Jubiläum in der Fielmann Akademie Schloss Plön

Fielmann: 50. Kolloquium zur Zukunft des Brillenkaufs

Das 50. Kolloquium der Fielmann AG im März drehte sich um die Zukunft des Brillenkaufs. So empfindet Vorstandsvorsitzender Marc Fielmann den Online-Brillenkauf nach wie vor als „Zufallsprodukt". Er investiert deshalb in augenoptische Messtechnologien, wie in das französische Unternehmen Fittingbox, und entwickelt eine App für ein automatisiertes Refraktionssystem.
Screenshot vom 50. Fielmann Kolloquium im März zur Zukunft der Augenoptik

Screenshot des 50. Fielmann Kolloquiums im März zum Thema "Zukunft der Augenoptik".

© Fielmann

In der Fielmann Akademie Schloss Plön hat am 17. März 2021 das 50. Kolloquium stattgefunden. Thematisch drehte sich alles um die Zukunft der Augenoptik. Rund 700 Teilnehmende fanden sich an diesem Abend coronabedingt zum zweiten Mal online zusammen und wurden von Prof. Dr. med. Dipl.-Ing. (FH) Hans-Jürgen Grein begrüßt. Marc Fielmann, Vorstandsvorsitzender der Fielmann AG, hielt den Keynote-Vortrag. Er startete mit der Frage „Werden wir in fünf Jahren unsere Brillen immer noch so kaufen, wie heute?“

„Der Kunde bist du“ – mit diesem Leitbild gründete sein Vater das Unternehmen und man habe sich im Laufe der Jahre immer eng an den Wünschen der Kundschaft orientiert, so Fielmann. Aktuell sei der Online-Brillenkauf das Topthema der Kundinnen und Kunden. Schon heute würden mehr als 70 Prozent der Kundschaft beim Brillenkauf digitale Services, wie die Online-Terminvereinbarung oder die Online-Nachverfolgung des Einkaufs nutzen. Für die Auswahl und Anpassung einer Brille führe derzeit jedoch noch kein Weg am stationären Geschäft vorbei. „Die Brille aus dem Online-Shop ist ein Zufallsprodukt“, konstatierte Fielmann. Bislang fehlen die erforderlichen Messtechnologien, um von der Brillenauswahl über die Refraktionsbestimmung bis hin zur optometrischen Anpassung, alle Daten automatisiert zu erheben, um darauf basierend eine Brille in der gleichen Qualität zu fertigen, wie sie der stationäre Handel liefere. Deshalb habe man inzwischen mehr als 15 Millionen Euro in augenoptische Messtechnologien investiert, um den eigenen Qualitätsanspruch beim eigenen Omnichannel-Geschäftsmodell zu gewährleisten. Die Lösungen des französischen Unternehmens FittingBox stünden der gesamten Branche weltweit zur Verfügung, würden derzeit vor allem als Beratungshilfe in den stationären Geschäften oder für den Online-Kauf von Sonnenbrillen eingesetzt, hieß es. „In der augenoptischen Branche in Deutschland wird viel gemeinsam geredet, aber wenig gemeinsam entwickelt“, resümierte Fielmann, der sich mehr Zusammenarbeit wünscht, um Online-Entwicklungen in der Messtechnologie das Siegel „made in Germany“ verleihen zu können. „Wir sind offen für Kooperation. Wir sind offen für gemeinsame Forschungsprojekte. Unsere Messtechnologien werden der ganzen Branche zur Verfügung stehen.“

Fielmann 50.Kolloquium zum Thema "Zukunft der Augenoptik" Redner Schröter - Fielmann

Die Redner des 50. Fielmann Kolloquiums: Dr. Franziska Schroeter, Head of Technology bei Fielmann Ventures und Marc Fielmann, Vorstandsvorsitzender der Fielmann AG

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Refraktion per App

Dr. Franziska Schroeter, Head of Technology bei Fielmann Ventures, gab den Zuhörenden Einblicke in die Entwicklungsarbeit des automatisierten Refraktionssystems über eine App. Fielmann nutze in seiner App das Prinzip der Photorefraktion, eine bekannte Methode zur objektiven Refraktionsbestimmung, die den Fundusrotreflex in der Pupille der Kundin auswerte. Bei einem emmetropen Auge erscheine die Pupille gleichmäßig dunkel ausgeleuchtet. Ein ametropes Auge weise einen halbmondförmigen Lichtreflex auf. Aus der Größe und Lage des halbmondförmigen Reflexes lasse sich die Refraktion mit Hilfe mathematischer Formeln berechnen. Damit dies hinreichend genau gelingen könne, nutze die App neben reinen Formeln einen Deep-Learning-Algorithmus aus Fotos und Refraktionsdaten. Voraussetzung für den Lernprozess der Maschine seien möglichst viele, „gute" Daten, erläuterte die Entwicklerin. Der Zugang zur App solle möglichst leicht für die Kundschaft sein, deshalb plane Fielmann, den Zugriff auf die App vorerst zu begrenzen und diese ausschließlich myopen, nicht presbyopen Kunden zur Verfügung zu stellen.

Screenshot vom 50. Fielmann Kolloquium über die neue App

Die Refraktions-App von Fielmann arbeitet mit der Photorefraktion.

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KI in der Augenoptik

Darüber hinaus erwarten viele Branchen durch den Einsatz künstlicher Intelligenz (KI) große Umbrüche. Die KI ist bereits in Screeningsystemen zur Erkennung von Netzhauterkrankungen in Anwendung – vor allem bei der optische Kohärenztomographie (OCT) und bei der Fundusfotografie. Dass diese Technologien die Arbeit der Augenoptikerinnen und Augenoptiker sowie Augenärztinnen und Augenärzte (teilweise) ersetzen und sich damit nachteilig auf diese auswirken könnten, sieht Priv.-Doz. Dr. med. Sebastian M. Waldstein, Vorstand der Abteilung für Augenheilkunde am Landesklinikum Mistelbach-Gänserndorf in Österreich, nicht. In der Netzhaut seien Informationen zu Geschlecht und Alter einer Person ablesbar, darüber hinaus lassen sich Hinweise auf Augen- und Allgemeinerkrankungen finden. Dazu gehören beispielweise Risiken auf Herz-Kreislauf- oder Nieren- und Lebererkrankungen. Ein Screening auf Augenerkrankungen könnte im niederschwelligen Bereich, beispielsweise im Augenoptikbetrieb, in Apotheken oder im Supermarkt angeboten werden, wie Waldstein aufzeigt. Wegen der Korrelation von Netzhautveränderungen und systemischen Erkrankungen sei der Einsatz auch in allgemeinärztlichen und internistischen Praxen sinnvoll.

Fielmann 50. Kolloquium zum Thema "Zukunft der Augenoptik" Redner Waldstein - Schrage

Priv.-Doz. Dr. med. Sebastian M. Waldstein, Vorstand der Abteilung für Augenheilkunde am Landesklinikum Mistelbach-Gänserndorf in Österreich (links) und Prof. Dr. med. Norbert Schrage, Chefarzt der Augenklinik Köln-Merheim.

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Gesundheitsscreening im Supermarkt, dieser Idee steht Prof. Dr. med. Norbert Schrage, Chefarzt der Augenklinik Köln-Merheim, kritisch gegenüber. Obwohl die KI Augenuntersuchungen unabhängig vom Standort ermöglicht, gehören Gesundheitsscreening und fachkompetente Beratung für ihn untrennbar zusammen, wie er in seinem Vortrag erklärte. Der technologische Fortschritt habe in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass Augenoptikerinnen sowie Augenärztinnen in einigen Geschäftszielen aneinandergerückt seien. Dazu zähle insbesondere die Sehkraftoptimierung, beispielsweise durch refraktiv-chirurgische Eingriffe oder Kontaktlinsenanpassungen. In der Arbeitsebene finde oftmals bereits eine enge Zusammenarbeit zwischen beiden Berufsgruppen statt, berufspolitisch habe dieses Thema weiterhin Brisanz. Beide hätten jetzt die Chance, die neuen Technologien der künstlichen Intelligenz in ihren gemeinsamen Dienst zu stellen und ihre Kompetenzen sinnvoll zu vernetzen – bevor der Supermarkt diese Idee aufgreife und die Kundschaft sich dort Gesundheitsvorsorge hole.