Die „Wüste im Ohr“ und andere spannende Herausforderungen

Nicht jeder kommt mit der Wüste im Ohr so gut klar wie die kleine Wüstenspringmaus, der die Ohren allerdings nicht nur zum Hören, sondern auch zur Wärmeregulierung dienen.
Zum Fachbuch "Hörakustik Anpassfälle" im DOZ-Shop
Erstveröffentlichung in der DOZ 01|2025
DOZ: Herr Burkart, warum fasziniert Sie das Ohr?
Johannes Burkart: Das Ohr fasziniert mich durch seine Fähigkeit, Schwingungen, Emotionen und Informationen über den akustischen Weg zu transportieren. Das Sprichwort „Der Ton macht die Musik“ beschreibt, wie Klang und Intonation im Alltag zur Kommunikation und Verständigung beitragen – oft subtil, aber entscheidend. Das Ohr eröffnet uns eine akustische Welt, die Konflikte entschärfen und neue Lösungswege aufzeigen kann. Es vermittelt nicht nur Sprache, sondern auch Gefühle und spielt eine zentrale Rolle im zwischenmenschlichen Austausch. Mein Ziel ist es, die Hörakustik zu unterstützen und Menschen ein noch besseres Hörerlebnis zu ermöglichen.
Es ist laut im Restaurant, ich habe Mühe, meiner Nachbarin – die mir nur eine Armlänge entfernt gegenübersitzt – zu folgen. Habe ich nur einen schlechten Tag oder sollte ich bei Ihnen vorbeischauen?
Wenn Sie regelmäßig Schwierigkeiten haben, Sprache in lauter Umgebung zu verstehen, kann dies ein Hinweis auf eine beginnende Hörminderung sein. Eine schleichende Hörminderung zeigt sich oft zuerst bei hohen Frequenzen, was das Verstehen von Sprache im Störlärm erschwert. Häufig wird das Problem zunächst als Tagesform oder persönliche Befindlichkeit abgetan. Tritt es jedoch häufiger auf und Sie bemerken, dass Sie oft nachfragen oder sich besonders konzentrieren müssen, ist es sinnvoll, Ihr Gehör überprüfen zu lassen. Ein Hörakustiker kann gezielt feststellen, ob eine leichte Hörminderung vorliegt, die über die normalen Alltagsbelastungen hinausgeht. Rechtzeitig erkannt und richtig versorgt, kann Ihre Höranstrengung in geräuschvollen Situationen deutlich reduziert und Ihr Sprachverstehen verbessert werden.
Wann sollte man überhaupt einen Hörakustiker aufsuchen?
Hörprobleme können in jedem Alter auftreten und beginnen oft schleichend. Unser Buch unterstreicht die Bedeutung regelmäßiger Vorsorgeuntersuchungen, auch wenn zunächst keine deutlichen Einschränkungen wahrgenommen werden. Typische Anzeichen sind zunehmende Anstrengung und Ermüdung beim Zuhören, was sich auf die Konzentrationsfähigkeit auswirken kann. Im Alltag zeigt sich eine beginnende Hörminderung oft zuerst beim Telefonieren: Zunächst wird vielleicht die Freisprecheinrichtung zugeschaltet, dann greift man zum beidohrigen Headset, um besser verstehen zu können. Irgendwann merkt man, dass das Hören schwieriger geworden ist und dass diese Ausweichmechanismen nur eine fragile Brücke sind. In solchen Fällen kann ein Hörtest helfen, eine Hörminderung rechtzeitig zu erkennen und gezielt gegenzusteuern.
Gefragt ist kurative Aufklärung, die im Alltag ein Bewusstsein für die Hörgesundheit schafft
Was können Hörakustikerinnen tun, um die Aufmerksamkeit der Menschen darauf zu lenken, nicht nur auf sportliche Fitness und gutes Sehen zu achten, sondern auch auf ihre Ohren?
Hörakustiker können insbesondere Personen in lärmintensiven Berufen, wie zum Beispiel Zimmerer, über den Umgang mit Lärm und die Notwendigkeit von Gehörschutz aufklären. Ein individuell angepasster Gehörschutz, etwa ein Kapsel- oder ein dynamischer Gehörschutz, kann das Gehör präventiv vor schädlichem Lärm abschirmen, ohne das Sprachverstehen zu beeinträchtigen. Beim Einsatz von Hörgeräten an Lärmarbeitsplätzen berät der Hörgeräteakustiker auch über Kombinationslösungen, die sowohl das Gehör rehabilitativ unterstützen als auch den notwendigen Schutz und die Wahrnehmung von Warnsignalen gewährleisten. Darüber hinaus kann eine kurative, das heißt allgemeine, Aufklärung über die Vermeidung von Hörstress und Lärmschäden über die Medien erfolgen und so ein Bewusstsein für die Hörgesundheit im Alltag geschaffen werden.

Unternehmer, Dozent, Fachautor und Gutachter: Dr. Johannes Burkart, M.Aud., Jahrgang 1985, begann seine Karriere mit einer Ausbildung zum Hörakustiker, gefolgt von der Meisterprüfung. Anschließend studierte er Hörakustik und Augenoptik an der Hochschule Aalen und erwarb zusätzlich einen Master in Gesundheitsökonomie an der SRH Fernhochschule in Riedlingen. An der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg promovierte er zum Dr. sc. hum. Weiter qualifizierte er sich mit einem Master in Clinical Audiology and Hearing Therapy (M.Aud.) an der Universidad Isabel I in Burgos, Spanien. Derzeit leitet Burkart die Audiologie am Universitätsklinikum Mannheim sowie an der Ohren klinik des Heilig-Geist-Hospitals in Bensheim. In der Hörakustikbranche ist er als Unternehmer, Dozent, Fachautor und Gutachter tätig, der seine vielseitige Expertise in verschiedenen Bereichen der Branche einbringt.