Dokumentation zu Monopolentwicklung bei Arztpraxen

„Die Augenheilkunde ist ein Gewerbe geworden“

(Augen-)Arztpraxen als Spekulationsobjekte für findige Investoren? Nach Recherchen des ARD sind in Deutschland bereits hunderte Praxen in der Hand internationaler Investmentfirmen. Besonders Augenarztpraxen seien bei ausländischen Finanzunternehmen weit oben im Kurs, weil sie auf hohe Gewinne spekulieren. Nach Angaben einer Insiderin werde Patienten gezielt zu Vorsorgeuntersuchungen geraten, die für das vom Patienten dargelegte Problem keinen Mehrwert bieten.
Ein Auge mit einem Euro-Symbol in der Iris

Panorama-Recherche deckt auf: International agierende Investoren haben Augenarztpraxen im Fokus.

© Adobe Stock/Minerva Studio

Nach Panorama-Recherchen arbeitet inzwischen ein Fünftel aller ambulant tätigen Augenärztinnen und Augenärzte in Ketten von ausländischen Investoren. Mit Renditeerwartungen von bis zu 20 Prozent geht es im Geschäft mit dem Erwerb der Ärztesitze um viel Geld, das unbekannten Profiteuren zufließe. Mehr als 500 Augenarztpraxen seien in den letzten Jahren von ausländischen Investoren aufgekauft worden. Von außen, also auf den Praxisschildern, ist dabei nicht ersichtlich, dass eine Praxis Teil einer investorengeführten Kette ist. Augenarztpraxen seien besonders attraktiv bei Investoren, auch durch die zahlreichen Vorsorgeuntersuchungen, die ein Patient durchführen lassen kann, aber privat tragen muss. So sagt ein von Panorama vorgestellter Patient aus, er habe sich „unter Druck gesetzt“ gefühlt, denn er habe Vorsorgeuntersuchungen in Anspruch genommen, die für das Problem, mit welchem er die Praxis aufgesucht hatte, unwesentlich gewesen seien.

Das Thema ist brisant: Als behandelnde Praxis wird Artemis genannt, eine der größten Praxisketten für Augenheilkunde in Deutschland. Das Unternehmen reagiert auf die Vorwürfe mit einer Gegendarstellung. Eine von Panorama hinzugezogene Augenärztin, die selbst jahrelang in einer Investorenkette gearbeitet habe, bestätigt allerdings die Vorwürfe, dass Patienten in solchen Praxen gezielt zu Vorsorgeuntersuchungen geraten werde, die für das vom Patienten dargelegte Problem keinen Mehrwert bieten. Es herrschten in solchen Praxen strenge Kontrollen hinsichtlich des Verkaufs privat zu zahlender Zusatzleistungen, zu denen die Augenärzte die Patienten auffordern sollen.

Möglichst hohe Stückzahlen bei OPs

Erschreckend ist die Aussage der anonymen Ärztin zum Umgang mit Grauen Star-Operationen: „Damit sollten wir möglichst hohe Stückzahlen rekrutieren“, beschreibt sie. Kompliziertere Fälle hätten die Augenärzte an andere Praxen verweisen müssen. „Die Augenheilkunde ist ein Gewerbe geworden“, klagt sie. Profit vor Gesundheit? Panorama lässt auch die Investorenkette Artemis zu Wort kommen. Von dort heißt es, dass jede Behandlung rein medizinisch entschieden werde. Aber: dass die Arbeit der Ärzte in Form von Gesprächen begleitet werde, welche, je nach Patientenfrequenz des einzelnen Arztes, durchaus eine gewisse Stringenz in der Vorgehensweise innerhalb einer Behandlung im Fokus habe. Das Unternehmen sieht sich als Gegenbewegung zu dem steigenden Ärztemangel in vielen Regionen. Unternehmen wie Artemis sicherten die Grundversorgung in der Augenheilkunde, denn junge Ärzte ließen sich heute lieber anstellen, als selbst eine Praxis zu gründen, sagt der Ärztliche Direktor von Artemis, Kaweh Schayan-Araghi während des Interviews weiter.

Panorama durchleuchtete den Geschäftsbericht und kam zu dem Schluss, dass der Bereich Augenheilkunde enormes Gewinnpotenzial besitze und ein Großteil des Geldes aus Operationen stamme. Das sei auch bei dem Konkurrenzunternehmen Sanoptis so, das allerdings zu keiner Stellungsname mit Panorama bereit gewesen sei. Ähnlich gewinnorientiert verhalte es sich inzwischen auch bei anderen Bereichen der ärztlichen Versorgung, als zweites Beispiel interviewte Panorama eine Zahnärztin, die in einer investorengeführten Kette beschäftigt war. 

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