Mister Spex: Erster Online-Sehtest und der Selbstversuch

screenshot online Sehtest Mister Spex
Screenshot von der Startseite des Online-Sehtestes bei Mister Spex.
© DOZ

Pünktlich zum ersten April hat Mister Spex seinen Kunden den „ersten Online-Sehtest“ ermöglicht. Die Kunden können damit ihre aktuellen Werte selbst von zu Hause aus überprüfen. Als „offene Testphase“ soll der Online-Sehtest die augenoptische Versorgung in der Corona-Krise sichern, begründet der Omnichannel-Optiker seine vorgezogene Veröffentlichung. Die DOZ hat den Sehtest durchgeführt und einige Schwachstellen entdeckt. Auf Nachfrage hat Mister Spex dazu nun Stellung bezogen.

„Online-Optiker übernehmen in Zeiten des Coronavirus derzeit eine wichtige Rolle in der Nahversorgung. Daher haben wir uns entschieden, unseren Kunden bereits jetzt einen Online-Sehtest zur Verfügung zu stellen“, erklärt Mirko Casper, Geschäftsführer von Mister Spex. „Dabei überprüfen wir kontinuierlich, wie die Kunden das Angebot annehmen. Wir wollen jetzt helfen, nachdem die Mehrheit der stationären Angebote weggefallen ist.“ Die Erfahrungen der Kunden sowie Feedback sollen in die Weiterentwicklung des Testes einfließen. Das Software-Unternehmen „easee“ aus den Niederlanden steckt hinter der Entwicklung des Online-Sehtestes.

Vorbereitungen für den Online-Sehtest

DOZ-Redaktionsvolontärin und Augenoptikermeisterin Ann-Katrin Zellner hat den neuen Online-Sehtest am Donnerstag, den 02. April 2020, ausprobiert und berichtet von ihren Erfahrungen:

Zunächst ist der der Online-Sehtest nur für Kunden zwischen 18 und 40 Jahren möglich. Diese dürfen eine Kurzsichtigkeit von max. -3,0 dpt und einen Astigmatismus von max. -2,5 dpt haben – der Rest ist ausgeschlossen. Klicke ich bei den ersten vier Fragen zu den Voraussetzungen für den Sehtest etwas anderes an, erscheint ein Hinweis mit den oben genannten Einschränkungen.

 

mister spex online sehtest was braucht der Kunde
Zur Durchführung des Online-Sehtestes braucht der Kunde nicht viel. (© DOZ)

Um den Sehtest durchführen zu können, muss ich zwingend ein Kundenkonto bei Mister Spex anlegen. Ist dies erledigt, kann ich den Test starten. Allgemeine Fragen zur aktuellen Sehhilfe folgen: Was verwende ich (Brille, Kontaktlinsen oder keine Sehhilfe), mein Geburtsdatum und vier Fragen zur Gesundheit (Sind Sie schwanger? Haben Sie Diabetes? Haben Sie schmerzende oder gereizte Augen? Wurden Sie an den Augen operiert?). Sind die Fragen beantwortet, wird das Mister-Spex-Konto mit einem „easee“-Konto verknüpft. Dann kann ich (wenn vorhanden) die aktuellen Brillenwerte eingeben. Spannend ist die nächste Frage: Welcher Augenoptiker hat Ihren letzten Brillenpass ausgestellt?

Die Anpassung an die Testvorgaben erfolgt mit einer Sprachassistentin. Eine einschläfernde, aber klar verständliche Stimme gibt mir die Anweisung, die Lautstärke zu erhöhen, die Helligkeit zu maximieren, den Bildschirm mit der EC-Karte zu skalieren und den Vollbildmodus zu aktivieren. Das Smartphone soll in den nächsten Schritten als Fernbedienung dienen. Via QR-Code oder SMS kann ich mein Handy mit der Software verknüpfen. Durch die Angabe meiner Schuhgröße wird errechnet, wie viele Schritte gemacht werden müssen, um die drei Meter Testentfernung zu erhalten. In meinem Fall (Dame, Größe 38) sind dies elf Schritte (der Meterstab bestätigt die Angaben). Auf den Boden lege ich einen Gegenstand, um die Entfernung während des Testes zu gewährleisten.

Ein Selbstversuch

mister spex online sehtest handy als fernbedienung
Screenshot Handy: Die Snellen-
Hacken sollen nach der
Bildschirmanzeige ausgewählt
werden. (© DOZ)

Ich stelle mich in die angegebene Entfernung und soll mein linkes Auge mit der Hand abdecken. Die Snellen-Hacken erscheinen auf dem Smartphone sowie auf dem Bildschirm. Klicke ich die richtige Antwort an, wird der Snellen-Hacken kleiner, bei der falschen wieder größer. Wenn ich sie nicht erkenne, drücke ich auf den Button „Ich weiß es nicht“. Das gleiche folgt für das linke Auge, in dem ich das rechte mit der Hand abdeckt.

Im nächsten Abschnitt soll ich die Brille oder Kontaktlinsen absetzen und auf derselben Position stehen bleiben. Dieser Bitte komme ich für diesen Versuch nicht nach, da ich aufgrund meiner hohen Myopie den Bildschirm nicht mehr erkennen könnte und ich der Software eine Emmetropie vorgaukle. Ich soll Formen unterscheiden: erst sind es drei Kreise und ein Dreieck, die nach Klick auf die richtige Position kleiner werden; dann folgen drei Kreise und ein Sechseck. Das ist schon schwieriger zu unterscheiden. Beim Weitertippen folgt ein Rot-Grün-Test: Ich soll auf das Handy in Leseentfernung schauen (dessen Testfeld rot ist) und es mit dem grünen Testfeld auf dem Laptop vergleichen. Pro Auge soll ich die Frage „Was ist schärfer?“ beantworten. Jetzt folgen mehrere Fragen, unter anderem: „Können Sie ohne Brille die Straßenschilder lesen?“, „Werden Ihre Augen müde, wenn Sie ohne Brille am PC sitzen und darauf lesen?“ und „Bekommen Sie vom Lesen ohne Brille Kopfschmerzen?“.

mister spex online sehtest handy als fernbedienung für Astigmatismus
Screenshot Handy: Der Regler soll
nach der schwärzesten Linie
verschoben werden. (© DOZ)

Die Prüfung auf Astigmatismus folgt direkt im Anschluss. Zunächst soll ich (mit einem abgedeckten Auge) auf vier Quadrate, welche aus schwarzen Strichen bestehen, schauen. Ich soll wählen, ob eines der Quadrate schärfer ist als das andere oder nicht. Tippe ich „ja, eines ist schärfer“, erscheint auf dem Bildschirm ein Strahlenkranz. Auf dem Smartphone soll ich den Pfeil in der Mitte des Strahlenkranzes mit einem Regler auf die schwärzeste Linie schieben. Drücke ich „weiter“, erscheinen sechs schwarze Linien, welche ein Gitter ergeben. Hier wird nach Schwärzungsgleichheit gefragt – ich soll sie so lange drehen, bis alle gleich scharf sind. Auf dem Smartphone hüpft die Gradangabe dabei in drei Grad Schritten. Zum Schluss erscheint ein Kreis mit rotem Punkt in der Mitte. Die Streifen in den Kreishälften sollen gerade noch erkennbar oder gleich grau sein. Diesen Zustand muss ich mehrmals einstellen. Ist das zweite Auge nach dem gleichen Muster geprüft, heißt es warten: Die Ergebnisse sollen von einem Optometristen des „easee“-Team geprüft und validiert werden.

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Screenshot vom Strahlenkranz - der Pfeil wird mit einem Regler
auf die schwärzeste Linie geschoben. (© DOZ)

Fazit

„Prinzipiell ist der Sehtest einfach durchzuführen. Die vereinzelten Rechtschreibfehler habe ich mal ignoriert. Die Sprachassistentin gibt klare Anweisungen, was ich tun soll. Schnell ist das Smartphone mit der Software verknüpft. Über den Hinweis zur Sturzgefahr bin ich erst erschrocken (kam er doch sehr plötzlich) – doch Ferse an Ferse laufen ist nicht so einfach. Ich habe die Software ein bisschen ausgetrickst: Bei den aktuellen Brillenwerten gab ich R -0,25 dpt und L -0,5 dpt an. In der Realität sind meine Werte R sph -7,0 cyl -1,75 A 15° und L sph -7,5 cyl -2,0 A 162° (zwei Monate alt). Beim Rot-Grün-Test soll zunächst in Leseentfernung auf ein rotes Testfeld geschaut werden und dann mit dem grünen verglichen werden – der Blick auf das rote Testfeld kann beim Kunden unkontrollierte Akkommodation auslösen und deshalb wird der Kunde angewiesen, aus diesem Grund vorrangig das grüne Testfeld anzuschauen. Der Test auf Astigmatismus erscheint mir sehr grob. Viel erklärt wird in diesem Testabschnitt nicht. Passt man beim Schieben nicht genau auf, sind sofort Fehler in den Ergebnissen zu erwarten.

Der Test dauerte bei mir etwa 20 Minuten. Angegeben sind 15 bis 30 Minuten von Mister Spex. Um die validierten Ergebnisse des Testes zu erhalten, müssen 19 Euro bezahlt werden. Diese Kosten wurden zum Beginn des Tests nicht genannt. Nachdem ich bezahlt habe, bekam ich die – laut Mister Spex – durch einen Optometristen geprüften Ergebnisse. Es dauerte sieben Minuten, bis das Ergebnis vorlag. Der Pass bescheinigte mir eine Viertel Dioptrie mehr Minus auf beiden Augen. Als hochgradig Myoper „fresse“ ich gerne mehr Minus, als ich sollte. Zudem ist, wie oben bereits erwähnt, das Ergebnis des Rot-Grün-Testes anzuzweifeln.

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Der Screenshot zeigt die validierten Angaben auf dem Kundenkonto. (© DOZ)

Für eine erste grobe Einschätzung, ob sich die Sehstärke verändert hat, kann der Test ohne weitere Bedenken genutzt werden. Als endgültige Brillenwerte würde ich sie nicht verwenden. Die Ergebnisse müssen mit Vorsicht betrachtet werden, denn Fehler können an jeder Stelle auftreten:

  1. Testentfernung nicht eingehalten
  2. in meinem Fall schräger Lichteinfall durch die Sonne (kein Hinweis für eine gleichmäßige Ausleuchtung!)
  3. durch eine schiefe Haltung wird das Ergebnis bei der Prüfung auf Astigmatismus verfälscht oder
  4. falsche Angaben durch oberflächliches Lesen der Zwischenfragen.

Es war sehr spannend, den Online-Sehtest durchzuführen – und ihn auf Schwachstellen hin zu überprüfen. Möglich, dass bei einfachen unkomplizierten Werten auf einen Online-Sehtest zurückgegriffen werden kann. Dennoch glaube ich nicht, dass der Sehtest in der jetzigen Form die fundierte Refraktion bei einem Augenoptiker ersetzen kann.“

Anmerkung: Der erste Versuch, den Online-Sehtest durchzuführen, war nicht erfolgreich. Ungenaue Angaben führten zu keinem eindeutigen Ergebnis, daher wurde angeraten, die Sehstärke bei einem Partneroptiker überprüfen zu lassen. Die Validierung des Ergebnisses durch einen Optometristen lag innerhalb von zehn Minuten vor. Hierfür fielen keine Kosten an.

Stellungnahme von Mister Spex

Es handle sich bei dem Online-Sehtest um eine offene Testphase, wie Mister Spex auf Nachfrage der DOZ gegenüber bestätigte. Das Feedback der Kunden soll helfen, den Service kontinuierlich zu verbessern. „Wir möchten an dieser Stelle darauf hinweisen, dass die aktuelle Version des Test-Algorithmus in einer klinischen Umgebung am Medizinischen Zentrum Utrecht umfangreich getestet und im Ergebnis in der Qualität als absolut vergleichbar mit einer „regulären“ Refraktion eingestuft wurde. So wurde beispielsweise der Duochromtest im Rahmen der Refraktion in 98% der klinischen Validierungsmessungen als korrekt identifiziert. Diese Erfolgsrate ist mit der Algorithmusleistung in der Praxis vergleichbar“, bekräftigt Mister Spex in der Stellungnahme.

Zu den versteckten Gebühren sagte der Omnichannel-Optiker: „Grundsätzlich kostet der Sehtest von unserem technischen Partner easee 19 Euro. Für Mister Spex Kunden ist er jedoch komplett kostenlos, da wir diese Gebühr übernehmen. Wir können nachvollziehen, dass dieser Prozess nicht optimal und zuweilen irritierend ist. Dies entspricht nicht unserem Anspruch, weshalb wir nun umgehend reagiert haben. Ab sofort gibt es entsprechende Hinweise zur Aufklärung auf unserer Website. Darüber hinaus haben wir mit easee abgestimmt, die 19 Euro jedem Mister Spex-Kunden, der den Test unterbricht oder über die Plattform von easee macht, umgehend zu erstatten (nicht in Form eines Gutscheins, sondern als Rückzahlung).“

Auf die Anmerkung der Testentfernung sowie der Astigmatismusprüfung antwortete Mister Spex: „Natürlich ist der Abstand zwischen der Test-Person und dem Bildschirm sehr relevant, um die korrekte Messung zu gewährleisten. Entsprechend sind die Anweisungen im Test so optimiert, dass der Kunde einen Abstand von exakt drei Meter einhalten kann. Der Algorithmus von easee berücksichtigt zudem eine Abweichung von maximal zehn Prozent. Größere Inkonsistenzen in der Testentfernung werden i.d.R. durch die persönliche Validierung der Messung im Nachgang durch ausgebildete Optometristen erkannt. Auch der Astigmatismus-Test ist durch seine Mehrstufigkeit – von einer groben Achsenmessung bis zu einer Feinmessung – selbst für komplexere Zylinderwerte geeignet. Klinische Daten zeigten auch hier eine hohe Übereinstimmung der Ergebnisse im Vergleich mit der Refraktion bei einem Optiker vor Ort. Dennoch sind wir uns der limitierten Möglichkeiten an dieser Stelle bewusst und haben deshalb die Bedingungen, unter denen einen Online-Sehtest aktuell durchgeführt wird, auch deutlich eingeschränkt.“