Europa & Corona: Wie managen Unternehmen die Krise? - Teil 3

Michael Pachleitner und Martijn van Eerde
Michael Pachleitner, CEO Michael Pachleitner Group (l.), und Martijn van Eerde, Senior Director Marketing EMEA & APAC bei Maui Jim, beim Press Day Anfang Februar in Manchester
© Michael Pachleitner Group, DOZ / Angela Mrositzki

Wann für die Unternehmen in der Branche wieder so etwas wie Normalität herrscht, wie viele Firmen die Corona-Krise nicht überstehen werden – das ist ungewiss. Die Corona-Pandemie stellt alle Unternehmen vor bislang unbekannte Herausforderungen. Wie gehen Unternehmen in ganz Europa mit der Krise um? Die DOZ sprach mit Martijn van Eerde, Senior Director Marketing EMEA & APAC bei Maui Jim und Michael Pachleitner, CEO der Michael Pachleitner Group.

Martijn van Eerde, Senior Director Marketing EMEA & APAC bei Maui Jim

DOZ: Welche Maßnahmen hat Maui Jim rund um die Ausnahmesituation mit dem Coronavirus getroffen?

Martijn van Eerde: Inzwischen sind unsere euopäischen Büros alle geschlossen. Wer von zu Hause aus arbeiten kann, tut es. Auch im Headquarter in Peoria in den USA arbeiten die meisten Mitarbeiter von zu Hause aus, Bereiche wie Kundendienst, das Finanz- und Rechnungswesung und das Marketing. Das Unternehmen unterstützt Mitarbeiter mit Laptops, schnellen Internetverbindungen und Firmenhandys. Online sind wir gut erreichbar, Meetings mit einer Präsenz vor Ort und Reisen generell sind untersagt. Aber es es gibt ja derzeit weder Messen noch andere Events, die meisten augenoptischen Fachgeschäfte bieten lediglich Notdienste an.

Für ein international operierendes Unternehmen wie Maui Jim mit Niederlassungen rund um den Globus, ist diese Situation eine besondere Herausforderung. Und natürlich ist die Einschätzung der jeweils in den Ländern Verantwortlichen besonders wichtig. Auf Anweisung des Headquarters gab es ein allgemeines Reiseverbot für Mitarbeiter schon Anfang Februar. Wir cancelten den geplanten Besuch der Mido, da war das Corona-Virus noch gar nicht in Europa angekommen. Seit dem 9. März gilt ebenso weltweit, dass kein Besucher mehr ins Unternehmen gelassen wird. Unser Management kommt jeden Tag in Online-Meetings virtuell zusammen, bespricht operationale Probleme und Herausforderungen, aber auch das weitere strategische Vorgehen.

Wurde die Produktion von Brillen und Brillengläsern gestoppt oder reduziert?

In unserer Glasherstellung in Peoria läuft die Herstellung von Korrektionsgläsern sowohl für Maui Jim Sonnenbrillen als auch für unsere Fassungskollektion mit einer reduzierten Mannschaft weiter, da Brillen in den USA zur Kategorie der Gesundheitsprodukte zählen. Die Glasherstellung in Braunschweig wurde gestoppt, denn es macht in dieser Phase mehr Sinn, die Produktion in einem Werk zu zentralisieren. In diesem Moment können wir die Augenoptiker weltweit weiterhin beliefern. China wird von unserer Niederlassung in Shanghai beliefert, die wieder voll funktionsfähig ist. Bei Planogläsern hingegen können wir auf sehr große Lagerbestände in Zentrallagern wie Braunschweig sowie in den einzelnen Vertriebszentren auf der ganzen Welt zurückgreifen.

Was kommuniziert das Unternehmen in diesen Tagen – und was nicht?

Unser Außendienst besucht derzeit keine Kunden, aber unsere Repräsentanten sind telefonisch erreichbar. Bestellungen laufen ja haupsächlich über die Online-Order. Stattdessen nutzen unsere Repräsentanten die Zeit und bieten Augenoptikern inhaltliche Trainings zu Produkten und zu Themen wie Polarisierung an – das geht via Internet hervorragend. Die Augenoptiker haben jetzt mehr Zeit und können diese für ihre Weiterbildung nutzen. Mit einer speziellen Anzeige in augenoptischen Fachzeitschriften laden wir zudem unsere Kunden ein, ihre Ideen mit uns auszutauschen, wie man gemeinsam in die Zeit nach der Krise starten kann.

Wie schätzt Ihr Unternehmen die wirtschaftlichen Auswirkungen dieser Pandemie ein? Arbeiten Sie an Strategien, wie den Konsequenzen entgegenzuwirken ist?

In diesem Moment ist die wirtschaftliche Lage dramatisch, das betrifft sicherlich alle Unternehmen. Die Endverbraucher sind zu Hause. Glücklicherweise ist Maui Jim ein gesundes, finanziell unabhängiges und starkes Unternehmen. Wir haben nicht unmittelbar ein Problem – aber die Krise tut weh! Und natürlich hoffen wir, wie alle anderen auch, dass wir in einigen Wochen das Schlimmste überwunden haben, und alle wieder nach draußen gehen können. Sicherlich wird es seine Zeit brauchen, bis die Geschäfte wieder anlaufen. Aber das Wichtigste in diesem Moment ist nicht das Geld, sondern die Gesundheit aller Mitarbeiter, Partner und Kunden. Augenoptiker, die geöffnet sind, unterstützen wir so gut es geht, sind da, wenn Ware oder Service gefragt sind. Bei uns im Marketing liegt der Fokus derzeit klar auf dem Morgen. Da werden wir kreativ sein müssen!

Glauben Sie, dass die Menschen nach dieser Erfahrung anders konsumieren werden, dass sich das Mindset der Verbraucher verändern wird?

Das lässt sich schwer sagen. Wir haben bisher keinerlei Erfahrung mit den Nachwirkungen einer solchen Pandemie. Wir kennen Wirtschaftskrisen und Naturkatastrophen, gerade in den USA mit den schweren Hurrikans, wo ganze Städte wie New Orleans schwer getroffen wurden. Dann konnte aber der Rest der Nation beistehen. Jetzt erleben wir einen Ausnahmezustand unbekannten Ausmaßes. Die große Frage ist, glaube ich, wie lange dies dauern wird. Ich nehme an, dass es lange dauern wird, bevor die Menschen wieder mit Lust in ein Fußballstadion oder in ein Konzert gehen werden. Aber wenn alle wieder raus dürfen, ist sicher Partystimmung, wenn auch vermutlich keine Explosion, kein Kaufrausch. Größere Anschaffungen werden vielleicht erst einmal zurückgestellt. Was ich mitbekomme ist, dass die Menschen derzeit viel darüber nachdenken, was im Leben wirklich zählt: Gesundheit, Gemeinschaft, Familie, Freunde, Bewegungsfreiheit. Unser Fokus wird nach der Krise vermutlich weniger materialistisch sein. So könnte die Qualität der Produkte eine neue Wertigkeit erfahren – auch die Wertigkeit einer Brille, oder Sonnenbrille, mit der man sich etwas Gutes tut. Derzeit denken wir nicht an den Verkauf, aber als Unternehmen müssen wir uns schon vorausschauend auf die Zeit danach vorbereiten. Vorerst bringt jeder Tag eine neue Situation mit sich.

Michael Pachleitner, CEO Michael Pachleitner Group (Österreich)

DOZ: Welche Maßnahmen hat Ihr Unternehmen rund um die Ausnahmesituation mit dem Coronavirus getroffen? Wurde die Produktion von Brillen gestoppt oder reduziert?

Michael Pachleitner: Zum jetzigen Zeitpunkt wurde keine Produktion von Brillen gestoppt oder reduziert. Wir gehen davon aus, dass nach flächendeckender Wiedereröffnung der Augenoptikgeschäfte auch die Nachfrage nach Brillen sehr schnell zurückkehren wird.

Wie organisiert sich Ihr Unternehmen für die kommenden Wochen?

Wir haben vorsorglich Maßnahmen getroffen, um die Gesundheit unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu schützen, dazu gehören insbesondere Hygienevorschriften. Seit Mitte März ist die Mehrheit der Mitarbeiter im Homeoffice. Daher setzen wir in der Kommunikation noch stärker digitale Tools ein, um mit den Teams ständig in Kontakt zu bleiben.
 
Wie hält das Unternehmen Kontakt zu Kunden und Partnerunternehmen?

Wir stehen in sehr engem Kontakt mit unseren Produktionspartnern und stimmen insbesondere die Logistikwege sehr detailliert ab. Auch unser Vertrieb und Außendienst steht weiterhin in engem Kontakt mit den Kunden. Mit ihnen kommunizieren wir derzeit ausschließlich über die digitalen Tools wie Mobilphone, Facebook, WhatsApp und Email. Für die Kunden sind wir täglich erreichbar, um Bestellungen oder Anfragen nach Ersatzteilen erfüllen zu können. Wir versuchen sie in all ihren Anliegen zu unterstützen.

Wie schätzt Ihr Unternehmen die wirtschaftlichen Auswirkungen dieser Pandemie ein? Arbeiten Sie an Strategien, wie den Konsequenzen entgegenzuwirken ist?

Eine Einschätzung der Pandemie und ihrer Folgen kann derzeit nicht getroffen werden. Wir müssen mit Umsatzeinbußen rechnen und auf Veränderungen sofort reagieren. Auch die Denkweise und das Kaufverhalten von Augenoptikern und Konsumenten wird zu berücksichtigen sein. Was wir jetzt spüren ist, dass es auf verlässliche Partner, auf Vertrauen, Konstanz und Zusammenhalt ankommt. Ganz sicher wird das Thema „Made in Germany“ für die Zukunft ein noch stärkeres Thema werden! Ich denke da an unsere Glasproduktion „made in Germany“ in Glücksburg. Wir sind für die Augenoptik da und produzieren.

Die Interviews führte Angela Mrositzki.