Brillenmanufaktur in Rudersberg-Oberndorf

Mutig: Augenoptiker gründet Betrieb während Corona

Ein Augenoptiker, der während der Pandemie einen Laden eröffnet? Ganz schön mutig dachte sich die DOZ und hat Matthias Radlinger nach seinen Erfahrungen gefragt. Seit Ende September betreibt der Geschäftsführer die Brillenmanufaktur.
Raimon Ahrens und Matthias Radlinger in der Brillenmanufaktur

Der Rudersberger Bürgermeister Raimon Ahrens (l.) hat Matthias Radlinger im Rahmen der Eröffnung in der Brillenmanufaktur besucht. Wegen der Corona-Beschränkungen konnte keine klassische Eröffnungsfeier stattfinden.

© Brillenmanufaktur

Einschränkungen und Schließungen: Die Corona-Pandemie bringt viele Unsicherheiten mit sich, vor allem für Unternehmer. Doch Augenoptiker Matthias Radlinger ließ sich davon nicht abhalten und eröffnete Ende September dieses Jahres die Brillenmanufaktur in Rudersberg-Oberndorf. „Wäre ich ein Jungunternehmer, dessen Existenz von dem Erfolg des neuen Ladens abhängen und ein zu tilgendes Darlehen im Raum stehen würde, hätte ich vielleicht anders gehandelt", erklärt der 43-Jährige im Gespräch. "Aber neben unseren zwei anderen Standbeinen wusste ich, dass der Laden mittelfristig funktionieren wird und so konnte ich mit mehr Sicherheit und weniger Druck an das Projekt herangehen."

Nach dem Besuch der Meisterschule gründete er LensLab, sein erstes eigenes Unternehmen in München. Seit 2004 verglast der Inhaber Fassungen für andere Augenoptiker, bietet ihnen seinen Einschleifservice an. Daneben fertigt und verkauft er maßgefertigte Sonnenclips für Brillen unter dem Namen „COLORClip“. Im Sommer 2019 entstand dann die Idee, parallel zur zum Einschleifservice noch einen Laden aufzumachen. „Der Verkauf hat mir immer wahnsinnig viel Spaß gemacht, vor allem die Arbeit mit den Kunden. Ausschließlich in der Werkstatt zu arbeiten, da hätte mir einfach etwas gefehlt".

2010 ist Radlinger mit seiner Familie nach Rudersberg bei Stuttgart umgezogen, bis er 2016 die hauseigene Werkstatt in den neuen Heimatort umgesiedelt hat. Er entschied sich anschließend, die Brillenmanufaktur in Eigenregie auf seinem Grundstück aufzubauen, doch während der Planung zeichnete sich allmählich die Corona-Situation ab. „Als ich dann loslegen wollte, stand die Pandemie schon vor der Tür. Da ist man natürlich erstmal vorsichtig, bevor man riesige Summen in ein Projekt investiert. Man fragt sich dann natürlich, was kommt jetzt auf einen zu, wenn es zum Lockdown kommt – wie lange wird dieser gehen und wie wird die Zeit danach.“

Corona-Zuschuss beantragt

Mit dem ersten Lockdown im Frühjahr und den schließenden Augenoptik-Fachgeschäften habe er entsprechend wenige Aufträge zum Verglasen bekommen und die freie Zeit für den Bau des Ladens genutzt. Von März bis Juli dauerte der Umbau des Seitenflügels des Hauses in einen Verkaufsladen. Finanzielle Hilfe in Form eines Corona-Zuschusses habe Radlinger über das Soforthilfe-Programm des Bundes für Kleinstunternehmen und Soloselbstständige bezogen, allerdings nur für LensLab. Bei der Beantragung anderer Finanzhilfen für die Brillenmanufaktur sei der Gründer in der Vergangenheit mehrmals gescheitert, beispielsweise an einem Zuschuss für Jungunternehmer, da er selbst schon über die Drei-Jahres-Grenze als Selbstständiger eingestuft wurde oder er wollte weniger Geld investieren, als manche Förderprogramme voraussetzen.

Um die Verbraucher auf sich aufmerksam zu machen, setzt der Betrieb seit der Eröffnung neben Mundpropaganda und Weiterempfehlungen der Kundschaft auf Werbeanzeigen in klassischen sowie Online-Medien, in sozialen Netzwerken und anderen Kanälen, was nach Radlingers Angaben gut funktioniere, weiter noch seine Erwartungen übertreffe, denn die Kundenanfragen nähme stetig zu. „Wenn man etwas gut und mit Sorgfalt macht, kommen die Leute bewusst auf einen zu“, ist der Unternehmer überzeugt. „Bei einem Produkt wie der Brille, das sehr persönlich ist, hat man als Verbraucher einen konkreten Bedarf. Da muss man nicht im Ortskern sitzen, um seine Kunden immer wieder im Laden zu haben.“

Kundenbesuche nur mit Termin

Der Inhaber arbeite zudem von Anfang an und ausschließlich per Terminvergabe. Kunden können online einen Termin ausmachen, diese seien großzügig geplant, um sich voll und ganz auf die individuellen Bedürfnisse einlassen zu können. Das habe einen großen Vorteil, sagt er, denn die Kunden kommen mit konkreten Wünschen und die Verkaufsrate liege aktuell bei 100 Prozent. „Dadurch, dass wir alles an einem Standort gebündelt haben, sind wir innerhalb von Sekunden im Laden zu den Terminen. Wir sparen Zeit und können diese anderweitig nutzen, wenn kein Kunde da ist. Hier im Wohngebiet fällt die Laufkundschaft sowieso nicht groß aus, da macht es für uns nur Sinn mit Terminen zu arbeiten – auch nach der Corona-Situation.“

Als Augenoptiker ist man wie ein Zauberer, der den Menschen das gute Sehen in den Alltag zurückbringt.

Matthias Radlinger

Neben den Fassungen der zwölf verschiedenen Labels, die der Geschäftsführer „bewusst gewählt habe“, zählen auch Brillen der Eigenmarke Waldenstone zum Sortiment der Brillenmanufaktur. Abgeleitet vom Ortsnamen Burgwaldenstein, ist das Label eine Hommage an die lokale Geschichte und die Heimat des Unternehmens. Produziert werden die Fassungen bei Frischkorn + Mittelman, einem Hersteller, der Augenoptikern die Möglichkeit bietet, aus einer großen Kollektion eine eigene Linie aus ausgewählten Fassungen zu erstellen. 

Auf die Frage, was ihm besonders Spaß an seinem Beruf macht, antwortet der Augenoptiker merklich bewegt: „Dass ich Menschen glücklich machen kann. Man zaubert ihnen eine Brille ins Gesicht, mit der sich wohlfühlen und die ihre Persönlichkeit unterstreicht." Rückblickend würde er "defintiv" wieder während Corona gründen und ein Geschäft eröffnen.