Frauen im Handwerk: Gemeinsam die „gläserne Decke“ durchbrechen
Sehen, ja. Hindurchgehen, nein. Als „gläserne Decke“ bezeichnen Soziologen die eingeschränkten beruflichen Aufstiegschancen von Frauen aber auch Homosexuellen sowie ethnischen Minderheiten.
Erstveröffentlicht in der DOZ 11I24
Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) hat 2023 Daten darüber erhoben, wie viele Frauen im deutschen Handwerk tätig sind. Dabei wurden die Positionen der Frauen (Azubi, Gesellin, Meisterin, etc.) sowie ihre Gewerbe berücksichtigt. Während Frauen in den vergangenen Jahren über alle handwerklichen Belegschaften hinweg einen konstanten Anteil von etwa einem Drittel bildeten, sind zwischen den einzelnen handwerklichen Gewerbegruppen große Unterschiede feststellbar. So fällt auf, dass die meisten Frauen – unabhängig ihrer Qualifikation – vor allem in den Bereichen Lebensmittel, Gesundheit sowie persönliche Dienstleistung zu finden sind.
Besonders interessant ist die Aufteilung der Auszubildenden. Gerade kreative Handwerksberufe sind bei weiblichen Auszubildenden sehr gefragt. An erster Stelle steht die Friseurin gefolgt von Berufen wie Maßschneiderin (86,1 Prozent), Konditorin (85,0 Prozent) oder Goldschmiedin (72,9 Prozent). Doch auch die Gesundheitshandwerke wie Augenoptikerin (67,7 Prozent), Zahntechnikerin (64,4 Prozent) oder Hörakustikerin (53,5 Prozent) erfreuen sich großer Beliebtheit.
Es gibt also durchaus weibliches Handwerk. Allerdings geht der Weg aus den eher weiblich geprägten Berufen hinein in traditionell männlich besetzte nur sehr langsam voran, wie Juana Bleker der DOZ im Interview verrät. Sie ist nicht nur Handwerkerin, sondern auch seit 18 Jahren mit ihrem Unternehmen Bleker Haustechnik selbständig und weiß, welchen Herausforderungen Frauen im Handwerk tagtäglich gegenüberstehen.
Juana Bleker führt seit 18 Jahren ihr Unternehmen Bleker Haustechnik GmbH und weiß, auf welche Herausforderungen Frauen im Handwerk treffen.
Frau Bleker, wie sieht es mit der Gleichstellung im Handwerk aktuell aus?
Juana Bleker: Es gibt Fortschritte, aber wir sind noch nicht am Ziel. Derzeit erfolgt etwa jede vierte Gründung im Handwerk durch eine Frau. Rund 17 Prozent absolvieren die Meisterprüfung und circa 20 Prozent der Handwerksbetriebe werden von einer Frau geführt. Insbesondere in weniger männerdominierten Branchen wie dem Augenoptikerhandwerk sind Frauen stärker vertreten. Das Hauptproblem liegt jedoch in den traditionell männerdominierten Berufen.
Wie kann das Handwerk bzw. die Ausbildung insgesamt mehr in die Mitte der Gesellschaft rücken?
Es ist ein Generationen- und auch ein gesellschaftliches Umdenken, das stattfinden muss. Die ältere Generation hat großen Wert auf eine akademische Ausbildung gelegt, wodurch das Handwerk oft zu kurz kam. In Gymnasien wird das Handwerk kaum thematisiert. Hier müssen wir ansetzen, um junge Menschen, insbesondere Frauen, frühzeitig für handwerkliche Berufe zu begeistern.
Wie genau soll das Handwerk das anstellen?
Wir sollten uns stärker auf Gymnasiasten und Studienabbrecher konzentrieren, da das Handwerk in diesen Kreisen kaum präsent ist. Es gibt bereits viele Kampagnen, die Frauen im Handwerk als Vorbilder zeigen. Wichtig ist, dass wir in Schulen und bei Eltern ein Umdenken erreichen, damit Mädchen frei von alten Rollenklischees ihre Berufswahl treffen können. Initiativen wie spezielle Förderprogramme, Netzwerke für Frauen im Handwerk und gute Rahmenbedingungen können helfen, mehr Frauen für handwerkliche Berufe zu gewinnen und bestehende Ungleichheiten abzubauen.
Handwerk ist Frauensache: Mit ihrer aktuellen Kampagne will die UFH bereits Schülerinnen das Handwerk schmackhaft machen. Dazu gehört neben Vorbildern auch die Vernetzung der Frauen untereinander.
Was müsste die Handwerksbranche gegen die „gläserne Decke“ unternehmen?
Um die gläserne Decke im Handwerk zu durch - brechen, ist ein ganzheitlicher Ansatz erforderlich, der mehrere Maßnahmen umfasst.
Erstens: Wir müssen im Rahmen von Bildungsinitiativen bereits in den Schulen ansetzen und das Handwerk als attraktive Karriereoption präsentieren. Dies kann durch Kooperationen mit Schulen, handwerkliche Projekte und Praktika erreicht werden, um Schülerinnen und Schülern frühzeitig Einblicke in handwerkliche Berufe zu geben.
Zweitens: Frauen, die in traditionellen Männerdomänen erfolgreich sind, sollten als Vorbilder hervorgehoben und gefördert werden. Diese Vorbilder können zukünftige Handwerkerinnen ermutigen und ihnen zeigen, dass es möglich ist, in diesen Berufen erfolgreich zu sein.
Drittens: Etablierung von Mentoring-Programmen, bei denen erfahrene Handwerkerinnen und Handwerker jüngere Kolleginnen unterstützen und begleiten. Ein solches Programm fördert den Wissensaustausch und erleichtert den Aufstieg in Führungspositionen.
Viertens: Sensibilisierung der Führungskräfte durch Schulungen und Workshops, um ein Bewusstsein für die Bedeutung von Vielfalt und Gleichstellung zu schaffen und sie in die Lage zu versetzen, entsprechende Maßnahmen in ihren Betrieben umzusetzen.
Indem wir diese Maßnahmen umsetzen und das Handwerk als attraktiven und gleichberechtigten Arbeitsbereich präsentieren, können wir die gläserne Decke schneller durchbrechen und eine vielfältigere und inklusivere Branche schaffen. Wir sind eine Gemeinschaft, wir sind eine Handwerkerfamilie und es ist Zeit, zu machen.