Speziallinsen-Hotspot: Global Specialty Lens Symposium in Las Vegas

Erstveröffentlichung in der DOZ 05|2025.
Speziallinsen sind, anders als zum Beispiel konfektionierte Standardkontaktlinsen, immer dann gefragt, wenn mit üblicherweise verwendeten „Normallinsen“ keine ausreichenden Ergebnisse erreichbar sind. Als „Standard- oder Normallinsen“ gelten Kontaktlinsen, die als klassische weiche Kontaktlinsen unter Berücksichtigung des Sehfehlers sowie der Hornhautparameter (Form, Radien und Durchmesser) angepasst werden. Korneallinsen als formstabile Standardlinsen berücksichtigen die Parameter des Trägerauges ebenfalls und werden so angepasst, dass die bestmögliche Korrektion des Sehfehlers bei geringstmöglicher Belastung für das Auge erreicht wird. Konfektionierte weiche Blisterlinsen, die oft nur in einer Basiskurve, in einem Material und einem Durchmesser verfügbar sind und bei denen die Herstellung ohne Kenntnis der Maße des künftigen Trägerauges erfolgt, können nicht im eigentlichen Sinne angepasst werden. Die Auswahl dieser Kontaktlinsen muss dann so erfolgen, dass der bestmögliche Kompromiss in Bezug auf Korrektion und Passform für das Trägerauge erreicht wird.
Einschränkungen bei Visus und Verträglichkeit können Sonderlösungen erforderlich machen. Mit der zunehmenden Verbreitung von Sklerallinsen müssen grundsätzliche Fragen zur Wirksamkeit und Sicherheit dieser Produkte geklärt werden. Fragen, die die Sauerstoffversorgung der Hornhaut unter Sklerallinsen betreffen und den möglichen Anstieg des Augeninnendrucks, sind inzwischen weitgehend dahingehend geklärt, dass unerwünschte Nebenwirkungen nicht beobachtet wurden. Die Evaluierung der Häufigkeit mikrobieller Keratitiden durch die Benutzung von Sklerallinsen steht noch aus. Es liegt in der Natur der Sache, dass die fallweise Variabilität der individuellen Gegebenheiten in Bezug auf die Indikationen und im Einzelfall verwendete Lösungen so hoch ist, dass sich verallgemeinernde Verfahrens- und Anpassregeln nur schwer aufstellen lassen. Ähnlich wie beim Umgang mit seltenen Erkrankungen liegt auch hier die Schwierigkeit in geringen Fallzahlen und der systematischen Auswertung der Ergebnisse.
Die wohl häufigste Indikation für die Anpassung von Speziallinsen/Sklerallinsen sind irreguläre Hornhäute, bei denen die Irregularitäten oft durch Hornhautektasien, etwa Keratokonus, hervorgerufen werden. Wenn Kontaktlinsenträger mit diesen Merkmalen in größerer Zahl für Studienzwecke rekrutiert werden sollen, ist das oft problematisch. Weil zum Beispiel stromale Narben (als Folge der Ektasie) oder andere Komorbiditäten eine Studienteilnahme ausschließen. Die für die systematische Erforschung erforderliche Festlegung von Ein- und Ausschlusskriterien für die Studienteilnahme ergibt dann oft sehr geringe Fallzahlen, die statistisch nicht sinnvoll ausgewertet werden können.
Um derartige Herausforderungen künftig besser bewältigen zu können, gab es bei der diesjährigen GSLS ein-leitend einen Themenblock, in dem die Grundlagen der generellen Protokollanforderungen und gesetzlichen Vorgaben zur Durchführung klinischer Erhebungen beschrieben wurden. Lyndon Jones präsentierte sehr anschaulich die Praxis wissenschaftlicher Studien im Hinblick auf Studiendesign und Datenerhebung. Die Möglichkeiten, die erarbeiteten Forschungsergebnisse zu publizieren, stellte Shehzad Naroo vor.
Gelungene Kooperation zwischen akademischen und privaten Praxen
Als konkretes Beispiel einer gelungenen Kooperation zwischen akademischen und privaten Speziallinsenpraxen stellte Kelsea Skidmore die Arbeit des Consortium of Researchers Investigating Sclerals (CoRIS) vor. CoRIS ist eine Gruppe von Praktikern, die sich 2020 beim GSLS zusammenschloss und seitdem die Mission verfolgt, Fragen zu beantworten, die eine große Datenmenge aus einer Vielzahl von unterschiedlichen Praxen und Demografien erfordert. Beim ersten Treffen im Jahr 2020 wurde entschieden, dass die Häufigkeit von mikrobieller Keratitis (MK) bei Sklerallinsen eine wesentliche Kennzahl zur Ergänzung des Sicherheitsprofils der Linsen ist. In den vergangenen zwei Jahren entwickelten CoRIS-Mitglieder die „Multicenter Collection of Scleral Lens Outcomes“-Studie (MC-SLO).
Im praxisorientierten Teil des Treffens kamen Anpasser zu Wort, die neue Ideen aus ihrer täglichen Arbeit vorstellten. Caitlyn Morrison präsentierte so zum Bei-spiel ihren Ansatz, die Randgestalt der Sklerallinsen der jeweiligen Festigkeit der bulbären Bindehaut an-zupassen. Um systematisch vorzugehen, hat sie ein Grading-System zur Beurteilung der Bindehautfestigkeit eingeführt: Grad1 entspricht einer sehr festen Bindehaut, mit fast unbeweglichen oberflächlichen und tiefen Bindehautgefäßen. Grad 2 beschreibt eine lockere Bindehaut, bei der sich die oberflächlichen und tiefen Bindehautgefäße leicht bewegen. Grad 3 steht für eine schwammige Bindehaut, die sich leicht verschieben lässt und Grad 4 beschreibt letztlich eine sehr schwammige Bindehaut, die sich sehr leicht ver-schieben lässt.
Die Randgestalt der Sklerallinse wird nur bei Grad 3 entsprechend der Herstellerempfehlung gewählt. Bei Grad 1 wird der Rand 75 µm und bei Grad 2 50 µm stei-ler als die Herstellerempfehlung angepasst. Dabei muss jeweils die Basiskurve und Zwischenzone entsprechend modifiziert werden, um die zentrale Überbrückung der Hornhaut nicht zu verändern. Grad 4 wird schließlich 50 µm flacher angepasst. Ob diese Überlegungen künftig bei der Sklerallinsenanpassung berücksichtigt werden, bleibt abzuwarten. Caitlyn Morrison kündigte jedenfalls weitere Ergebnisse für das nächste Treffen im Jahr 2026 an.
Interessante Informationen kamen auch von Josh Lotoczky, der die Mechanismen des Sitzverhaltens von Sklerallinsen auf dem Auge untersucht. Unmittelbar nach dem Aufsetzen ist der Abstand zwischen Hornhautvorderfläche und Sklerallinsenrückfläche am größten. Die Bezeichnung für diese Überbrückung ist Vault. Nach einer Zeit von 20 Minuten reduziert sich dieser Abstand um 25 Prozent. Bislang war die Annahme, dass sich dieses „Absinken“ (settling) der Sklerallinsen hauptsächlich aus der Kompression der bulbären Bindehaut ergibt.
Lotoczky konnte im Rahmen seiner klinischen Untersuchungen feststellen, dass sich die Vorderkammertiefe unter Sklerallinsen ebenfalls vergrößert und damit der Vault mit zunehmender Tragezeit geringer wird.

Aufsteigender Stern: Kate Gifford wurde bei der GSLS 2025 mit dem „Rising Star Award“ für ihre Forschungsarbeit ausgezeichnet (siehe letzten Absatz im Artikel).
Auch der Kommerz kam nicht zu kurz
Das folgende Hauptsymposium des Global Specialty Lens Symposium präsentierte weitere interessante Innovationen, die entweder bereits in kommerziell verfügbaren Produkten umgesetzt wurden oder in Kürze als solche verfügbar sind. So stellte etwa die Firma 3N Eyecare aus Hongkong eine neue Methode zur Reinigung von Kontaktlinsen vor. Dabei werden mit den zugehörigen ReO2-Geräten weiche, formstabile oder Sklerallinsen mittels der „Elepy Technology „desinfiziert und von Ablagerungen befreit. Bei dieser Methode wer-den die Kontaktlinsen in Spezialbehältern, an die eine elektrische Spannung angelegt wird, in Kochsalzlösung gelagert. Dadurch wird ein elektrisches Feld erzeugt und es kommt eine Kombination aus Elektrolyse zur Desinfektion (der Hersteller spricht sogar von Sterilisation), nicht-enzymatischen Proteinzerkleinerung und anschließender Proteinentfernung zum Einsatz. Die tägliche Reinigung dauert nur zehn Minuten, der wöchentlich empfohlene „DeepClean“-Modus dauert zwischen 30 Minuten und sechs Stunden. Außer der Gerätehardware wird nur noch unkonservierte Kochsalzlösung benötigt. Der Verbraucherpreis liegt zwischen 99 US-Dollar (für weiche Kontaktlinsen), 299 US-Dollar (für formstabile Kontaktlinsen) und 399 US-Dollar (für Sklerallinsen).
Mehrere Referenten betonten die Rolle der Skleraform bei der Anpassung von Sklerallinsen mit torischen Rückflächen. Eine genauere Vermessung der Augenform und Festlegung der Kontaktlinsenparameter steigert die Erfolgsaussicht für einen First-Fit-Erfolg und ein gutes Ergebnis in Bezug auf Verträglichkeit und Seh-schärfe. Schon länger bieten einige Hersteller neben torischen Geometrien mit zwei Hauptschnitten auch asymmetrische Geometrien an. Einen weiteren Schritt in diese Richtung stellte das Unternehmen Gaudi vor. Die Anpassung sieht die Erfassung der vorderen Augen-form mit dem Gaudi-Profilometer vor. Basierend auf den Ergebnissen wird dann mittels KI eine ideale Frei-form-Geometrie der Sklerallinse designt. Anschließend können die Messergebnisse mit Aberrometriedaten kombiniert werden, um auch Aberrationen höherer Ordnung zu korrigieren.
Ähnliche Ziele verfolgt Bausch + Lomb. Hier werden stark individualisierte Sklerallinsen angepasst, um anschließend Aberrationen höherer Ordnung zu korrigieren, wodurch im Ergebnis die Bildqualität gesteigert werden soll. Auch wenn im Rahmen der umfangreichen Posterpräsentationen bereits einige Fallbeispiele vorgestellt wurden, gibt es zurzeit keine größeren Untersuchungen zur Effizienz der Korrektion der Aberrationen höherer Ordnung. Damit sind die beteiligten Unternehmen, die die Hardware, Software und letztlich auch die Skleral-linsen herstellen, innovative Vorreiter. Interessante Perspektiven könnten sich künftig insbesondere für die Sklerallinsenträger ergeben, die trotz eines hohen Visus nicht mit der Bildqualität zufrieden sind.
Wohin geht die Entwicklung?
Das GSLS 2025 hat eindrucksvoll gezeigt, dass Indi-vidualisierung von Kontaktlinsen der Schlüssel zur Optimierung der Sehversorgung bei anspruchsvollen Versorgungen ist. Der Trend geht in Richtung KI-ge-stützter Anpassverfahren, verbesserten Materialien und innovativen Pflegekonzepten. Augenoptikerinnen und Optometristen eröffnen sich noch mehr Möglich-keiten, präzisere Anpassungen mit einer erweiterten Palette an Möglichkeiten für individuelle Lösungen anbieten zu können. Die vorgestellten Entwicklungen dürften sich in den kommenden Jahren in der Praxis etablieren und die Kontaktlinsenanpassung nachhaltig verändern.
Der Termin für das Global Specialty Lens Symposium 2026 steht bereits fest, es findet vom 7. bis 10. Januar wieder in Las Vegas statt.
Zwei Frauen, die ausgezeichnete Forschungsarbeit leisten
Für herausragende wissenschaftliche Leistungen wurden im Rahmen des Symposiums Loretta Szczotka-Flynn („GSLS Award of Excellence“) und Kate Gifford („GSLS Rising Star Award“) ausgezeichnet. Szczotka-Flynn erhielt die Ehrung für ihre langjährige und umfangreiche Forschungsarbeit in den Bereichen Spezial linsen, Keratokonus, irreguläre Hornhaut und Hornhauterkrankungen. Gifford bekam die Auszeichnung für ihre Grundlagenforschung im Bereich Myopie und ihre Beiträge zur Erforschung und Aufklärungsarbeit im Bereich Myopie-Management.

Autor: Stefan Schwarz
FAAO, MCOptom, ist in der eigenen Opto metriepraxis in Hildesheim tätig. Er erhielt seinen Abschluss als Dipl.-Ing. (FH) 1989 an der Hochschule Aalen. Nach mehrjährigen Fortbildungen in Großbritannien und den USA konnte er sich erfolgreich als Fellow der American Academy of Optometry (FAAO) und Member des College of Optometry (MCOptom) qualifizieren.