

Nun denn, beginnen wir also klassisch mit der Gründungsgeschichte von Viu, die im Juni 2013 ihren Anfang nimmt. Die Idee haben Kilian Wagner (heute CEO) und Peter Kaeser (CFO), der eine Mitte, der andere eher noch Anfang dreißig: beide aber mit Freunden und Familie ausgestattet, die schnell als Investoren für das Start-up aus Zürich zu gewinnen sind. Auch Heinrich begleitet das Konzept vom ersten Tag als Studienkollege und steigt daraufhin zunächst als einer der ersten Investoren in das Projekt ein, mit Weitblick:  „2014 war mir und uns klar, dass ich voll einsteige, wenn wir expandieren“, sagt Heinrich, der seit 2015 von München aus die Viu-Geschicke in Deutschland leitet.

Johannes Heinrich
Johannes Heinrich, Geschäftsführer von Viu-Deutschland ©Ingo Rütten

Schweizer Label mit „Direct Consumer-Modell“

Viu verbindet ein Schweizer Label mit einem „Direct Consumer-Modell“. Neben der Nachhaltigkeit, die unter anderem der Familienbetrieb in den Dolomiten als einer der Lieferanten mit seinen Acetatfassungen garantieren soll, steht die Kontrolle über die komplette Wertschöpfungskette im Vordergrund der Geschäftstätigkeit. So soll das Konzept tatsächlich hochwertige Brillen zu günstigen Preisen liefern, auf Dauer, auch wenn das Sortiment der Fassungen weiter wachsen und der Geist des Start-ups durch eine immer größer werdende Struktur mehr und mehr verschwinden werden. Während neue Modelle und damit ein wachsendes Sortiment gewünscht sind, möchten sich die Gründer ihren Unternehmenscharakter am liebsten bewahren – ob das gelingen kann? Schon heute zählt Heinrich rund 120 Mitarbeiter, und die Eroberung neuer Märkte steht ja erst noch an.

Die Titanfassungen kommen heute schon aus Japan, die Brillengläser werden ausschließlich von der Schweizer Firma Optiswiss direkt aus Basel geliefert. Etwa jeder zweite Kunde wird online auf Viu aufmerksam, doch die Flagship-Stores sind mittlerweile mindestens so wichtig für die Markenbildung geworden wie die Ecken in den Boutiquen und Modehäusern, in denen Viu von Beginn an – und auch heute  noch – stationär Brillen verkauft und über die Partner anbietet. Das ist auch heute noch ein Standbein des Unternehmens, aber Augenoptiker, die auf Viu zukommen und deren Fassungen verkaufen möchten, werden nicht abgewiesen. Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten einer Partnerschaft, in den Modehäusern sind es meist Shop-in-Shop-Lösungen, die eher Appetit und Lust auf den späteren Onlinekauf  machen sollen.

Preise off- wie onlinedieselben

Die Preise sind online wie offline dieselben. Beginnend bei der Sonnenbrille ohne Korrektion für 145 Euro, kostet eine Titan-Korrektionsfassung 195 Euro –  immer komplett mit vollvergüteten Gläsern. Hochbrechende Indizes kosten natürlich mehr, 1,6er-Material plus 30 Euro, 1,74er noch mal 30 Euro drauf. So einfach ist das auch bei den Gleitsichtgläsern,  die als Standard inklusive Fassung für 365 Euro oder in der individualisierten Variante für 665 Euro über den Ladentisch gehen; im wahrsten Sinne des Wortes, weil Brillen mit Gleitsichtgläsern nicht online verkauft werden. „Eine erstklassige Beratung steht bei uns auch in optischer Hinsicht ganz vorne“, sagt Heinrich. Das schließe den Onlineverkauf von Gleitsichtbrillen oder „komplizierten Korrektionen“ aus. Wie aber passt denn das zu der Klage der Wettbewerbszentrale vor dem Landgericht in Hamburg? Die Wettbewerbshüter warfen Viu vor, mit vollhandwerklichen Leistungen zu werben, ohne in die Handwerksrolle eingetragen zu sein; das Verkaufen von Korrektionsbrillen, deren Fertigung und Anpassung muss unter Aufsicht eines Handwerksmeisters geschehen, der auch die Messungen vornimmt, das schließt offensichtlich nicht nur den Beginn dieser Story mit einer solchen Nachricht aus. Heinrich nickt auf die entsprechende Nachfrage unaufgregt, denn seit dem 20. Dezember sei Viu in die Handwerksrolle eingetragen. Der  Zentralverband der Augenoptiker und  Optometristen bestätigt dies zumindest für Hamburg, freut sich aber gewiss über die vollmundige Erklärung Heinrichs, der bereits jetzt im Frühjahr laut eigener Aussage in allen neun Betrieben in Deutschland Augenoptikermeister eingestellt hat. Nicht unbedingt, weil es die Wettbewerbszentrale so möchte, sondern vielmehr, „weil wir Refraktionen anbieten wollen. Wir testen gerade noch die besten Systeme für uns und möchten flächendeckend Mitte 2017 soweit sein.“

Viu-Shop in Köln
Viu-Shop in Köln ©Viu

Anderes Verständnis vom Verkauf bestmöglicher Brillen(mode)

Ursprünglich habe man das nicht vorgehabt. Nicht nur, weil man intern ein anderes Verständnis vom Verkauf bestmöglicher Brillen(mode) hat. In der Schweiz existiere das Problem in der Art nicht, erklärt Heinrich, zudem sei es anfänglich auch eine Frage des Geldes gewesen, die Geschäfte nicht mit den entsprechenden Apparaturen und dem in Personen gebundenen Fachwissen auszustatten. Das habe sich nun geändert, aber in Deutschland sei das auch in anderer Hinsicht schwie riger. „Die Laufkundschaft ist dann hin und wieder doch verwundert, dass wir keine Augenglasbestimmung durchführen und wir sie dazu nur zu einem Partneroptiker vermitteln können“, meint der Geschäftsführer, der die Refraktion zwar deutlich mit 25 Euro bepreisen lassen wird, diese Kosten dann aber auf den Komplettpreis wieder anrechnet.

Die Augenprüfung soll das Angebot noch einmal abrunden, eine Herausforderung könnten manche baulichen Gegebenheiten werden, doch „das sollte überall funktionieren“, so Heinrich. Die Frage zum Fachkräftemangel bleibt angesichts einer vergleichsweise überschaubaren Zahl von Betrieben ungestellt, zumal Viu vermutlich in den kommenden Jahren eher außerhalb Deutschlands weiter wachsen wird und ohnehin auf der eigenen Website etliche neue Mitarbeiter sucht. Das Fassungsangebot wird definitiv weiter überall aufgestockt, die heute rund 55 Modelle bekommen sukzessive Zuwachs, klassische Metallbrillen werden ebenso dazu gehören wie Fassungen, die dem Trend folgend aus anderen Materialien und mit neuen Methoden hergestellt werden. Damit das Alleinstellungsmerkmal keine Kratzer bekommt, soll das Sortiment aber auch zukünftig eher  schmal daher kommen.

Auslage im Viu-Shop
Klar und schnörkellos - die Darstellung des Brillensortiments bei Viu ©Viu

Wer weiß aber schon, was wird? Dass Onlinehandel und stationärer Verkauf immer mehr zusammenwachsen, lässt sich alleine an Viu bestens beobachten. „Das Einkaufen ist etwas Positives, das Erlebnis muss spürbar sein, deswegen ist eine  physische Präsenz am Markt unumgänglich“, nennt Heinrichs eine Herausforderung, die auch sein Unternehmen zukünftig zu bewältigen hat. Mit dem Mix aus Qualität und Preis, gepaart mit dem Firmen-Image, das rund um Viu gerade wächst, haben die Schweizer nicht die schlechtesten Chancen in diesem nicht nur von Heinrich als „dynamisch“ eingestuften Markt. Die Quote der Wiederkäufer stimme bislang bei Viu, bestätigt der Geschäftsführer Deutschland diese bloße Annahme.
Was Johannes Heinrich gleich zu Beginn des Gespräches betont, kann aber auch nur für die Branche intern gelten, sonst würde er sich am Ende irgendwie doch widersprechen. Wie dynamisch kann ein Markt sein, in dem ein Kunde alle vier, fünf Jahre eine Brille kaufe, was Heinrich in den Raum wirft, um zu „seinem“ anfangs erwähnten Schuhe-Vergleich anzusetzen. „In Deutschland kaufen die Leute fünf bis sieben Paar Schuhe jährlich, wir kommen dem Preis eines Schuhpaares mit unseren Brillen sehr nahe.“