Kleine Bauteile, großer Unterschied „Inspirieren lassen“: Zu Gast beim Designworkshop von OBE

Besuchende des OBE-Workshop

Der auf Verbindungselemente spezialisierte deutsche Hersteller OBE lud 20 Branchenteilnehmende von elf Unternehmen zum 28. Design-Workshop nach Ispringen ein.

© OBE

Erstveröffentlichung in der DOZ 12/2025.

Die kleinsten Teile sind häufig die wichtigsten, das kann jeder bestätigen, der unterwegs schon einmal einen Hosenknopf verloren hat. Schrauben, Scharniere, Nägel, Muttern und Nieten – die Palette an Verbindungselementen in unserem Alltag ist groß. Bei Brillen kommt es besonders aufs Detail an. Das weiß jede Augenoptikerin, der beim Verglasen einer Fassung schon einmal die Schraube von der Tischkante gesegelt ist. Ein passendes Ersatzteil zu finden, kostet oft mehr Zeit als der gesamte Zusammenbau der Sehhilfe.

Etwas mehr Wertschätzung ist also angebracht für die unscheinbaren Metallteilchen, die im Alltag meist unbeachtet bleiben. Im Kontext von Design sind technologische Feinheiten oft der entscheidende Unterschied. Bei OBE, einem deutschen Hersteller von Scharnieren und Schrauben, der sich insbesondere im Bereich der Brillenherstellung weltweit einen Namen gemacht hat, lädt man aus diesem Grund seit 28 Jahren (die zwei Corona-Jahre außen vor gelassen) zu einem Workshop ein, der sich speziell an Brillendesignerinnen und -designer richtet. Zu diesem Anlass lässt sich das Ispringer Unternehmen immer etwas Besonderes einfallen, gern auch in Kooperation mit anderen Industriepartnern.

Personen bekommen Scharnier gezeigt bei OBE

Stefan Bertsch, Produktmanagement von OBE, erklärt hier Saskia Stepper von Stepper Eyewear mit fundierter Begeisterung, was es mit dem Scharnier als kleinstem gemeinsamem Nenner (fast) jeder Brille auf sich hat.

© DOZ / Nicole Bengeser

Werkstattblick und Branchentreffen

In diesem Jahr nahm sich OBE die F. W. Haug GmbH & Co. KG als Anbieter von Technologien und Dienstleistungen für die industrielle Herstellung von Brillenfassungen aus dem benachbarten Pforzheim zur Seite. Zum Workshop zugesagt haben 20 deutsche Branchenteilnehmende von elf Firmen, darunter Wolfgang Thelen (IVKO u. a.), Saskia Stepper (Stepper Eyewear Deutschland), Frank Tente (Koberg & Tente), Marion Frost (PM Frost), Mykita, Aoyama, MMR, Deoma, Neo-style und weitere. 

Gestartet wird vor Ort bei OBE. Das Unternehmensgebäude in Ispringen, vor dem wir uns versammeln, ist ein Betontraum der 1990er – großsprossige Fensterfronten und dunkelblaue Fensterrahmen bilden einen Kontrast, der an den Stil der späten 1980er erinnert. Einer Zeit, in der Funktionalität und industrielle Ästhetik noch vor repräsentativer Leichtigkeit standen. Der Besucherparkplatz schließt direkt an die Produktionshallen an, die wir besuchen. Die Firmenvertreterinnen und -vertreter werden mit Kaffee begrüßt, die meisten kennen sich bereits von vorherigen Veranstaltungen. Andere müssen sich noch bekannt machen: Augenoptikermeisterin Sandra Prüfert und Chiara Berger von Ayoyama zum Beispiel sind das erste Mal beim Designer-Workshop dabei. Der Arbeitsauftrag ihres Chefs lautet: „Inspirieren lassen“. Und das tun die beiden dann auch nach Kräften.

Einen besonders weiten Weg hat sicherlich Norbert Meier von Mykita aus Berlin hinter sich. Nachdem Meier bereits vor rund 20 Jahren für Mykita in Verbindung mit der MIM-Technologie („Metal Injection Moulding“; ein Metallspritzgussverfahren) für Brillenfassungen mit OBE zusammengearbeitet hatte, ist er heute vor allem hier, um dem mitgebrachten Firmennachwuchs die Technik hinter Brillen näherzubringen. An seiner Seite sind daher ganz unkonventionell, wie es im Brillendesign häufig vorkommt, Alice Carré und Fabio Meyer zu Heringdorf, beide Quereinsteiger. Carré kommt aus dem Maschinenbau, Meyer zu Heringdorf hat unter anderem im Bereich Zerspanungsmechanik gearbeitet. Den Besuch vor Ort hält Meier trotz des langen Weges für wichtig: „Das ist eine seltene Gelegenheit, um miteinander ins Gespräch zu kommen“, sagt er. „Messen sind im Vergleich schon etwas anderes.“ Da heute der Besuch der Produktionshallen auf dem Plan steht, erfahren seine beiden Branchenneulinge quasi aus erster Hand, wie die kleinsten Teile ihres gegenwärtigen Berufsstandes hergestellt werden. Besonders Carré begeistert sich für die große Palette feinmechanischer Meisterwerke – „angefangen bei Schrauben bis zu Federscharnieren und Schmuckelementen“, wie sie erzählt.

Drei Personen

Norbert Meier (rechts, Mykita) ist ein alter Hase der Branche. Weil er bald in den Ruhestand geht, führt er Alice Carré und Fabio Meyer zu Heringdorf, beide Quereinsteiger und hoch motiviert, rechtzeitig an das Thema Brillendesign heran.

© DOZ / Nicole Bengeser

Beim Mittagessen sitzt neben mir Ralf Mitterbauer, der heute gemeinsam mit seinem Vater MMR Eyewear und insbesondere die Firma Gernot Lindner vertritt. Die Passauer Brillenmanufaktur stellt Brillen aus Silber in Handarbeit her. „Da sind wir in Deutschland wohl inzwischen die einzigen“, erzählt Mitterbauer, der sich während des Workshops über Verbindungsinnovationen informiert. Saskia Stepper und Eva Giaronne von Stepper Eyewear arbeiten bereits seit vielen Jahren mit den Federscharnieren von OBE. Die Produktionshallen zu besichtigen, bereitet ihnen sowie Marion Frost von PM Frost Eyewear sichtbar Vergnügen. Neben all dem Technischen findet sich Zeit für entspannte Gespräche mit Kolleginnen und Kollegen. Konkurrenzverhalten ist nach außen nicht zu spüren. Hier sitzen alle im selben Boot. Die Stimmung ist kollegial und gelöst – vielleicht auch, weil die kleine Runde zeigt, wie eng die deutsche Augenoptikbranche inzwischen zusammengerückt ist.

Ideale Plattform, um Innovationen zu zeigen

Während wir also vormittags die Werkshallen begangen und die Produktion der winzigen Schrauben bewundert haben, geht es nach dem Lunch mit den eigenen Fahrzeugen ins benachbarte Pforzheim zu F. W. Haug. Die Geschäftsführer empfangen ihre Kunden selbst, wodurch der ganze Termin nochmals eine besondere Wertschätzung erfährt. Der Geschäftsführer Julius Pfeifle führt in Anwesenheit der ehemaligen Geschäftsführer, seiner Eltern, also zunächst in den Eingangsbereich, in dem wir in Gruppen eingeteilt werden. Während des Nachmittags erhalten die Workshop-Teilnehmer eine Führung unter anderem durch die benachbarte Schüssler Technik GmbH, die Sondermaschinen zur Brillenherstellung im Programm hat. Zu sehen gibt es auch hier einiges, wie die Vorführung einer Maschine, die innerhalb weniger Minuten Brillenfassungen und Stützscheiben individuell fertigen kann.

Scharniere in der Produktion

Die kleinsten Teile halten alles zusammen: Schrauben und Scharniere gehören definitiv zu den unverzichtbaren Komponenten einer Brillenfassung.

© DOZ / Nicole Bengeser

Wieder bei F. W. Haug angekommen, werden wir durch den Showroom geführt, der verschiedene Möglichkeiten handwerklicher und technologischer Upgrades für die industrielle Brillenreparatur (zum Beispiel eine innovative Lötstation) sowie Brillenherstellung (3D-Druck-Maschinen) zur Veranschaulichung bereithält. Für OBE sind die Workshops eine ideale Plattform, um neueste Entwicklungen zu präsentieren und die wichtigsten Innovationen der vergangenen Monate zu zeigen. Marketingmanager Frank Schröder betont, dass „es sich bewährt hat, die Veranstaltungen gemein-sam mit einem Partnerunternehmen durchzuführen. Durch die Zusammenarbeit mit einem zusätzlichen Partner – in der Vergangenheit war das beispielsweise ein Farbexperte – können wir unsere Produkte noch besser in Szene setzen. Das Scharnier ist nur ein Teil der Brille; gemeinsam mit einem Partner gelingt es uns, das Gesamtprodukt im Hinblick auf Design stimmig darzustellen.“ Der Workshop bot zudem eine gute Gelegenheit zu zeigen, dass die deutsche Fassungsindustrie noch längst nicht am Ende ist – auch wenn Meldungen wie das Aus von Menrad, Wagner + Kühner oder Trends & More anderes vermuten lassen. Der nächste OBE-Design-Workshop für Juli kommenden Jahres ist bereits in Planung.

Geschrieben von

Nicole Bengeser

Nicole Bengeser

Augenoptikerin

Nicole Bengeser bringt als Augenoptikerin Fachwissen und als leidenschaftliche Redakteurin journalistisches Gespür zusammen. Beim DOZ-Verlag widmet sie sich mit Neugier den Trends, Debatten und Entwicklungen der Augenoptik.

Zum Autorenprofil