Clear-Report: Umfassende Online-Publikation

Erstveröffentlichung in der DOZ 03/23.

Der „BCLA CLEAR Report“ (Contact Lens Evidence-based Academic Report) ist ein evidenzbasierter akademischer Bericht, der von der British Contact Lens Association (BCLA) herausgegeben wird und die neuesten Forschungsergebnisse und Entwicklungen im Bereich der Kontaktlinse enthält. Er umfasst im Ganzen elf Publikationen mit insgesamt mehr als 300 Seiten. An seinem Entstehen waren 102 Autorinnen und Autoren aus 16 Ländern beteiligt. Seit März 2021 können Interessierte aus dem Eyecare-Bereich den Report online einsehen oder kostenlos downloaden. Er soll eine Ressource für Augenärztinnen, Augenoptiker und Kontaktlinsenspezialistinnen sein, die sich über die neuesten Entwicklungen und Empfehlungen im Bereich der Kontaktlinsen informieren möchten. Die BCLA ist eine führende Organisation im Bereich der Kontaktlinsen, die Forschung, Bildung und Unterstützung für die Branche bereitstellt. Der Report enthält aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse sowie Forschungsoptionen zum Thema Kontaktlinse. Diese Informationen können für Kontaktlinsenanpasserinnen und -anpasser eine Basis bilden, um sich geeignete Untersuchungsmethoden anzueignen und für Kundinnen und Kunden die richtige Linsenwahl zu treffen. Bisher ist der volle Clear-Report nur auf Englisch erhältlich, es gibt aber eine deutsche Zusammenfassung, die die wichtigsten Punkte aus allen Berichten wiedergibt.

Zu finden ist die deutsche Zusammenfassung des „BCLA CLEAR Report“ hier.

Diese deutsche Übersetzung umfasst die gesamte Anpasssituation bis hin zur Nachbetreuung. Leserinnen und Leser starten quasi am Anfang, bei der Anamnese und der ersten Untersuchung des vorderen Augenabschnitts. Die Anamnese entscheidet den gesamten Weg der weiteren Kontaktlinsenberatung. Wichtig für die erfolgreiche Anpassung sind nach Einschätzung der Expertinnen und Experten vor allem die Gründe, aus denen sich der Kunde für das Kontaktlinsentragen entschieden hat. Hier spielen auch frühere Erfahrungen mit dem Tragen von Kontaktlinsen hinein, grundlegende Informationen zur allgemeinen und okulären Gesundheit und die Einnahme von Medikamenten. Weitere Faktoren für eine gelungene Kontaktlinsenanpassung seien der Refraktionsfehler, Lebensstil und die Hobbys des Kunden.

Dabei unterstützt der Clear-Report insbesondere bei der Herangehensweise an den Kunden und dessen Wunsch, Linsen zu tragen. Welche Beschwerden hat mein Kunde zum Beispiel bereits ohne Kontaktlinsen? Sind die Augen trocken? Beeinflussen Medikamente den Tränenfilm und gibt es andere Risikofaktoren für Hornhautinfiltrate? Der Clear-Report klopft längst überholte Annahmen ab und kehrt sie in wissenschaftlich fundierte Informationen um – zum Beispiel, dass es nur wenige Erkenntnisse über die Wahl des geeigneten weichen Kontaktlinsenmaterials gibt. 

Von der Anamnese leitet der Report über zur Untersuchung des vorderen Augenabschnitts. Diese werde entweder mit Hilfe eines Spaltlampen-Biomikroskops und Vitalfarbstoffen oder mit einer Video-Tomographie durchgeführt. Die digitale Dokumentationsform wird empfohlen. Diese sei genauer als die Keratometrie. Weiter wird für die Beurteilung dazu geraten, einen Klassifizierungsschlüssel zu nutzen. Dieser solle auf Grundlage von Referenzbildern in 0,5er-Schritten aufgebaut sein und gemeinsam mit der Einschätzung der Einfärbung von Horn- und Bindehaut (Stippen) ausgewertet werden. Auch zur Reihenfolge der Untersuchung gibt der Report Rat: Man solle von der geringsten bis zur stärksten Invasivität arbeiten. 

• Empfehlungen hinsichtlich der Eignung von weichen und formstabilen Kontaktlinsen für vorliegende gesundheitliche Probleme, den Lebensstil, Medikamente und die Gesundheit der Augenoberfläche befinden sich in den Tabellen 2 und 3 des Reports. 
• Sklerallinsen werden am häufigsten bei primären Hornhautektasien, Erkrankungen der Augenoberfläche und nach perforierender Keratoplastik eingesetzt

Hat man Anamnese und Untersuchung abgeschlossen, führt der Report zur Auswahl einer geeigneten Kontaktlinse. Auch hier gibt es keine Empfehlung, sondern vielmehr Hinweise auf Ausschlusskriterien und hintergründige Informationen zu anatomischen Gegebenheiten, die den Tragekomfort beinträchtigen können. Gerade für beginnende Anpasserinnen kann das hilfreich sein. Besonders erfreulich ist auch, dass man über weiterführende Links zu externen Seiten gelangt, die sich unter anderem vertiefend mit Skleral oder Orthokeratologie-Linsen beschäftigen. Einziger Wermutstropfen: Man sollte, um diesen Spuren folgen zu können, des Englischen einigermaßen mächtig sein oder einen Online-Übersetzer zu Rate ziehen. Für Kontaktlinsenanpasserinnen erhält die Übersetzung dennoch genügend Wissensperlen in deutscher Sprache, für die sich das Lesen lohnt. Wussten Sie zum Beispiel, dass das optimale Zeitfenster die Beurteilung des Fluoresceinbildes 30 Sekunden bis drei Minuten nach der Applikation des Farbstoffs beträgt? Oder dass sich die Ermittlung der Sehqualität anhand von Sehprobentafeln bei weichen multifokalen Kontaktlinsen als unzureichend erwiesen hat? Stattdessen wird zu realen Sehaufgaben geraten, um eine authentische Kundenaussage zu erhalten.

Von der Bewertung der Anpassung über die Abgabe der Kontaktlinse bis zur Nachbetreuung: Aufgewertet mit wissenschaftlich fundierten Informationen bietet die sechsseitige Publikation so manche neue Erkenntnis – sicher auch für alte Hasen der Anpasspraxis. Einige Themen sind vereinfacht dargestellt, dafür bebildert, wie die vorgegebene Gesamtbeweglichkeit weicher Kontaktlinsen. Man erfährt, wie die Spaltlampe eingestellt sein sollte, um die horizontale Nachziehbewegung optimal zu messen und wie man das Rückzentrierungsverhalten nach dem Push-up-Test dokumentiert. Der Clear-Report liefert nicht nur Antworten, sondern viel mehr Aha-Effekte auf solche alltäglichen Themen. Mehr noch, er bietet Tipps aus der Praxis in Verbindung mit evidenzbasierten Erkenntnissen und Empfehlungen, die von den aktuell renommiertesten Experten im Kontaktlinsenbereich zusammengefasst wurden. Vom Anpassleitfaden zum Ratgeber für besondere Fragen über weiterführende Themen wie dem kontaktlinseninduzierten trockenen Auge (CLIDE) bis zum Management von Beschwerden. Ein Blick in den Report kann für frischen Wind in der Anpasspraxis sorgen und im besten Fall dabei helfen, Komplikationen ei der Anpassung schon von vornherein auszuschließen. Dass das Ganze kostenlos ist, ist nur die Kirsche auf der Torte. Daher eine ausdrückliche Leseempfehlung für alle wissenshungrigen Kontaktlinsenanpasser.