Richtig reagieren bei Kundenbeschwerden Reklamationen als Chance sehen – nicht als Störfall

Schild Reklamation Lösung

Statt eine Reklamation als etwas Negatives zu sehen, kann mit dem richtigen Reklamationsmanagement daraus sogar eine Chance entstehen. Mit der passenden Lösung kann Vertrauen zurückgewonnen werden.

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Erstveröffentlichung in der DOZ 11/25

Dass eine gut gelöste Reklamation die Kundenbindung stärken kann, ist längst bekannt – wird in der Praxis aber oft unterschätzt. Die Unsicherheit im Umgang mit Kritik ist groß. Häufig reagieren Mitarbeitende mit Rechtfertigungen oder verweisen auf Regeln, statt die Situation aktiv zu gestalten. Dabei ist es oft nicht das Problem selbst, das Kundinnen und Kunden verärgert – sondern das Gefühl, mit ihren Sorgen allein gelassen zu werden. Wenn echtes Interesse fehlt, geht das Vertrauen verloren.

Ein Beispiel aus dem Augenoptiker-Alltag macht genau das greifbar: Als Kundin komme ich mit meiner drückenden Brille ins Geschäft – kein schwerwiegendes Problem. Doch statt Verständnis und Aufmerksamkeit erlebe ich nur schnelle Abfertigung. Was bleibt, ist das Gefühl, nicht gehört worden zu sein. Nicht der Produktmangel führt zur Unzufriedenheit, sondern der Umgang mit meinem Anliegen. Solche Momente sind entscheidend, wenn es darum geht, ob ich einem Unternehmen treu bleibe oder nicht.
 

Was reklamierende Kundinnen und Kunden wirklich erwarten

Reklamierende Kunden senden klare Signale. Sie wollen:

  • gehört und ernst genommen werden;
  • schnelle und einfache Antworten und, wo nötig, eine proaktive Kommunikation;
  • fachlich kompetente Ansprechpartnerinnen;
  • Empathie, Ehrlichkeit und Aufmerksamkeit

Menschen reklamieren unterschiedlich – der richtige Umgang mit verschiedenen Menschen-Typen ist daher umso wichtiger. Nicht jeder bringt seine Unzufriedenheit auf dieselbe Art und Weise zum Ausdruck. Umso wichtiger ist es, sich auf unterschiedliche Kommunikationstypen einzustellen. 

Reklamtaionstypen

Je nach Reklamationstyp haben Kundinnen und Kunden unterschiedliche Bedürfnisse in Bezug auf die Bearbeitung ihrer Probleme. Hier kommt es darauf an, typgerecht zu reagieren.

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Vier besonders häufige Reklamationstypen lassen sich gut unterscheiden:

Die Macherin 
ist kurz, direkt, fordernd, will schnelle Lösungen. Reklamiert deutlich und fordernd. 
So reagieren Sie richtig: souverän bleiben, Verantwortung übernehmen, unnötige Erklärungen vermeiden.

Die Denkerin
ist sachlich, vorbereitet, kritisch und erwartet fundierte Antworten. 
So reagieren Sie richtig: klar strukturieren, Fakten liefern, auf Wunsch auch schriftlich.

Die Unterstützerin 
ist freundlich, zurückhaltend, konfliktscheu – reklamiert oft indirekt und entschuldigt sich für die Reklamation.
So reagieren Sie richtig: zuhören, Sicherheit geben, gemeinsam eine Lösung finden.

Die Unterhalterin
ist emotional, gesprächig, spontan, sucht Aufmerksamkeit. 
So reagieren Sie richtig: Gespräch strukturieren, Emotionen ernst nehmen, pragmatisch bleiben.

Tipps für den souveränen Umgang mit Einwänden und Reklamationen

Reklamationen sind Ihre Bühne für einen souveränen Kundenkontakt. Hier sind sechs Tipps:

1. Ruhe bewahren und aktiv zuhören
Emotionen gehören dazu – vor allem bei Frust. Reagieren Sie jetzt nicht defensiv, sondern glätten Sie erst einmal die Wogen: aufmerksame Körpersprache, bewusste Pausen, nachfragen. Wer gut zuhört, versteht nicht nur – sondern führt auch das Gespräch.

2. Verständnis zeigen – aber bitte authentisch
„Ich verstehe, dass das ärgerlich für Sie ist.“ Dagegen ist nichts einzuwenden – aber da geht noch mehr! Zeigen Sie Empathie, bleiben Sie dabei aber aufrichtig und klar. Nehmen sie das Problem ernst, aber nicht persönlich. Kommunizieren Sie auf Augenhöhe und bauen Sie so Widerstände ab. Es geht nicht um Schuld, sondern um Lösungen. Und Sie sind die Brücke dahin. 

3. Einwände als Chance nutzen
Ein klassischer Einwand wie: „Im Internet ist die Brille günstiger“ ist kein Angriff – sondern ein Türöffner! Fragen Sie zurück: „Was ist Ihnen beim Brillenkauf besonders wichtig?“ und lenken Sie das Gespräch auf Beratung, Service und Vertrauen.

4. Offene Fragen stellen, das Gespräch aktiv lenken
Nicht nur zuhören, sondern zum Erzählen einladen. Fragen wie: „Was genau stört Sie an der Brille?“ oder „Was wäre für Sie eine gute Lösung?“ schaffen Vertrauen und zeigen dem Kunden: Hier denkt jemand mit. Außerdem verschaffen Sie sich dadurch wertvolle Denkzeit. 

5. Keine Schnellschüsse – aber auch keine Ausflüchte
Vermeiden Sie Standardfloskeln und zu frühe Lösungsangebote. Besser: erst verstehen, dann gestalten – mit Überzeugung und Klarheit.

6. Kulanz sichtbar machen, bewusst und aktiv
Wenn Sie dem Kunden entgegenkommen, sagen Sie es auch: „Das übernehmen wir für Sie – weil Ihre Zufriedenheit uns wichtig ist.“ 
 

Gesichtsausdrücke

Aus einer verärgerten Kundin eine zufriedene machen – das kann mit souveränem Reklamationsmanagement gelingen.

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Durch klare Kommunikation Konfliktsituationen entschärfen

Nicht jede Reklamation lässt sich verhindern, aber viele lassen sich durch gute Vorbereitung entschärfen. Wer von Anfang an transparent informiert, aktiv zuhört und Erwartungen klärt, reduziert das Risiko für spätere Konflikte. Im Alltag fehlt jedoch oft die Zeit oder Sicherheit, auf feine Signale zu achten. Unsicherheiten entstehen meist nicht aus Desinteresse, sondern aus fehlender Routine im Umgang mit Reklamationen. Umso wichtiger ist gezielte Schulung.

Ein wirksamer Umgang mit Reklamationen beginnt nicht erst im Moment des Problems, sondern mit einer inneren Haltung, die echten Service nicht als Pflicht, sondern als gelebte Überzeugung versteht. Führungskräfte tragen dabei besondere Verantwortung: Sie gehen nicht nur als Vorbild voran, sondern es ist wichtig, dass sie ihre Teams befähigen und ihnen die Sicherheit geben, was im Reklamationsfall in ihrer Kompetenz liegt. Wer sich außerdem aktiv mit typischen Gesprächssituationen und Reklamationstypen auseinandersetzt und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schult, stärkt deren Sicherheit und Souveränität. 

Jede Reklamation ist ein Kontaktpunkt mit Potenzial. Wer sie professionell, empathisch und individuell meistert, kann nicht nur verlorenes Vertrauen zurückgewinnen, sondern langfristige Kundenbeziehungen stärken. In einer beratungsintensiven Branche wie der Augenoptik zählt genau das – mehr denn je.

Praxisbeispiele aus dem Augenoptiker-Alltag

Fall 1: „Die Brille sieht ganz anders aus!“
Ein Kunde bemängelt Form oder Farbe der bestellten Brille.
Antwort: „Danke, dass Sie das so offen ansprechen. Was genau weicht von Ihrer Vorstellung ab?“ 
Analyse, Lösungsvorschlag (zum Beispiel Neuanpassung oder Umtausch) und gegebenenfalls ein Kulanzangebot

Fall 2: „Im Internet ist die Brille viel günstiger!“
Der Preisvergleich führt zur Kritik.
Antwort: „Das stimmt – viele Onlineanbieter haben andere Preismodelle. Welche zusätzlichen Leistungen sind Ihnen bei uns aufgefallen?“ 
Gespräch auf Mehrwert lenken: individuelle  Beratung, Anpassung, Nachsorge, Garantie

Fall 3: „Ich brauche die Brille für die Ferien!“
Zeitdruck erzeugt Frust.
Antwort: „Wann genau geht’s los? Ich prüfe, was wir tun können.“ 
mögliches Expressverfahren prüfen, ehrlich über Optionen sprechen, Alternativen anbieten

Geschrieben von

Evelyne Peter

Evelyne Peter

Kommunikationstrainerin und Mediatorin

Evelyne Peter begleitet seit über 13 Jahren Unternehmen in Servicequalität, Kommunikation und Führung. Sie entwickelt praxisnahe Trainings für nachhaltige Verhaltensänderung und starke Kundenbeziehungen.

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