Normal ist langweilig: Kreuzberg Kinder

Kreuzberg Kinder Modell trägt Brille der Evolution-Kollektion
Kreuzbergt Kinder präsentiert auf der Opti seine neue Kollektion "Evolution".
© Kreuzberg Kinder

Normal zu sein, bedeutet mit dem zufrieden zu sein, was einem geboten wird. Meistens ist es nicht mehr als der einfache und sichere Weg zur Monotonie. Brillen, die ausgefallen sind, aber doch tragbar und günstig – laut Gili Shani gibt es das bisher nicht. Also gründete er vor mehr als zwei Jahren sein eigenes Label „Kreuzberg Kinder“.

Kreuzberg Kinder – ein Name, der hängen bleibt. Kreuzberg ist der Berliner Stadtteil, der sehr von der alternativen Künstlerszene lebt; kaum ein Viertel ist so multikulturell geprägt wie dieses. Vor 16 Jahren ist Gili Shani von Tel Aviv nach Kreuzberg gekommen. Heute ist er einer der fotografischen Avantgardisten der Berliner Nachtszene. Doch eins störte ihn immer: Er fand nie wirklich ausgefallene und coole Brillen. Zu klein, zu klassisch oder zu langweilig – da entstand die Idee eines eigenen Brillenlabels. Ende 2016 nutzte der Fotograf Shani seine Kontakte, denn von der Branche wusste er nur wenig. Die Idee besprach er mit seinem Bruder, der seit 20 Jahren als Handelsvertreter für Fassungshersteller arbeitet. Shani holte sich zwei Partner aus Italien und Israel zum Projekt, als Designerin stieß die Italienerin Ioana Serbanescu dazu, eine Augenoptikerin mit knapp 19 Jahren Berufserfahrung. Der Markenname „Kreuzberg Kinder“ war schnell gefunden. „Ich lebe seit 16 Jahren in Kreuzberg, das ist meine Nachbarschaft. Kreuzberg ist einzigartig. Meine Freunde sind alles Künstler oder Partypeople. Kein anderes Viertel ist so wie Kreuzberg, auch wenn sich gerade viel verändert“, erklärt Shani. Das Label steht für die Liebe zum Bezirk, für die Menschen und die Kultur – hier fühlt sich der gebürtige Israeli zu Hause.

Inspirationsquellen: 70er, 80er und 90er Jahre

Gili Shani
Mitgründer und Fotograf Gili Shani
repräsentiert das Label Kreuzberg
Kinder nach außen. © Kreuzberg Kinder

Das spiegelt sich in den Kollektionen wider: Fassungen mit großen Gläsern, die ein Statement setzen. Groß müssen sie sein, anders und keinem Trend folgend– die Designs sind unkonventionell, dominant, doch auch klassische, kleinere Formen finden ihren Platz. „Heute sehen alle Fassungen gleich aus, überall nur dezente Brillen. Es ist nicht mehr einzigartig. Normales langweilt mich einfach.“ Nicht nur das Design fällt auf, sondern auch der Preis. „Wir bieten ein tolles Design mit Qualität zu einem sehr guten Preis“, erklärt Serbanescu. Die Inspirationen ziehen die beiden aus der Vergangenheit: „Wir lassen uns von den Designs der 70er, 80er und 90er Jahre inspirieren“, erklärt die 36-Jährige. „Ich arbeite viel mit meinen Gefühlen. In der Kollektion ,Level 2‘ gibt es viele unterschiedliche Modelle mit komplett unterschiedliche Styles. Genau das mag ich. Ich mache mir nichts aus Trends und versuche nicht irgendjemandem nachzueifern“, sagt Shani. „Wir haben Fassungen für jeden. Wir haben keine Regeln, wir wollen keine Kollektionslinien, die sich nur minimal unterscheiden.“

Die Kollektionen bestehen aus Korrektionsfassungen und Sonnenbrillen. Als Materialien nutzt Kreuzberg Kinder Mazzucchelli-Acetat, Edelstahl und Titan, vereinzelt werden Acetat und Edelstahl gemixt, produziert wird in China. Das Designteam besteht aus Ioana Serbanescu Shani lieferte immer wieder interessante Ideen, da werden auch schon mal nächtliche Nachrichten mit Inspirationen aus alten Filmen verschickt. Viele Fassungen der Kollektionen sind als Unisexmodelle erhältlich, doch den Kunden seien klare Zuordnungen der Geschlechter lieber, sagt die Designerin. Gerade lancieren die Wahlberliner die neue Kollektion „Evolution“, die ab November erhältlich ist. „Es geht immer darum, einen Schritt weiter zu gehen“, erklärt die Italienerin. „Wir wollen unsere Vision nicht ändern, aber wir wollen besser werden – deshalb der Name Evolution.“ Es ist die vierte Kollektion, nach „Level 1“ und „Level 2“ und einer Capsule Collection.

Shootings: „Ich will Geschichten erzählen“

Aufmerksamkeit erregen auch die Kampagnenbilder des Berliner Labels: Sie sind provokant, stellen die Handschrift des Mitgründers und Fotografs Shani dar. Die Fassungen werden auf den Fotos immer von starken Persönlichkeiten getragen, die perfekt mit den Modellen harmonieren. „Bei meinen Fotos konzentriere ich mich nicht auf die typischen Close-ups, denn ich will Geschichten erzählen und das ist sehr untypisch für Fassungsshootings“, erzählt Shani. So habe auch gleich zu Beginn ein großer Augenoptiker in Mailand sein komplettes Geschäft mit den Fotos dekoriert. „Schaut euch einfach die Fotos an, so würde niemand in der Branche Fassungen darstellen. Wir fallen damit auf und den Leuten gefällt es.“ Anders als bei den vorherigen Kollektionen, sind die Kampagnenbilder nicht im Studio entstanden. „Wir wollten in Tschernobyl fotografieren, denn es sollte nach dem Ende der Welt aussehen“, erklärt Shani. „Aber von der Idee waren nur wir beide begeistert“, fügt Serbanescu schnell hinzu. Doch schließlich fanden sie eine geeignete Location außerhalb Berlins, die der Vision einer Apokalypse entsprach.

Kreuzberg Kinder Designerin Iona Serbanescu
Ioana Serbanescu, Designerin von Kreuzberg Kinder © Kreuzberg Kinder

Bisher konzentriert sich das Label nicht auf einen bestimmten Markt. In Deutschland sind sie bisher noch wenig vertreten, da auch noch nicht der richtige Handelsvertreter gefunden wurde. „Kreuzberg Kinder ist eher etwas für Augenoptiker, die mit Independent Labels zusammenarbeiten“, findet Shani. In Australien, Russland, England und Griechenland und weiteren osteuropäischen Ländern ist das Berliner Unternehmen gut vertreten. Zusätzlich hat das Label einen Concept-Store in Berlin eröffnet. Allerdings nicht in Kreuzberg. „Natürlich haben wir versucht ein Geschäft in Kreuzberg zu finden, aber das ist unmöglich. Wir haben den Concept-Store am Alexanderplatz eröffnet und es ist super. Hier am Alex ist es niemals langweilig“, berichtet der Mitgründer. Für die Zukunft sind erst mal „kleine“ Schritte geplant. „Ich will am nächsten Morgen aufwachen“, gibt Gili trocken zu. Die Designerin fügt lachend hinzu: „Natürlich hoffe ich auch, dass Gili am nächsten Morgen wieder aufwacht.“  Doch der Fokus liegt nicht allein auf Deutschland: „Wir wollen uns auf die Arbeit konzentrieren und mehr Märkte erschließen“, so Gili. „Wir wollen uns weiter verbessern. Wir haben noch einen langen Weg vor uns, um perfekt zu werden“, glaubt Serbanescu. Der nächste Schritt geht von der Hauptstadt in den Süden: Zum ersten Mal wird Kreuzberg Kinder auf der Opti 2020 in München ausstellen.