Ergebnis "ausreichend"

Gesundheitskompass des WDR testet vier Augenoptiker

Sehen – aber nur ausreichend? Dieser Frage geht Oberarzt Doc Esser in einer aktuellen Folge des WDR-Gesundheitskompass nach. Zusammen mit einer Augenärztin und einer Augenoptikerin testet er die Beratungs- und Glasqualität von vier Augenoptikgeschäften, darunter ein inhabergeführter Betrieb und drei große Ketten. Das Ergebnis fällt negativ aus - für die Ketten.
Doc Esser

Im WDR Gesundheitskompass prüfte "Doc Esser" mit einer Augenoptikerin und einer Augenärztin vier verschiedene Augenoptiker. Die fertigen Brillen mussten dann noch dem Gutachter stand halten.

© Screenshot WDR-Aufzeichnung

"Wir sind in Deutschland, was die Brillenversorgung angeht, gerade mal ausreichend versorgt – also Schulnote vier!", sind sich Dr. Heinz-Wilhelm Esser, bekannt als Doc Esser, Oberarzt in einer Remscheider Klinik, Augenärztin Dr. Uta Solbach und Augenoptikerin Christine Danecker nach dem Test einig. Bei den knapp 11.000 Optikerbetrieben bundesweit biete laut Doc Esser nicht jeder die individuelle Brille an, die wirklich gebraucht wird. Das Team testete vier verschiedene Anbieter – ein freies Augenoptikgeschäft und die drei großen Ketten Apollo, Smile Optic und Eyes + More – um herauszufinden, wie gut die Sehtests und Glasberatung sind.

Die Ergebnisse im Überblick

Freies Augenoptikgeschäft: Hier wurde der Sehtest besonders gründlich durchgeführt – ohne digitale Technik. Die Beratung war umfassend, der Bedarf der Kundin stand im Mittelpunkt. Auch die günstigste Glasvariante konnte risikofrei getestet und bei Bedarf aufgewertet werden. Dr. Solbach zeigte sich beeindruckt von der fachlichen Kompetenz.

Smile Optic: Die Messung fand im unruhigen Verkaufsraum statt und bei der Beratung wurden individuelle Wünsche kaum berücksichtigt. Eine Gleitsichtbrille wurde pauschal abgelehnt mit der Begründung, die Kundin sei mit 40 Jahren „zu jung“ dafür. Dr. Solbach kritisierte diese Aussage deutlich, da Beschwerden individuell betrachtet werden müssten – unabhängig vom Alter.

Eyes + more: Die Messung fand in ruhiger Umgebung statt und dauerte über 20 Minuten. Die Beratung war freundlich und aufmerksam, wenn auch aufgrund eingeschränkter Auswahlmöglichkeiten bei den Gläsern eher knapp. Die Testerin fühlte sich gut aufgehoben.

Apollo: Der Sehtest war mit knapp zehn Minuten vergleichsweise kurz. Die Beratung verlief unstrukturiert, der Verkaufsraum war überfüllt und laut. Zwar wurden mehrere Glasvarianten angeboten, doch eine auf die Kundin zugeschnittene Empfehlung blieb aus. Die Testerin zeigte sich nach dem Termin überfordert – zu viele Optionen, zu wenig Orientierung.

Screenshot Dauer Refraktion

Je nach augenoptischem Geschäft variierte die Refraktionsdauer zwischen zwei bis 22 Minuten.

© Screenshot WDR-Ausstrahlung

Die Brille – ein soziales Problem?

Laut Dr. Esser fordern Sozialverbände und Gesundheitsexperten seit Langem eine gerechtere Brillenversorgung. Besonders für Menschen mit geringem Einkommen stellen die aktuellen Regelungen eine Hürde dar. Das Bundesgesundheitsministerium äußerte sich dazu zurückhaltend: Man könne die finanziellen Auswirkungen möglicher Änderungen nicht sicher abschätzen. Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung gab keine Stellungnahme ab. Augenoptikermeister Thorsten Hoge erklärte im Interview, dass die Kassenleistungen oft nur die unterste Qualitätsstufe abdeckten. Viele Augenoptiker verzichteten bewusst auf Verträge mit den Krankenkassen – der Aufwand sei zu groß, der finanzielle Nutzen zu gering. Häufig wüssten selbst Patienten und einige Augenärzte nicht, unter welchen Bedingungen Zuschüsse möglich seien. Dennoch böten viele Krankenkassen Bonusprogramme oder günstige Zusatzversicherungen an, bei denen es sich, so Dr. Esser, lohne, genau nachzufragen. Ebenso sinnvoll sei es, den Augenoptiker oder die Augenoptikerin zu fragen, ob ein Vertrag mit der jeweiligen Kasse besteht.

Einschätzung des Gutachers

Um die Qualität der im Test verkauften Gleitsichtbrillen im Detail zu prüfen, sah sich Wolfgang Hirt, Augenoptikermeister und vereidigter Gutachter, die Sehstärke genauer an. Das Ergebnis:

  • Bei der günstigen Brille von Apollo für 150 Euro sah die Testerin alles verschwommen und auch bei der teuren Brille von Apollo für 700 Euro fügten sich die Bilder nicht richtig zusammen. Das Sehen wurde als unangenehm bezeichnet. Laut des Gutachters fehlten auf dem linken Auge -0,50 Dioptrien.
  • Beim freien Augenoptiker hatte Christine einen guten Seheindruck in Ferne und Nähe. Auch der Gutachter hatte nichts zu bemängeln.
  • Bei der Brille für 289 Euro von Eyes + More schwankte der Seheindruck – jedoch nicht so stark wie bei der Brille von Apollo, so das Fazit der Testerin. Zusätzlich äußerte sie das Gefühl, sehr eingeschränkt zu sein. Gutachter Hirt kommentierte, dass die Fernsicht verbessert und die Addition verringert werden sollte.
  • Zu Smile Optic gab es keine Einschätzung, da von der Gleitsichtbrille abgeraten und keine verkauft wurde.

Statements der Augenoptikbetriebe

Auf Nachfrage des WDR bei den beiden kritisierten Filialisten, erklärte unter anderem Apollo: "Für uns hat es oberste Priorität, hochwertige und präzise Sehlösungen, angepasst auf die individuellen Anforderungen und Bedürfnisse unserer Kundinnen und Kunden zu finden.“ Sollte dennoch einmal eine Brille nicht zufriedenstellend sein, könne die betreffende Person gerne eine der Filialen aufsuchen, um gemeinsam mit den Angestellten nach einer passenden Lösung zu suchen.

Beim Thema Brille den Durchblick zu behalten, ist alles andere als einfach. Gefühlt hat jeder Optiker seine eigenen Ansprüche in Sachen Beratung, Sehtest und Anfertigung der Brillengläser. Helfen könnten hier Vereinheitlichungen und Schaffen von Standards.

Dr. Esser

ZVA: große Preis- sowie Qualitätsunterschiede

Um herauszufinden, warum es so starke Unterschiede bei der Beratung, Refraktion und den Preisen gibt, suchte Dr. Esser den Zentralverband der Augenoptiker und Optometristen (ZVA) auf. Kai Jäger, Vizepräsident des ZVA, betonte, dass es bei Brillen – wie auch bei vielen anderen Gütern im Leben – große Preis- sowie Qualitätsunterschiede bei den Fassungen und Brillengläsern gäbe. Zudem erklärte er, dass sich das GKV-Prinzip nach Wirtschaftlichkeit und Notwendigkeit richte. Alles darüber hinaus sei nicht im Leistungskatalog der Krankenkassen enthalten. Nach aktuellem Stand erhalten Menschen mit hohen Fehlsichtigkeiten einen Zuschuss. Alle anderen Wünsche – wie Entspiegelungen oder dünnere Materialien (je nach Sehstärke werden auch diese teilweise bezuschusst) – müssen von den Versicherten selbst bezahlt werden.

Kai Jäger ZVA

Kai Jäger, Vizepräsident des ZVA, beantwortete die Fragen von Dr. Esser im Anschluss an den Test.

© Screenshot WDR-Aufzeichung

Dr. Esser kommenzierte an dieser Stelle: Eines habe ich bei dieser Recherche lernen müssen: Beim Thema Brille den Durchblick zu behalten, ist alles andere als einfach. Gefühlt hat jeder Optiker seine eigenen Ansprüche in Sachen Beratung, Sehtest und Anfertigung der Brillengläser. Helfen könnten hier Vereinheitlichungen und Schaffen von Standards. Das System der Zuzahlung und Rückerstattungen ist auf den ersten Blick sehr unübersichtlich. Wer aber hier im Vorfeld seine Optionen beim Optiker oder der Kasse checkt, kann unter Umständen gutes Geld sparen."

Fernab vom Thema: LASIK-OP

Neben den Brillenkäufen und der gutachterlichen Beurteilung wurde auch das Thema des Augenlaserns aufgegriffen. Dr. Esser begleitete eine junge Frau (Lea) zu ihrem Termin in einer Laserklinik. Als Grund für die Entscheidung zur Operation nannte sie ihre Abneigung gegenüber Brillen sowie die Tatsache, dass sie ihre Kontaktlinsen nicht mehr vertrug und das Fremdkörpergefühl zunehmend stärker wurde. Dr. Burkhard Schloßmacher, Ophthalmologe, Operateur und selbst Brillenträger, erläuterte die LASIK-Operation. Im Interview erklärte Dr. Schloßmacher, dass bei einem Fehler ernsthafte Probleme auftreten könnten, da dieser Eingriff irreversibel ist. Als mögliche Nebenwirkungen wurden trockene Augen, erhöhte Lichtempfindlichkeit, Doppeltsehen und eingeschränkte Nachtsicht genannt – Beschwerden, die laut ihm in der Regel nach kurzer Zeit wieder verschwinden sollen.

Den Beitrag finden Interessierte in der ARD Mediathek: Ist gutes Sehen eine Frage des Geldes?


Anmerkung der DOZ-Redaktion

Einige Punkte wurden nicht vertieft oder darüber aufgeklärt, wie etwa die gutachterliche Auswertung der Zentrierdaten der Brillen. Ein weiterer Punkt betrifft Dr. Solbachs Aussage zur Verträglichkeit der Brille, bei dem sie das Beispiel einer Gleitsichtbrille am Computer aufführt (Müsse man den Kopf anheben, könne dies Nacken-, Schulter- und Kopfschmerzen verursachen). Grundsätzlich ist die Aussage über die möglichen Beschwerden korrekt, eine Gleitsichtbrille ist aber auch nicht zwangsläufig für die Arbeit am Computer geeignet, anders als zum Beispiel Nahkomfortgläser.

Des Weiteren wurde bei der Patientin Lea nicht klar, woher die Kontaktlinsen stammten, um welche Art es sich handelte, ob sie vom Augenoptiker angepasst wurden oder ob die Problematik bei diesem bereits thematisiert wurde – all das blieb unbeantwortet. Es stellt sich zudem die Frage, warum das Lasern der Augen in einem Beitrag über Brillenversorgung thematisiert wird.