Andreas Hess ist seit September MPG&E-Chef

Hier schon ohne Brille: Andreas Hess übt sich noch im Handling, will aber „über kurz oder lang definitiv dem Kreis der Kontaktlinsenträger beitreten“.
Erstveröffentlicht in der DOZ 02|25
In einer Großstadt von einem Ende der Stadt ans andere zu kommen, insbesondere mit dem Pkw, kann durchaus zeitintensiv sein. Das ist in Berlin so, das ist in München so und das ist auch in Hamburg so. Andreas Hess kann davon ein Lied singen. Sechs Jahre lang fuhr er aus dem Osten Hamburgs in den Westen, um dort bei der DMG Chemisch-Pharmazeutische Fabrik GmbH, einem Hersteller für hochwertige Dentalmaterialien, als Bereichsleiter den weltweiten Vertrieb in über 80 Länder zu verantworten. Zuvor war München über viele Jahre Hess‘ berufliche und private Heimat, unter anderem zehn Jahre lang bei Leuchtmittelhersteller Osram.
Nun ist, zumindest beruflich, Bordesholm die neue Heimat des 51-Jährigen. Zum 1. September vergangenen Jahres hat Hess die Nachfolge von Fabian Hasert als Geschäftsführer von MPG&E angetreten. Bedeutet: jeden Morgen 85 Kilometer hin und am Abend 85 Kilometer wieder zurück. „Ich brauche rund 50 Minuten pro Strecke. Zum Büro meines ehemaligen Arbeitgebers war die Strecke zwar deutlich kürzer, ich habe aber deutlich länger gebraucht.“ Weder Fahrzeit noch -strecke aber waren ausschlaggebend dafür, dass Hess zum Kontaktlinsenhersteller wechselte, wie er im folgenden Interview mit der DOZ erklärt. Vielmehr war es der Reiz der neuen Aufgabe.
Herr Hess, Ihr Vorgänger Fabian Hasert war 23 Jahre im Unternehmen, die letzten acht als Geschäftsführer. Wie groß sind die Fußstapfen, in die Sie getreten sind?
Andreas Hess: Fabian Hasert hat die Firma mitgegründet und aufgebaut, hat unglaublich viel vorangetrieben und bewegt. Für jemanden, der von außen kommt, ist es somit erst einmal ein Herantasten. Auch die Kolleginnen und Kollegen waren gespannt, welche neuen Impulse da von außen kommen. Herr Hasert aber hat das Feld sehr gut vorbereitet, so dass ich problemlos in die Schuhe hineinschlüpfen konnte – und diese auch gleich gepasst haben.
Nach Ihrem offiziellen Eintritt in die Firma sind Sie einen Monat von Ihrem Vorgänger eingearbeitet worden. In einem Statement auf der Webseite sagen Sie, das sei eher unüblich. Wie meinen Sie das?
Diese Übergangs- und Einarbeitungszeit war für mich natürlich ideal, und so wünscht man es sich als Nachfolger, da man sehr viele Informationen aus erster Hand und im persönlichen Austausch erhält. Oft aber ist es so, dass der Vorgänger bereits aus dem Unternehmen ausgeschieden ist und der Posten mit- unter über einige Monate unbesetzt war, ehe man den passenden Kandidaten gefunden hat. So habe ich es bisher schon einige Male erlebt. Daher habe ich von „unüblich“ gesprochen. Für mich aber war der Ablauf sehr gut.
Wie sind Sie überhaupt auf MPG&E aufmerksam geworden, und wann gab es den ersten Kontakt?
Ich bin ganz klassisch von einem Headhunter angesprochen worden, das war im März oder April. Nach den ersten Gesprächen hatte ich sofort das Gefühl, dass es eine spannende Aufgabe sein könnte. Außerdem waren Fabian Hasert und ich sofort auf einer Wellenlänge. Aus unterschiedlichen Gründen hat sich der Prozess dann noch einige Zeit hingezogen. Letztlich aber bin ich froh, dass ich am 1. September hier anfangen konnte.
Sie haben den guten Austausch mit Fabian Hasert in den ersten Wochen angesprochen. Welches waren die drängendsten Themen, und wie oft sprechen Sie noch heute miteinander?
Wir haben uns einen Monat lang sehr intensiv und strukturiert den wichtigsten Fragen gewidmet und dabei sowohl interne als auch externe Themen durchgesprochen. Wir haben gemeinsam Kunden besucht und mit Lieferanten geredet. Das hat mir den Einstieg extrem erleichtert. Zudem hat mich auch das Team super aufgenommen. Ich stehe noch heute mit Herrn Hasert in regelmäßig unregelmäßigem Kontakt und kann mich mit Fragen immer an ihn wenden. Aber natürlich ist er mittlerweile in seiner neuen Aufgabe stark eingebunden, und bei mir verinnerlichen sich die Abläufe mehr und mehr, sodass sich unser Kontakt auf ein Minimum reduziert.
Beneiden Sie Herrn Hasert eigentlich um seinen neuen Job als Geschäftsführer einer Süßwarenfabrik?
Das klingt natürlich verlockend, aber ich glaube, mir würde es schwerfallen, der ständigen Verlockung zu widerstehen. Daher ist es schon gut, dass ich mich „nur“ mit der Kontaktlinse beschäftigen muss.
Um im Bild zu bleiben: Wie sehr haben Ihnen Ihre ersten Entscheidungen, die Sie bei MPG&E treffen mussten, geschmeckt? Haben Sie da auf Ihren Bauch gehört oder doch eher auf die Leute, die schon länger im Unternehmen sind?
Die ersten Entscheidungen habe ich sowohl im engen Austausch mit Herrn Hasert getroffen als auch mit dem Führungskräfte-Team, deren langjährige Erfahrungen von unschätzbarem Wert sind und die ich dankend auf- und angenommen habe.
„Ich höre bei gewissen Entscheidungen auf mein Bauchgefühl – aber nie ohne fundierte Fakten.“
Auf der anderen Seite will man auch neue Impulse setzen und seine eigenen Erfahrungen mit einfließen lassen. Beides unter einen Hut zu bekommen, ist dabei mitunter eine Herausforderung. Natürlich höre ich bei gewissen Entscheidungen auch auf mein Bauchgefühl, aber nie ohne fundierte Zahlen, Daten und Fakten.
Wie nahe sind sich in dem Zusammenhang Zähne und Augen? Oder anders gefragt: Wie unterscheidet sich eine Vertriebsleitung bei einer Firma, die Zahnmaterialien herstellt, vom Geschäftsführerposten bei einem Kontaktlinsenhersteller?
Die augenoptische Branche und die zahnmedizinische Industrie sind in ihren Strukturen sehr ähnlich. Aber die Entscheidungsbefugnis ist natürlich eine andere, und ich bin in deutlich mehr Themen involviert. Wenn ich mich früher rein um Strategien für den Vertrieb und die Distribution kümmern konnte, geht es als Geschäftsführer um den ganzheitlichen Bereich des Unternehmens. Welche strategische Ausrichtung haben wir als Unternehmen? Wie entwickelt sich der Markt? Was wollen unsere Kunden?
Wie wichtig ist es dabei, dass man als Chef auch ein Teamplayer ist?
Der Austausch, gerade mit meinen Führungskräften, ist für mich extrem wichtig. Letztlich aber suche ich die Kommunikation mit dem gesamten Team. Nur: Am Ende des Tages muss es einen geben, der die Entscheidungen trifft, zu diesen steht und diese verantwortet. Auf dem Weg dahin aber versuche ich mein Team mit einzubeziehen und als Teamplayer zu agieren.
Die Augenoptik-Branche, so sagt man oft, ist klein. Hier kennt jeder jeden. Wie haben Sie die Branche bislang kennengelernt?
Was mir sofort aufgefallen ist und mich überrascht hat: Zahnmedizin und Augenoptik sind sich sehr ähnlich. Beide Branchen sind eher konservativ und die Strukturen vergleichbar. Die Nachfolgeproblematik, Übernahmen und Konzentrationsprozesse zeigen viele Gemeinsamkeiten. Einen Zahnarzt von einem neuen Produkt zu überzeugen ist ähnlich schwierig, wie einen Augenoptiker zu einem Lieferantenwechsel zu bewegen. Wer einmal mit einem Produkt glücklich ist, bleibt dabei.
Strukturen sind das eine, die Stimmung das andere. Wie haben Sie die Stimmung in der Branche bis dato wahrgenommen?
In jedem Fall nicht so negativ, wie es oftmals nach außen kommuniziert wird. Natürlich weiß niemand, was genau uns in den kommenden Monaten und Jahren erwartet. Entsprechend schauen viele mit Respekt, aber ohne Angst in die Zukunft. Auf dem Trendforum, meiner ersten Branchenveranstaltung, herrschte beispielsweise eine wirklich positive Grundstimmung.
Dass die Kontaktlinse seit ewigen Zeiten darum kämpft, eine stärkere Marktdurchdringung zu erreichen, ist keine neue Erkenntnis. Welche persönlichen Ziele haben Sie sich mit MPG&E vor diesem Hintergrund gesetzt? Wo soll der Weg Ihres Unternehmens in Zukunft hinführen?
Wir sind relativ stark in den Bereichen Kontaktlinsen-Handel und Pflegemittel, und diese wollen wir weiter ausbauen. Dabei konzentrieren wir uns natürlich auf den DACH-Markt, in dem wir groß geworden sind, diskutieren aber auch, inwieweit wir uns über diese Grenzen hinaus positionieren können.
„Wir diskutieren, inwieweit wir uns über die Grenzen des DACH-Markts hinaus positionieren können.“
Das ist allerdings Zukunftsmusik. Der Fokus liegt auf unseren Heimatmärkten. Darüber hinaus beschäftigt uns natürlich das Thema MDR extrem stark. Wir sind laut MDR kein Hersteller mehr, sondern ein reiner Händler, und das hat natürlich Auswirkungen auf unsere Ausrichtung. Daher arbeiten wir gerade an verschiedenen Strategien, um uns am Markt positionieren zu können.
Hat das Thema MDR demnach eher positive oder negative Auswirkungen auf Ihr Unternehmen?
Bei der MDR sprechen wir von einem regulatorisch extrem komplexen Thema – und zwar für alle, die Medizinprodukte herstellen oder vertreiben. Einfacher wird es für uns entsprechend nicht. Aber wir sind gut aufgestellt, daher sehe ich dem Ganzen relativ gelassen entgegen.
Neben dem großen Thema MDR: Welche Herausforderungen gilt es für Sie in Zukunft zu meistern?
Durch die sinkende Zahl an inhabergeführten Augenoptikerbetrieben müssen wir uns auch stärker mit Filialisten und Einkaufsgemeinschaften beschäftigen. Dafür haben wir uns in der Vergangenheit bereits organisatorisch aufgestellt und bauen diese Zusammenarbeit weiter aus.
Wenn dieses Interview erscheint, erleben Sie gerade Ihre erste Opti. Worauf freuen Sie sich in den Tagen in München am meisten?
In erster Linie darauf, unsere Kunden und Lieferanten persönlich kennenzulernen – Leute, zu denen man vielleicht sonst nur per Mail Kontakt hat. Eine Messe ist aber immer auch ein tolles Team-Event. Deswegen ist die Opti für uns als Unternehmen auch so wichtig, weil es uns weiter zusammenschweißt und alle Mitarbeitenden hier zusammenkommen. Neben der Weihnachtsfeier ist die Opti fürs Team der zweitwichtigste Termin des Jahres, für uns als Unternehmen eindeutig der wichtigste. Natürlich bin ich persönlich gespannt, was mich dort erwartet, und ich freue mich darauf, für ein paar Tage in meine alte Heimatstadt zurückzukehren, in der ich über 30 Jahre zu Hause war.
MPG&E war auch maßgeblich an der Ausgestaltung der Tomorrow-Vision-Fläche auf der Messe beteiligt. Wie wichtig ist es aus Ihrer Sicht, die Kontaktlinse gesondert in den Fokus zu nehmen?
Extrem wichtig, weil wir beim prozentualen Anteil der Kontaktlinsenträger immer noch hinter anderen europäischen Ländern zurückhängen. Warum das in Deutschland so ist, konnte mir bislang noch niemand erklären. Entsprechend müssen wir das Thema immer wieder anstoßen, in den Medien spielen und auch die Augenoptiker mitnehmen. Es gibt immer noch zu viele Augenoptiker, die sich viel zu wenig mit dem Thema Kontaktlinse auseinandersetzen. Die Kontaktlinse ist ein tolles Produkt mit noch ungeheurem Potenzial.
Noch tragen Sie aber selber Brille …
Ich übe mich noch im Handling, werde über kurz oder lang aber definitiv dem Kreis der Kontaktlinsenträger beitreten.
Das Gespräch führte David Friederichs