Geschichten statt reine Fakten Die Macht des Storytellings: Gänsehaut lügt nie
10.07.2025
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Geschichten bleiben bis zu 22-mal besser im Gedächtnis der Menschen als reine Fakten. Augenoptische Fachgeschäfte können davon wegen des sehr persönlichen Kontakts zu ihren Kunden in besonderem Maß profitieren.
Erstveröffentlichung in der DOZ 07I25
Diese Elemente entstehen nicht durch reine Information, sondern durch emotionale Erlebnisse. Und genau hier entfaltet Storytelling seine volle Kraft: als strategisches Instrument moderner Kundenkommunikation. Als Methode, die Menschen kanalübergreifend nicht nur anspricht, sondern bewegt. Gute Geschichten verbinden das „Was“ mit dem „Warum“. Sie erzeugen die Verbindung zwischen Fakten und Gefühlen – und machen so Marken, Produkte und Erlebnisse erinnerbar. Künstliche Intelligenz und einige wenige erzählerische Fähigkeiten sorgen zudem dafür, dass gutes Storytelling heute von jedem Unternehmen umgesetzt werden kann, ganz gleich, wie groß es ist.
Gute Geschichten verkaufen
Storytelling ist weit mehr als ein Trendbegriff. Es ist ein methodischer Ansatz, der Unternehmen erlaubt, ihre Werte sichtbar zu machen und ihre Botschaften mit Bedeutung aufzuladen. Seine Wurzeln reichen tief: Schon in den frühsten Zeiten der Menschheitsgeschichte saßen Individuen zusammen am Lagerfeuer und erzählten sich Geschichten. Je emotionaler die Geschichte war, umso relevanter war sie. Das hat sich fest in unserem Gehirn verankert. Als Grundlage moderner Storytelling Strategien gilt die sogenannte Heldenreise, wie sie der Mythenforscher Joseph Campbell herausgearbeitet hat. Er analysierte tausende Geschichten, Mythen, religiöse Überlieferungen und kulturelle Narrative und kam zu dem Ergebnis, dass sie alle einer universellen Struktur folgen – einer Dramaturgie, die unser Gehirn besonders gut erkennt, versteht und abspeichert.
Wenn eine Geschichte diesem Muster folgt, aktiviert sie tief verankerte kognitive Mechanismen. Jerome Bruner hat in seinem Werk „Actual Minds, Possible Worlds“ dargelegt, dass Geschichten – im Gegensatz zu reinen Fakten – bis zu 22-mal besser im Gedächtnis der Menschen bleiben. Denn wir wissen: Gänsehaut lügt nie. Für Unternehmen bedeutet das: Wer seine Botschaft in eine narrative Struktur bringt, bleibt im Gedächtnis. Für Unternehmen zudem besonders wichtig: Gute Geschichten verkaufen und sorgen für höhere Verkaufserlöse.
Experiment „Significant Objects“
Ein eindrucksvolles Beispiel für die verkaufspsychologische Kraft von Storytelling ist das Experiment „Significant Objects“: Zwei Autoren kauften einfache Gegenstände für unter 1,50 Dollar auf eBay und erzählten dazu fiktive, aber emotionale Geschichten. Die gleichen Produkte wurden dann mit exakt den gleichen Produktfotos, aber den neuen Geschichten, neu auf eBay eingestellt. Der Verkaufserlös der Produkte, deren gesamter Einkaufswert bei circa 130 Dollar lag, stieg auf über 8.000 Dollar. Der Unterschied waren lediglich die Geschichten, sie führten zu der erheblichen Wertsteigerung der Produkte. Die komplette Studie inklusive aller Beispiele und Texte ist unter https://significantobjects.com/ Besonders augenoptische Fachgeschäfte können hiervon in hohem Maß profitieren – denn in kaum einer anderen Branche ist der Kontakt so persönlich, der Beratungsprozess so individuell und das Produkt so stark mit Identität und Selbstbild der Kundschaft verknüpft. Das birgt enormes Potenzial für eine hohe Kundenbindung und wird doch bis dato allzu oft vernachlässigt.
Diese goldene Kanninchenkerze wurde im Rahmen des Experiments „Significant Objects“ für drei Dollar gekauft und späte mit einer Geschichte für 112,50 Dollar weiterverkauft.
Von einem Anbieter unter vielen zum Berater, Partner, Vertrauten
Sehberatung ist Vertrauenssache. Eine Brille ist weit mehr als eine Sehhilfe – sie ist Statement, Stilmittel und oft ein Thema, das mit Unsicherheiten verbunden ist. Kunden bringen individuelle Wünsche und persönliche Geschichten mit – und genau diese lassen sich durch Storytelling aufgreifen und weiterentwickeln. Das Fachgeschäft wird so vom neutralen Anbieter zum empathischen Begleiter. Von einem Anbieter unter vielen zu einem Vertrauten, einem Berater, einem Partner, dem die Kunden vertrauen. Früher benötigte man für die konkrete Umsetzung von Storytelling im Unternehmenskontext erhebliche Vorkenntnisse. Das hat sich maßgeblich geändert. Natürlich ist es von Vorteil, die Methode genau zu kennen. Aber um zu beginnen, reicht es heute, künstliche Intelligenz fachmännisch bedienen zu können und die Storytelling-Formel, die eigentlich zwölf Schritte umfasst, in der gekürzten Version zu kennen. Denn es ist erwiesen, dass annähernd die gleichen Effekte wie bei der kompletten Umsetzung der Heldenreise entstehen, wenn nur vier Elemente daraus umgesetzt werden. Eine wirksame Verkaufsstory basiert auf folgenden vier einfachen Komponenten:
1. Protagonist: Wer erlebt die Geschichte? (z. B. ein zehnjähriger Junge mit Sehproblemen)
2. Problem: Was steht auf dem Spiel? (z. B. Konzentrationsprobleme in der Schule, Fehldiagnose)
3. Ziel: Was wünscht sich die Hauptfigur? (z. B. endlich klar sehen, Freude am Lernen)
4. Lösung: Was ist Ihre Rolle als Augenoptiker? (z. B. umfassende Beratung und passende Nachtlinsen)
Diese Formel lässt sich leicht anwenden – und mit Hilfe von KI sogar automatisieren. So können Augenoptikerinnen aus echten Alltagssituationen im Handumdrehen emotionale, relevante Inhalte schaffen.
Praxisbeispiel: Pauls Geschichte
Eine Familie kommt mit ihrem zehnjährigen Sohn Paul ins Fachgeschäft der Augenoptikerin Linda M. Der Junge wirkt in der Schule unkonzentriert, die Eltern sind ratlos. Bei der Untersuchung stellt sich heraus: Der Junge leidet unter starker Myopie. Linda empfiehlt spezielle Nachtlinsen. Heute wacht der Junge mit klarem Blick auf, geht motivierter zur Schule, hat bessere Noten und ist viel glücklicher.
Genau dafür steht Linda mit ihrem Team: Sie möchte nicht als „Brillenverkäuferin“ wahrgenommen werden – dieser Begriff greift für sie viel zu kurz. Ihre tägliche Arbeit besteht nicht nur aus dem Anpassen von Gläsern oder der Auswahl einer schönen Fassung, sondern darin, Menschen wirklich zu helfen: besser zu sehen, sich wohler zu fühlen, im Alltag selbstsicherer zu sein und ein glücklicheres Leben zu führen. Linda versteht sich als Seh-Coach. Sie hört zu, fragt nach und sucht gemeinsam mit den Kunden nach individuellen Lösungen. Gerade in Fällen wie dem des Jungen zeigt sich, wie groß der Unterschied zwischen Verkauf und echter Beratung sein kann.
Diese Geschichte – kurz, konkret, emotional – eignet sich perfekt für Flyer, Social Media oder ein Schaufensterplakat. Sie kann mit Storytelling perfekt inszeniert werden, und sie zeigt, wie persönliches Engagement und gute Kommunikation das Bild einer ganzen Branche verändern können.
Ideen fürs Storytelling im Umfeld eines augenoptischen Betriebs
Für die Umsetzung der Storytelling-Formel bieten sich im Umfeld eines Augenoptik-Betriebs sehr viele Geschichten an, zum Beispiel:
• Die Geschichte des Unternehmens: Warum wurde das Geschäft gegründet? Welche Werte prägen das Team?
• Kundengeschichten: Erfahrungen und Verwandlungen, die Kunden mit ihrer neuen Brille machen, so wie im Beispiel von Linda und Paul
• Produktgeschichten: Die Herkunft eines Designs, nachhaltige Materialien, technologische Innovation;
• Teamgeschichten: Warum Mitarbeitende diesen Beruf gewählt haben, was sie antreibt;
• Alltagsgeschichten: Kleine, authentische Szenen – vom ersten Beratungsgespräch bis zur Brillenabholung
Info: Drei typische Storytelling-Irrtümer
1. „Meine Geschichte ist nicht besonders.“
Doch! Ihre Geschichte ist einzigartig, weil sie echt ist.
2. „Ich kann nicht erzählen.“
Sie brauchen keine Ausbildung im kreativen Schreiben – sondern nur die Storytelling-Formel für die Struktur, gute KI-Kenntnisse (beides können Sie sehr schnell erlernen) und/oder einen guten Mentor.
3. „Kunden interessieren sich nicht für Geschichten.“
Doch. Sie interessieren sich nicht für Werbung – aber sehr wohl für Erfahrungen, die sie emotional berühren. Evolutionsbedingt interessieren sie sich nicht nur, sie haben keine Chance, sich gegen gute Geschichten zu verschließen. Das macht Storytelling im Marketing so interessant.
Warum Gefühle immer entscheiden
Täglich prasseln tausende Informationen auf uns ein. Umso wichtiger ist es, im sogenannten Fünf-Prozent-Relevanzbereich des Gehirns zu landen – dort, wo Entscheidungen tatsächlich entstehen. Geschichten umgehen die „Marketing-Abwehr“ und setzen direkt bei den Emotionen an. Sie fördern die Ausschüttung von Oxytocin, dem Bindungshormon. Gute Geschichten lassen uns fühlen – und Handlungen folgen.
Wer nur Produktinformationen liefert, bleibt auf dem Spielfeld der Vergleichbarkeit. Wer die Bedürfnisse der Zielgruppe in den Mittelpunkt stellt, spielt in der oberen Liga. Und wer emotional erzählt, steht kommunikativ in der Champions League. Storytelling ist keine Modeerscheinung, keine Marketing- Spielerei und kein künstlich erzeugter Trend. Es ist keine Verkaufsmasche und kein KI-generierter Fake. Storytelling ist die älteste Form der menschlichen Kommunikation – und heute aktueller denn je.
Viele Fachgeschäfte verfügen bereits über zahlreiche Geschichten – sie sind nur noch nicht erzählt. Deshalb ist der erste Schritt: zuhören. Was bewegt das Team?Was bewegt die Kundschaft? Welche Momente waren besonders eindrücklich? Daraus entsteht der Rohstoff für gutes Storytelling.
Wie Sie Storytelling praktisch integrieren
Dank KI-Tools können Augenoptikerinnen heute ohne viel Aufwand Inhalte erstellen. Texte, Karussells, Videos – alles auf Basis echter Geschichten aus dem Alltag. Tools wie ChatGPT, Copilot oder Canva helfen, Storys zu strukturieren, zu gestalten und auf verschiedenen Kanälen zu veröffentlichen. Was es dafür braucht: ein bisschen Übung, ein gutes Beispiel – und die Bereitschaft, die eigene Geschichte endlich zu erzählen.
Menschen erinnern sich nicht an Fakten – sie erinnern sich an Gefühle und Geschichten. Wer in der Augenoptik emotional kommuniziert, schafft echte Verbindung. Und wer Verbindung schafft, gewinnt nicht nur Kunden – sondern hält sie langfristig. Storytelling ist kein Add-on, sondern ein strategisches Instrument – ehrlich, empathisch und wirtschaftlich wirkungsvoll. Gerade in diesen Zeiten, in denen Kosten, Wettbewerbsdruck und Vergleichbarkeit steigen, ist Storytelling der rettende Anker im Meer der Unterschiedslosigkeit für jedes Unternehmen.
Info: Hilfreiche Ansätze fürs Storytelling
• Story-Sammlungen im Team: In regelmäßigen Meetings werden Erlebnisse und Beobachtungen notiert;
• Entwicklung einer Storydatenbank: Einfache Excel-Tabellen oder Notiztools reichen aus, um Geschichten zu archivieren;
• Contentplanung mit Story-Fokus: Welche Geschichte erzählt der nächste Facebook-Post? Welcher Newsletter kann ein persönliches Erlebnis transportieren?
• Visualisierung: Bilder sagen mehr als tausend Worte – deshalb lohnt es sich, Geschichten mit Motiven oder Kurzvideos zu stützen;
• Einheitliche Erzählweise: Eine klare „Stimme“ im Marketing schafft Wiedererkennbarkeit und Vertrauen.