Geschäft kaufen? Ja oder Nein

Geschäftspreise: gute Lage, aber unsicherer Ausblick

Wie haben sich die Kaufpreise für augenoptische Geschäfte in Anbetracht der aktuellen Marktveränderungen, wie Personalmangel, Inflation und steigende Energiekosten, verändert? Dieser Frage sind Stefan Herburg, Diplom-Volkswirt, und Ingo Kemmer, Diplom-Kaufmann, von der AOS Unternehmensberatung in ihrer jährlichen Analyse nachgegangen.
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Interessenten prüfen genau, ob sie ein Geschäft kaufen.

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Das Interesse an augenoptischen Geschäften ist im vergangenen Jahr weitestgehend stabil geblieben, informieren Stefan Herburg, Diplom-Volkswirt und Ingo Kemmer, Diplom-Kaufmann von der AOS-Unternehmensberatung für Augenoptiker und Hörakustiker aus Dortmund. Viele Inhaber, die ihr Geschäft aus Alters- oder anderen Gründen verkaufen möchten, hätten in vielen Fällen Grund zum Optimismus. Ebenso hätten Interessenten, die ein Geschäft übernehmen möchten, sehr gute Karten, da das Angebot an Geschäften immer weiter ansteige.

Der Erfolg eines Verkaufs hänge dabei von mehreren Faktoren ab, unter anderem der Netto-Jahresumsatz spiele eine große Rolle. Hier unterscheiden Herburg und Kemmer die Geschäfte in vier Kategorien.

Bei größeren (ab ca. 800.000 Euro Netto-Jahresumsatz) inhabergeführten Geschäften sei das Interesse von Kaufwilligen ungebrochen. Hier seien fast ausnahmslos Käufer unterwegs, die bereits Geschäfte besitzen und expandieren wollen. Die Nachfrage übersteige das Angebot zum Teil deutlich, wodurch sich die Preise weiter auf gutem bis sehr gutem Niveau bewegten. Trotz allem zähle auch hier die Qualität des Objekts und es würde nicht blind gekauft. Bei mittelgroßen Geschäften (400.000 bis 800.000 Euro Netto-Jahresumsatz) kämen neben den oben genannten Investoren Existenzgründer als potenzielle Käufer hinzu. Auch hier sei die Nachfrage gut. Ein weiterer Rückgang der Nachfrage zeichne sich bei den schon seit längerem schwieriger zu verkaufenden Geschäften mit einem Netto-Jahresumsatz von 250.000 bis 400.000 Euro ab. Diese Geschäfte stünden häufig alleine im Fokus von Existenzgründern.

Je geringer der Umsatz, desto schwieriger der Verkauf

Geschäfte mit einem noch geringeren Umsatz, würden immer häufiger überhaupt keinen Käufer finden. Der Umsatz, bei dem ein Verkauf so gut wie unmöglich ist, sei in den letzten Jahren immer weiter nach oben gestiegen. Somit bleiben auch Schließungen von Geschäften weiterhin ein Thema. Inhaber, die keinen Käufer finden, könnten trotz allem durch eine gute Planung eines Räumungsverkaufs, verbunden mit einer Übergabe der Kundendaten, sowie dem Verkauf von Maschinen und Geräten einen ordentlichen Überschuss erzielen. „Auch diese Vorhaben sollte man unter Begleitung eines fachkundigen Beraters durchgeführt werden, denn hier lauern mehrere Fallstricke, die zu beachten sind“, so die AOS Unternehmensberatung.

Aktuell ginge die Zahl der Gründer weiterhin zurück. Gründe hierfür sehen Herburg und Kemmer in der Unsicherheit, wie sich die Konjunktur, die Konsumneigung der Verbraucher, die Inflationsraten und weitere Parameter entwickeln, weshalb viele ihre Gründungsüberlegungen verschieben. Leicht bessere Karten hätten hier Betriebsinhaber, die einen übernahmewilligen Mitarbeiter oder Nachfolger in der Familie haben. Doch auch hier sollte alles gründlich recherchiert und vertraglich festgehalten werden, um später ein böses Erwachen zu vermeiden.

Spezialisierung schafft hohe Bindung an den Inhaber

Ein weiterer Aspekt sei die rückläufige Mobilität der Investoren und Gründer. Die meisten Käuferinnen und Käufer suchten Betriebe, die sie vom bisherigen Lebensmittelpunkt gut erreichen können, dazu komme, dass die Work-Life-Balance an Bedeutung gewonnen hat. So würden aktiv Geschäfte mit ausreichend Mitarbeitenden in einer gewissen Größe gesucht, da dies mehr Freiraum biete.

Unternehmen mit einer ausgeprägten Spezialisierung, zum Beispiel auf optometrische Dienstleistungen oder Kontaktlinsen, seien weiterhin schwer zu veräußern, da diese Fachgeschäfte häufig eine überdurchschnittlich hohe Bindung an den Inhaber aufweisen. Trotz des „Alleinstellungmerkmals“ der Spezialisierung stelle diese Prägung ein Risiko für den Erwerber dar und er muss selbst das spezielle Know-how mitbringen. Bei diesen Betrieben ist es von noch höherer Bedeutung, das Verkäufer und Käuferin gut zueinander passen, um eine intensive Begleitung nach der Übergabe zu sichern.

Das Personal sei nach wie vor die größte Hürde bei einer Betriebsübergabe. Vor allem bei Käufern, die bereits Geschäfte haben und expandieren, würde die Wiederbesetzung der Stelle der alten Inhaberin immer mehr zu einer Herausforderung. Hinzu käme seit letztem Jahr ein neues Thema: das schnell und deutlich gestiegene Zinsniveau. Obwohl bei langfristiger Betrachtung dieses immer noch moderat sei, haben sich im letzten Jahr die Zinsen etwa verdoppelt. Das gilt auch, wenn öffentlich geförderte Programme in Anspruch genommen werden. Obendrein seien die Banken wieder vorsichtiger bei der Kreditvergabe.

Die Bandbreite der am Markt erzielten Verkaufspreise lag über alle Größenklassen und Regionen im Jahr 2022 zwischen 17 und bis über 100 Prozent eines Jahresumsatzes inklusive eines üblichen Warenbestands.

Bei den ganz großen Geschäften stelle das einen Höchststand dar, so die AOS, bei kleineren Geschäften war dieser Wert noch nie so gering. Wer jetzt denkt, der Umsatz allein würde automatisch für Höchstpreise sorgen, wird allerdings enttäuscht. Hier gebe es unter anderem regionale Unterschiede, aber auch eine Reihe weiterer Aspekte spiele eine wichtige Rolle. So hängen wichtige Einflussfaktoren wie Rechtsform, Lage, Inhaberabhängigkeit und Personalsituation, Mietvertrag, Stückzahlen, Durchschnittspreis, Qualität und Wert der Aktiva, die Strukturdaten des Ortes, der Investitionsbedarf, die Wettbewerbssituation, weitere Sortimente, wie zum Beispiel Hörakustik oder Uhren/Schmuck sowie viele andere Rahmenbedingungen gar nicht oder nur bedingt vom Umsatz oder Gewinn ab, seien aber auf jeden Fall preisrelevant. Und nicht zuletzt bestimmten am Ende Angebot und Nachfrage den Preis der Geschäfte.