Was Sie von Ihrem Bewerber wissen dürfen und was nicht

Schulden? Kinderwunsch? Herkunft? Religionszugehörigkeit? Alter? Muttersprache? Alle diese Fragen sind nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz im Bewerbungsgespräch unzulässig
Erstveröffentlichung in der DOZ 07|2025.
Nun sag’, wie hast du’s mit der Religion?“, fragt Gretchen ihren Faust in Goethes gleichnamiger Tragödie erster Teil und hat sich mit dieser übergriffigen Indiskretion einen festen Platz in der Schatztruhe deutscher Redewendungen gesichert. Was dem schönen Fräulein Margarete bei ihrem analogen Date noch als jugendliche Neugier zugestanden sein mag, kann Sie als Arbeitgeber bei der Suche nach einem geeigneten Bewerber eine Entschädigung in Höhe von bis zu drei Bruttomonatsgehältern kosten. Diese zwar noch nicht biblische Strafe – sie ist daher auch nicht in den Büchern Moses, sondern im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) geregelt – droht bereits bei einer Nichteinstellung, „wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre“ (§ 15 Absatz 2 AGG). Umso empfehlenswerter ist es, gar nicht erst durch „falsche Fragen“ den Eindruck zu vermitteln, die Antwort darauf könnte später entscheidungsrelevant sein.
Im Bewerbungsgespräch sind Fragen nach bestimmten persönlichen Merkmalen grundsätzlich unzulässig, sofern sie nicht unmittelbar für die konkrete Tätigkeit erforderlich sind. Kommen Sie dem Gesetzgeber oder Richter dabei aber bitte nicht mit unternehmerischer Logik! Um im obigen Beispiel zu bleiben, ist das fünfmalige tägliche Beten keine so erhebliche Störung des Betriebsablaufs, dass es Geschäftsinhaberin Margarete die Gretchen-Frage erlauben würde – es sei denn, Sie verkaufen Brillen am Fließband, das nicht stillstehen darf. Was für die Religion gilt, ist übrigens auch auf irdische Formen von Weltanschauung übertragbar. Sparen Sie sich daher investigative Nachforschungen wie „Sind Sie Mitglied einer politischen Partei?“ oder nach einer etwaigen Gewerkschaftszugehörigkeit.
Nach dem AGG unzulässige Fragen sind aber auch solche nach der Herkunft, dem Migrationshintergrund, aus welchem Land die Vorfahren stammen oder der Muttersprache. Zulässig ist allerdings mit Hinweis auf eine (tatsächlich) internationale oder bunte Kundschaft die Frage nach Sprachkenntnissen. Wenn Bewerber Faust dann von sich aus erwähnt, dass Türkisch seine Muttersprache ist, stellt dies keinen Verstoß gegen das AGG dar. Dieses richtet sich primär an Ihr Verhalten als Arbeitgeber. Die Angabe der Muttersprache durch den Bewerber selbst ist seine freiwillige Information. Dass Sie diese im Zuge einer zulässigen Frage nach Fremdsprachenkenntnissen erhalten haben, kann Ihnen auch nicht als diskriminierende Handlung angelastet werden. Problematisch wäre es erst, wenn diese Information als Auswahl- oder Ausschlusskriterium genutzt würde. Überhören Sie den Hinweis auf die Herkunft im Wort „Muttersprache“ und speichern Sie die Antwort gedanklich als „sehr gute Türkischkenntnisse“. Aber noch mal: Zulässig ist die Frage nur, wenn die Kundenstruktur in Ihrem Einzugsgebiet dazu Anlass gibt.
Erkundigungen nach persönlichen Lebensumständen sind tabu
Nicht gestattet sind außerdem Fragen zum Geschlecht und zur sexuellen Orientierung, zu Schwangerschaft, Familienstand, Kinderwunsch oder zur Familienplanung. Ebenso wenig legitim sind Erkundigungen nach Schulden, Vermögen oder allgemeine nach der finanziellen Situation. Selbst Fragen nach dem genauen Alter sind unzulässig und entgegen einer verbreiteten Benimmregel nicht nur bei Frauen. Das AGG verbietet eine Diskriminierung wegen des Alters. Hieran sollten Sie bereits bei der Sichtung der Bewerbungsunterlagen denken. Eine fehlende Altersangabe darf kein Grund sein, einen Bewerber auszusortieren. Und auch der bekannte Kinder-Abzählreim „Raus bist du noch lange nicht, sag mir erst, wie alt du bist“ ist im Bewerbungsverfahren fehl am Platz.
Fragen nach einer Behinderung oder gesundheitlichen Einschränkungen sind nur zulässig, wenn sie sich direkt auf die Ausübung der Tätigkeit beziehen.

Bereits bei der Sichtung der Bewerbungsunterlagen gibt es für Arbeitgeber einiges zu beachten – so darf eine fehlende Altersangabe kein Grund sein, einen Bewerber auszusortieren.
Im Augenoptik-Handwerk relevant sind beispielsweise feinmotorische Fähigkeiten in der Schleifwerkstatt. Zulässige Fragen wären etwa: „Sind Sie in der Lage, präzise Handgriffe im Millimeterbereich auszuführen?“ oder „Können Sie feinmechanische Arbeiten über längere Zeit konzentriert durchführen?“. Eine Ausnahme im Bewerbungsgespräch ergibt sich auch nicht aus gesetzlichen Pflichten, eine Schwerbehinderung beim Kündigungsschutz oder der Sozialauswahl besonders zu berücksichtigen. Nach einer Schwerbehinderung darf der Arbeitgeber erst nach sechs Monaten Beschäftigungszeit explizit fragen.
Lügen ohne negative Konsequenzen
Wer sich mit unbedachten Fragen in schweres Fahrwasser begibt, kann aber auch auf andere Art Schiffbruch erleiden. Der Bewerber darf auf unzulässige Fragen antworten, was ihm gerade aus dem Zusammenhang opportun erscheint – ohne negative rechtliche Konsequenzen selbst dann befürchten zu müssen, wenn dies bewusst unwahr ist. Statt auf dem Pfad der Erkenntnis zu wandeln, wird der Arbeitgeber also auf den Holzweg geführt und verlässt sich auf die trügerische Gewissheit einer in Wahrheit falschen Antwort. Auch damit ist Ihnen nicht geholfen! Lösen Sie sich also im Bewerbungsgespräch von der sprichwörtlichen (Fehl-)Vorstellung, dass Fragen nichts kostet: Es gibt vielleicht keine dummen Fragen, aber jede Menge unzulässige!

Eine rechtliche Einordnung von Carsten Schmitt
Abteilungsleiter Recht des Zentralverbands der Augenoptiker und Optometristen (ZVA)