Wie ein Routine-Screening Leben retten kann Neue Serie: Tatort Auge – interdisziplinäre Einblicke

© Adobe Stock / michaelheim/ Hintergrund KI-erweitert

Erstveröffentlichung in der DOZ 07/2025

Eine 60-jährige Frau ließ im Rahmen einer Brillenanpassung bei ihrem Augenoptiker auch ein Ocumeda-Augenscreening durchführen. Die Kundin hatte keinerlei Beschwerden. Ihre subjektive Sehfähigkeit war gut, und auch ihre medizinische Vorgeschichte wies keine Auffälligkeiten auf. Die objektiven Befunde waren zunächst ebenfalls unauffällig.   

Refraktion:
Rechts: Sph: +1,25 dpt; Cyl: -0,50 dpt; A: 15°; Visus 0,9
Links: Sph: +1,25 dpt; Cyl: -0,25 dpt; A: 60°; Visus 1,0

Augeninnendruck: Beidseits 14 mmHg (korrigiert um die Hornhautdicke)

Bei der anschließenden Fundusaufnahme zeigte sich allerdings etwas Unerwartetes. Rechts streifige, flammenförmige Blutungen im Bereich oberhalb der Makula sowie ein zartes Makulaödem; zudem links leichte Gefäßveränderungen.

Blutungen auf der Netzhaut können zahlreiche Ursachen haben, von weniger dringlichen bis hin zu akut behandlungsbedürftigen Gefäßerkrankungen. Gerade deshalb ist eine ärztliche Befundung essenziell, um zwischen weniger dringlichen und hochgradig bedrohlichen Veränderungen unterscheiden zu können. Im vorliegenden Fall ließen Ausmaß und Form der Blutungen auf eine schwerwiegende Ursache schließen. Die ärztliche Auswertung des Ocumeda-Screenings klassifizierte den Befund als „rot“: akuter Handlungsbedarf.

Die Kundin erhielt umgehend einen medizinischen Bericht und wurde telefonisch über die Notwendigkeit informiert, sich beim Haus- oder Augenarzt vorzustellen. Diesem Rat folgte sie: Der weiterbehandelnde Augenarzt vor Ort bestätigte mittels optischer Kohärenztomographie und Fluoreszenzangiographie einen retinalen Venenastverschluss mit begleitendem Makula ödem. Die sofort eingeleitete Therapie, eine wiederholte Medikamentengabe in den Glaskörper, führte zur Stabilisierung der Sehfunktion und im weiteren Krankheitsverlauf sogar zu einer leichten Verbesserung des Visus.

Es zeigen sich am rechten Auge flammförmige Blutungen im oberen Bereich der Makula. Links sind leichte Veränderungen der Netzhautgefäße erkennbar.

© Ocumeda GmbH

Mehr als nur ein Augenbefund

Generell sollte bei Auftreten eines retinalen Venenverschlusses immer auch eine zeitnahe Abklärung auf das Vorliegen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen erfolgen. Die empfohlene umgehende hausärztliche Abklärung führte in diesem Fall zur Diagnose bisher unerkannter Herzklappenfehler. Eine ernsthafte Erkrankung, die ohne Behandlung zu einer Herzschwäche führen kann.

Dank des Screenings konnte also nicht nur ein augenärztlich relevanter Befund frühzeitig behandelt, sondern auch eine potenziell lebensbedrohliche internistische Erkrankung entdeckt werden – lange bevor Symptome auftraten. „Neben der Bestätigung des erstellten Augenbefundes wurden tatsächlich bis dato unbekannte kardiologische Probleme erkannt, die nun behandelt werden“, berichtet die Augenoptikerkundin. „Meine Sehkraft hat sich durch das schnelle Handeln guter Augenärzte verbessert.“

Netzhautveränderungen wie ein Venenastverschluss treten häufig plötzlich auf. Die Patientinnen und Patienten bemerken ihre Erkrankung meist erst, wenn es bereits zu deutlichen Sehstörungen oder Gesichtsfeldausfällen gekommen ist. Die Früherkennung solcher Veränderungen ist jedoch entscheidend für eine erfolgreiche Therapie. Ein Screening mit ärztlicher Befundung ermöglicht es, bereits in frühen, symptomarmen Stadien einzugreifen. Sei es bei Gefäßerkrankungen wie einem Venenverschluss oder bei anderen Ursachen retinaler Blutungen. Denn nicht jede Netzhautblutung ist ein Notfall, doch manche erfordern sofortiges Handeln. Die ärztliche Differenzierung anhand der Bildgebung ist daher von zentraler Bedeutung, um die Dringlichkeit einer augenärztlichen Vorstellung richtig einzuschätzen.

Ein Venenastverschluss entsteht typischerweise durch die Kompression einer Vene durch eine benachbarte, arteriosklerotisch veränderten Arterie an einer Gefäßkreuzung. Diese mechanische Engstelle führt zu einem Blutstau mit nachfolgenden Gefäßleckagen, Blutungen und Flüssigkeitsansammlungen in der Makula. Häufig ist dies mit einem Visusverlust verbunden. Hauptrisikofaktoren sind: [1] Bluthochdruck (arterielle Hypertonie), Fettstoffwechselstörungen (Hyperlipid ämie), Diabetes mellitus, Glaukom (vor allem bei erhöhtem Augeninnendruck), Rauchen sowie ein Alter über 60 Jahre.

Laut der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) liegt die Inzidenz eines retinalen Gefäßverschlusses bei etwa 0,5 Prozent der über 40-Jährigen, mit steigender Tendenz im höheren Lebensalter. Nach der diabetischen Retinopathie ist der Venenastverschluss die zweithäufigste Gefäßerkrankung der Netzhaut bei Erwachsenen. [2] Internationale Fachgesellschaften weisen darauf hin, dass ein Venenastverschluss oft der erste Hinweis auf eine systemische Gefäßerkrankung ist und betonen die Notwendigkeit einer engeren Zusammenarbeit zwischen Augenärzten, Hausärzten und anderen Gesundheitsberufen. [3,4]

Ein Blick, der Leben verändern kann

Was als harmlose Vorsorge begann, entwickelte sich zu einem Wendepunkt im Leben der Patientin. Weil die Probleme im Rahmen eines augenärztlich- begleiteten Augenscreenings beim Augenoptiker frühzeitig erkannt wurden, konnten nicht nur augenärztliche Komplikationen abgewendet, sondern auch internistische Risiken aufgedeckt und rechtzeitig behandelt werden. Dieser Fall zeigt, welch unschätzbaren Wert moderne Vorsorgeangebote in der Augenoptik haben. Dies insbesondere dann, wenn sie mit medizinischer Expertise verzahnt sind. Früherkennung funktioniert – manchmal reicht dafür ein einziger Blick auf den Augenhintergrund.

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Literatur und Quellen

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  1. Kanski, J., Bowling, B. (2020): Klinische Ophthalmologie. 9. Auflage. Elsevier.
  2. Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft (DOG). Informationsportal der DOG. Verfügbar unter: https://dog.org
  3. American Academy of Ophthalmology. Preferred Practice Pattern Guidelines: Retinal Vein Occlusions. AAO Retina/Vitreous Panel, 2023.
  4. Schmidt-Erfurth, U. et al. (2018): Augenheilkunde. 2. Auflage. Springer Verlag.

Geschrieben von

Imke Domianus

Imke Domianus

Dr.

Imke Domianus, Fachärztin für Augenheilkunde, promovierte 2000 zu Notfällen, wirkte 2019 an „Kanskis Klinische Ophthalmologie“ mit und gehört seit 2025 zum Team der Ocumeda GmbH.

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