Quo vadis, Geselle?

Geselle während des Unterrichts
Für Gesellen bieten sich in der Augenoptik zahlreiche Möglichkeiten der Weiterbildung – ob Studium oder Meisterprüfung.
© Maya Claussen

Neue Technik, neue Herstellungsverfahren, neue wissenschaftliche Erkenntnisse – und ein Markt in ständiger Bewegung: Auch Augenoptiker müssen mit der Zeit gehen und sich Veränderungen anpassen, um dauerhaft erfolgreich zu sein. Doch welche Möglichkeiten zur Fort- und Weiterbildung gibt es nach der Ausbildung für Gesellen überhaupt, und welche Voraussetzungen müssen erfüllt werden?

Quo vadis, Geselle? Der Mensch lebt nicht vom Brot allein – und auch die Augenoptik besteht aus mehr als Refraktion. „Fortbildung verbessert nicht nur das Einkommen, auch das Portfolio der Tätigkeiten vergrößert sich. Der Beruf bekommt völlig neue Aspekte“, erklärt Günther Neukirchen, Akademieleiter des ZVA-Bildungszentrums  in  Dormagen-Knechtsteden. „Die Zufriedenheit nimmt deutlich zu, und auch dem Betrieb verschafft es deutliche Vorteile, wenn sich Angestellte zum Meisterkurs anmelden oder ein Bachelorstudium absolvieren.“ Ein Vorteil, der irgendwann in Mark und Pfennig – respektive Euro und Cent – zu greifen sei. „Der Mitarbeiter kommt zurück und kann plötzlich mehr. Er entwickelt sich zusehends, befruchtet den Betrieb“, so Neukirchen. Auch verbesserte Arbeitsabläufe und neue Impulse könnten die Folge sein. Für viele stellt sich nach erfolgreicher Gesellenprüfung ohnehin alsbald die Frage: Welcher Schritt soll nun der nächste sein? Erfahrung sammeln, den Meister machen – oder doch noch studieren? Direkt nach der Prüfung eröffnen sich dem gestandenen Gesellen attraktive Möglichkeiten der Weiterbildung: die Prüfung zum /r Augenoptikermeister/in, zum/r staatlich geprüfte(n) Augenoptiker/in oder die Aufnahme eines Bachelor-Studiums der Optometrie. Jeder Ausbildungsweg vermittelt die Qualifikation, mit der sich Augenoptiker zum Beispiel selbständig machen oder die Filialleitung übernehmen können – unabhängig vom erworbenen  Schulabschluss.

Wege zum Augenoptikermeister

Der Meister fällt bekanntlich nicht vom Himmel, er muss Prüfungen ablegen – vor der Handwerkskammer. Gesellen und Gesellinnen können sich in berufsbegleitenden Lehrgängen und Augenoptiker- meister-Kursen hierauf vorbereiten – auch parallel zur Anstellung, wahlweise in Teil- oder Vollzeit (Dauer bei Vollzeit, je nach Anbieter: neun bis zwölf Monate). Dies ist beispielsweise an der Fachakademie Hankensbüttel, der Augenoptikerinnung Brandenburg oder der ZVA-Akademie der Augenoptik in Dormagen-Knechtsteden möglich (für weiterführende Informationen   und   Internetadressen entsprechender Anbieter beachten Sie bitte auch unseren Info-Kasten auf der folgenden Seite). Zur Verdeutlichung folgen exemplarisch drei Meisterkurse, wie sie etwa gegen eine Gebühr von 11.295 Euro an der Akademie der Augenoptik absolviert werden können:

„Vollzeit“: Hierbei handelt es sich um den schnellsten Weg zum Meistertitel. In kompakten zwölf Monaten werden Gesellen zügig auf die Meisterprüfung vorbereitet. Unterricht findet ganztags von Montag bis Freitag statt.
„Teilzeit“: Zur optimalen Verbindung von Berufstätigkeit und Meisterausbildung. Ideal zum Beispiel für Augenoptiker, deren Wohnort im Tagespendelbereich zur Akademie liegt. Teilnehmer studieren an drei Tagen pro Woche an der Schule, stehen somit die übrigen Werktage ihrem Betrieb zur Verfügung. Auf diese Weise lässt sich das Arbeitsleben nicht nur bequem mit der Weiterbildung kombinieren, das neu erworbene Fachwissen kann auch umgehend in der Praxis umgesetzt werden. Der Kurs dauert 18 Monate.
„Block“: Für Augenoptiker, die nur wenig Arbeitszeit  für  den  Werdegang  zum Meister „abzwacken“ wollen oder können. Der modulare Aufbau des Kurses ist auch für Augenoptiker von Vorteil, die eine verhältnismäßig lange Anreise zur Akademie haben. Er umfasst sieben Mal vier Wochen Präsenzunterricht bei einer Gesamtdauer von  28  Monaten.  Insgesamt  werden im gesamten Zeitraum circa 1.200 Stunden fachspezifische und circa 400 Stunden betriebswirtschaftliche und arbeitspädagogische Inhalte vermittelt. Praktisch, um den eigenen Lernerfolg zu beurteilen: Am Ende jedes Semesters kann der persönliche Wissensstand in einer optionalen Prüfung  abgefragt werden.

Förderungen für Lehrgänge und Meisterkurse

Die  Kosten  für  Meisterkurse  reichen  – je nach Umfang – von circa 4.000 bis circa 12.000 Euro. Zusätzlich erhebt die Handwerkskammer   Prüfungsgebühren für die Meisterprüfung (für die Abnahme aller Teile der Meisterprüfung durch die Handwerkskammer Koblenz fallen zum Beispiel 980 Euro an). Zur Finanzierung kann das sogenannte Aufstiegs-BAföG (vormals „Meister-BAföG“) in Anspruch genommen werden. Die von Bund und Ländern finanzierte Unterstützung  nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz (AFBG) wird für Meisterkurse oder andere Lehrgänge gezahlt, die auf einen vergleichbaren Abschluss vorbereiten. Hierbei werden bis zu zwei Drittel der Kursgebühren als nicht rückzahlbarer Zuschuss und circa ein Drittel als Darlehen gewährt. Weiterführende Informationen wie Voraussetzungen, Förderungsarten oder Konditionen finden sich auf der Homepage des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unter der Adresse https://www.aufstiegs-bafoeg.de.

augenoptischer Unterricht
Größere Motivation, höhere Zufriedenheit: Auch der Betrieb profitiert davon, wenn sich seine Mitarbeiter weiterentwickeln. © Maya Claussen

Optionen für Gesellen ohne Abitur

Gesellinnen und Gesellen mit Realschulabschluss und einem Jahr Berufspraxis können durch den Besuch einer öffentlichen Fachschule für Augenoptik in Jena, München oder Köln innerhalb von zwei Studienjahren (Vollzeit) die Qualifikation
„Staatlich geprüfte(r) Augenoptiker/in“ erwerben. Die Abschlussprüfungen finden jeweils unter staatlicher Aufsicht durch schulische Prüfungskommissionen statt, wobei die im Laufe des zweiten Studienjahres erbrachten Leistungen mit in die Bewertung einfließen. Der Titel ist dem des Augenoptikermeisters nicht gleich- gestellt: Um auch Lehrlinge ausbilden zu dürfen, ist zusätzlich die Ausbildereignungs- oder Meisterprüfung erforderlich. Alle drei Fachschulen bieten das Ablegen der Meisterprüfung vor dem Prüfungsausschuss als Zusatzoption an. Der Umfang der Prüfung ist geringer, da wesentliche Teile nicht abgefragt werden. Für viele Fachschülerinnen und -schüler stellt diese Zusatzprüfung daher eine attraktive Op- tion dar. Der erfolgreiche Abschluss führt zu einer Doppelqualifikation als „Staatlich geprüfte(r) Augenoptiker/in und Augenoptikermeister/in“. Mit allem, was dazu- gehört: selbständig machen, Filialleitung oder Filiale übernehmen, Lehrlinge aus- bilden. Übrigens: Der Meistertitel berechtigt gleichzeitig zum Besuch einer allgemeinen Hochschule. Das bedeutet: Auch Absolventen ohne Fachhochschulreife oder Abitur können eine akademische Laufbahn einschlagen und ein Studium aufnehmen.

Inhalte und Kosten der Fachschulen

Schwerpunkte der Fortbildung sind in der Regel die Betriebsführung, die Augenglasbestimmung, die Kontaktlinsenanpassung und erweitertes optometrisches Screening. Zusätzlich werden allgemeine und fachliche Grundlagen vermittelt. Schulgeld fällt an den Fachschulen keines an, da die Kosten von öffentlicher Hand getragen werden. Als Unterstützung zur Lebensfinanzierung können Studenten bei Bedarf das bereits erwähnte Aufstiegs-BAföG beantragen.

Mit Studium zum Expertenwissen

An den Hochschulen in Jena, München, Berlin und Aalen kann mit allgemeiner Hochschulreife  auch  ohne  Gesellenprüfung ein sechssemestriges Studium Bachelor of Science in Augenoptik / Optometrie absolviert werden. Am ZVA-Bildungszentrum Dormagen-Knechtsteden ist die Voraussetzung hierfür der Abschluss der Gesellenprüfung. Dort wird zunächst die Ausbildung zum Meister gemacht, und wer möchte, kann an der ZVA-Akademie berufsbegleitend einen viersemestrigen Aufbaustudiengang an- schließen. Dies geht auch ohne Abitur, da der Meisterabschluss der allgemeinen Hochschulreife gleichgestellt ist. Das Bachelorstudium dauert in der Regel sechs bis acht Semester, der Masterabschluss drei weitere. Absolventen können in verschiedenen Bereichen tätig werden: etwa für Forschungsinstitute der augen- optischen Industrie, in der Beratung von Sehbehinderten, im Produktmanagement oder als Führungskraft in speziellen Augenkliniken – um nur einige zu nennen.

Seminare für Gesellen

Verbände wie der Südwestdeutsche Augenoptiker-Verband (SWAV), Vereinigungen wie die VDCO oder die WVAO und zahlreiche Vertreter der Industrie bieten Seminare zur Weiterbildung in zahlreichen Bereichen an, etwa zum Thema Betriebswirtschaft, Kundenberatung oder für Spezialgebiete der Augenoptik. In Fachseminaren können Gesellinnen und Gesellen beispielsweise ihre Beratungskompetenz im Bereich Kontaktlinsen verbessern, Refraktionskenntnisse vertiefen oder sich über typgerechte Brillenberatung informieren. Praktisch: Staatliche Förderprogramme finanzieren die Seminargebühren in einigen Bundesländern mit bis zu 50 Prozent.  

Geselle während des augenoptischen Unterrichts
Erkenntnisse aus der Zusatzqualifikation lassen sich direkt im Berufsalltag anwenden. ©Maya Claussen

Fachschulen  und Hochschulen

Berufsbegleitende Meisterkurse für die Meisterprüfung

Gesellinnen und Gesellen mit Allgemeinem Bildungsabschluss können durch berufsbegleitende Lehrgänge in neun bis zwölf (Vollzeit) beziehungsweise maximal 30 Monaten (Teilzeit) zum „Augenoptikermeister/in“ werden.

Diese werden hier angeboten:

Fachschulen für Gesellen mit Realschule

Den Titel „Staatlich geprüfte(r) Augenoptiker/in“ beziehungsweise die Doppelqualifikation in Kombination mit dem Titel „Augenoptikermeister/in“ können Gesellinnen und Gesellen hier erwerben:

Hochschulen für Gesellen mit Fachhochschulreife

Nach sechs bis acht Semestern Studienzeit erhalten Besucher der Hochschulen den Abschluss „Bachelor of Science“. Die Qualifikation  kann  hier  erworben werden:

Seminare für Gesellen

Sie wollen Ihre Kompetenz in einem bestimmen Fachbereich erweitern? Hierfür optimal sind spezielle Seminare, die unter anderem von folgenden Verbänden und Einrichtungen angeboten  werden:

von Christian Schutsch