Nachhaltigkeit in der Augenoptik: Wo Katharina, Bernd und Marina (heim-)leuchten

Erstveröffentlichung in der DOZ 06|2025.
Leuchttürme in Deutschland haben zumeist wenig persönliche Namen, in der Regel heißen sie wie ihr Standort (Amrum, Hörnum, Dagebüll) oder wie die Gesteinsformation, auf der sie fußen (Nordmarsch, Kalkgrund, Großer Vogelsand). Das ist bei den Leuchttürmen der Augenoptik in Deutschland anders, sie sind eindeutig personalisiert und heißen „Katharina“, „Bernd“ und „Marina“. Ohne diese konkreten Namen zu nennen, hat das vor zwei Jahren der Sachbericht zum Projekt „Ressourceneffizienz, Klimaschutz und ökologische Nachhaltigkeit im Gesundheits wesen“ herausgefunden, der von der Viamedica Stiftung im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums erstellt wurde. Unter Punkt 5.10 bei den Ergebnissen heißt es dort im Fazit zum Bereich Hilfsmittelversorgung (Augenoptiker/Sanitätshäuser/ Hörakustiker; gemeint sind jeweils die Fachbetriebe): „Es gibt zwar einzelne sehr engagierte Akteure, die in Sachen Klimaschutz vorangehen und eine Vielzahl an Maßnahmen umsetzen. Diese Leuchtturmprojekte sind jedoch noch deutlich in der Minderheit.“
Katharina (Pech; Brillenkammer Berlin), Bernd (Angst; Optik Angst in Deißlingen) und Marina (Riedinger; Optik Riedinger in Pfullingen) sind nach Wissen unserer Redaktion die einzigen Augenoptiker in Deutschland, die einen Nachhaltigkeitsbericht nach DNK Kriterien (Angst, Riedinger) bzw. einen Gemeinwohl Bericht nach GWÖ-Kriterien (Pech) weitestgehend aus eigener Kraft er stellt haben. „Aus eigener Kraft“ ist hier bedeutsam, weil es sich sowohl vom zeitlichen als auch vom organisatorischen Aufwand her tatsächlich um Kraftakte handelte – die DOZ hat zumindest über die Aktivitäten der beiden Augenoptikermeisterinnen ausführlich berichtet. Lohn der Mühe: ein ebenso tiefer wie analytischer Einblick in den betriebswirtschaft lichen Herzschlag ihres Unternehmens anhand der 20 DNKKriterien, die von „Strategie / Ziele“ und „Tiefe der Wertschöpfungskette“ über „Innovations und Produkt management“ sowie „klimarelevante Emissionen“ bis hin zu „Mitarbeiterbeteiligung“ und „Sozialbelange“ reicht, aufgedröselt in etliche Unterpunkte. Viel mehr geht eigentlich nicht.1
Etliche andere, um das nicht zu unterschlagen, machen das, was ihnen möglich ist mit einem Aufwand, der ihnen erträglich ist. Sie drehen an einzelnen Stellschrauben der Nachhaltigkeit, stellen die Beleuchtung auf LED um, führen das papierlose Büro ein, achten darauf, „Made in Germany“ oder zumindest „Made in Europe“ einzukaufen, verwenden Verpackungsmaterial mehrfach, bieten ihren Kunden nachfüllbare Brillen sprays an. Für die Gesamtheit der Augenoptik Betriebe (inklusive Sanitätshäuser und Hörakustiker) kommt der Bericht der ViamedicaStiftung allerdings zu dem Urteil: „Aufgrund fehlender zeitlicher und personeller Ressourcen werden noch zu wenige Maßnahmen zu Klimaschutz, Ressourceneffizienz und ökologische Nachhaltigkeit umgesetzt.“ Und selbst die nimmer müde Marina Riedinger, angesprochen darauf, dass sie doch eigentlich schon wieder an einem Update ihres DNKBerichts von 2021 arbeiten müsste, dessen Vorgaben eine zweijährige Aktualisierung erfordern, erwidert: „Jo, noi, eigentlich …“
„Aktivitäten fester verankern“
Angetreten, mehr Augenoptiker zum Mitmachen zu bewegen ist nun ein Akteur, der bislang nicht in der allerersten Reihe der Nachhaltigkeitsverfechter zu finden war. Der Zentralverband der Augenoptiker und Optometristen hat im vergangenen Jahr die Broschüre „Verantwortungsvolle Betriebsführung – Nachhaltigkeit in der Augenoptik“ an den Start gebracht, mit der der ZVA seine Mitglieder aufruft „nachhaltige Aktivitäten noch fester in Ihrem Betrieb zu verankern“. Dafür hat der Verband auf 36 Seiten Anregungen sowie „verschiedenste Maßnahmen aus einer Studie zusammen getragen, die das Portfolio der Augenoptiker erweitern können“. Bei der Studie, auf die der ZVA sich bezieht, handelt es sich um den eingangs vorgestellten Sachbericht der ViamedicaStiftung; beide Organisationen hatten sich im Erhebungszeitraum vertrauensvoll ausgetauscht. Der Zentralverband hatte das Thema Nachhaltigkeit nach der Initialzündung durch die Stiftung auf der Frühjahrssitzung 2023 des betriebswirtschaftlichen Ausschusses zum zentralen Tagesordnungspunkt erhoben. Zwölf Monate und etliche „durchaus kontroverse“ Diskussionen später legte der ZVA die Broschüre vor. Genauso hatte es sich im übrigen das beauftragende Gesundheitsministerium auch vorgestellt: „Das Ziel soll sein, weitere Maßnahmen zu entwickeln und die einzelnen Bereiche ins Handeln zu bringen.“
Ob das reichen wird, um mehr Dynamik in die Trans formation der Betriebe zu bringen? Gerade die älteren Inhaberinnen und Inhaber werden sich beim Lesen der Broschüre die Frage stellen, ob sie noch bereit sind, einen langwierigen und nicht zu unterschätzenden Veränderungsprozess einzuleiten: Nicht immer sind die vorgeschlagenen Maßnahmen in ihrer Wirkung gleich effektiv, oft hängt es von den individuellen Voraussetzungen und Gegebenheiten ab. Nicht selten müssen externe Berater hinzugezogen werden, nicht immer passen die sinnvollen Maßnahmen zu den traditionellen Firmenwerten und der Unternehmens kultur. Das alles sind Überlegungen, die auch der ZVA nicht verschweigt. Er setzt allerdings darauf, dass Handlungsdruck noch von dritter Seite erzeugt wird, nämlich von den Verbrauchern: Entscheiden Sie sich für eine nachhaltige Unternehmensführung, „um den veränderten Wünschen und Bedürfnissen Ihrer Kunden zu entsprechen“. Was das angeht, berichten Inhaber indes von durchaus unterschiedlichen Erfahrungen und Reaktionen. Unvergessen in der Redaktion der DOZ der Erlebnisbericht einer Inhaberin, die ihre Azubis zur Einführung der Sea2SeeKollektion aus recyceltem Plastik beauftragte, die Schaufenster stilecht mit Sand, Fischernetzen und eben Plastikmüll zu dekorieren. Die Reaktion der Kunden in einer gut situierten Kleinstadt in NRW? „Warum haben Sie denn den ganzen Dreck da reingestellt, streikt die Müllabfuhr wieder?“
Vermutlich werden also Katharina, Bernd und Marina auf längere Sicht die einzigen Leuchttürme bleiben, die mit ihrem (Be)Richtfeuer glänzen. Immerhin spenden sie ihren Kolleginnen und Kollegen genug Licht in der düsteren Nachhaltigkeitssteppe, dass diese ihre eigenen (gerne solarbetriebenen) Lampen aufstellen können. Erfreulich wäre es natürlich, allein schon wegen des Wir-Gefühls, würde sich die Branche unter einem gemeinsamen Siegel versammeln. Dieses Angebot gibt es bereits: Die von Pricon Chef Matthias Köste ins Leben gerufene „Optic.Family“ (www.optic.family) bietet ein Fünf Stufen Modell vom Klimafreund bis zum Klimaheld, je nach Intensität des Engagements – es muss nur noch mit nachhaltigem Leben gefüllt werden.
1 Und tatsächlich besteht für einen handelsüblichen Handwerksbetrieb i. d. R. keine Berichtspflicht, die EURichtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRDRichtlinie) setzt die Schwelle deutlich höher an: Bislang waren hauptsächlich kapitalmarktorientierte Unternehmen ab 500 Mitarbeitern berichtspflichtig, zum Jahresbeginn 2025 wurden auch bilanzrechtlich ähnlich große Unternehmen einbezogen. Laut BMJ werden dieses Jahr rund 15.000 Firmen in Deutschland berichtspflichtig