Sehhilfen wieder im Leistungskatalog

Krankenversichertenkarte
Bald mit der Krankenversichertenkarte zum Augenoptiker.
© Pixabay

Die gesetzlichen Krankenversicherungen zahlen zukünftig wieder eine Erstattung für Sehhilfen über den bislang gültigen Ausnahmegelungen für Versicherte ab 18 Jahren. Das hat der Deutsche Bundestag heute am 16. Februar 2017 so beschlossen. Damit findet die Erstattungsregel, die seit 2004 Bestand hat, ein Ende. Welche Folgen diese Entscheidung für die Augenoptik und insbesondere die Augenoptiker hat, muss abgewartet werden. Denn zunächst liegt einmal viel Arbeit vor den Verantwortlichen, denn nicht nur die Festbetragsliste braucht unter diesen neuen Voraussetzungen dringend eine Überarbeitung. Auch müssen neue Verträge mit den Krankenkassen geschlossen werden, und nicht zuletzt müssen die Augenoptikbetriebe die nötigen Informationen über die Neuregelungen erhalten, um sich auf diese veränderte Situation einstellen zu können. Über die Folgen und die anstehende Arbeit wird die DOZ in den kommenden Wochen ausführlich an dieser Stelle informieren, zunächst einmal soll es aber darum gehen zu erklären, warum und was neu geregelt wurde.  

Veränderungen sind sicher, manchen freut’s, andere ärgert’s

Es wird Veränderungen geben für die Betriebe, das ist sicher. Etliche selbstständige Augenoptiker werden sich darüber freuen, denn sie sehen in einer weitreichenderen Erstattung der GKV einen Anreiz für Fehlsichtige, sich eher eine neue Brille oder Kontaktlinsen zu gönnen. Mindestens so viele Kollegen aber dürften diese Neuregelung mit einer Faust in der Tasche begleiten, waren sie doch in den vergangenen 13 Jahren froh darüber, möglichst wenig bis gar nichts mit den Krankenkassen zu tun haben zu müssen.

Das Jahr 2004 darf durchaus immer noch als ein für die Augenoptik besonderes betrachtet werden, schließlich flogen die Sehhilfen vor 13 Jahren aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) raus – mit den bekannten Ausnahmen, die plötzlich in diesem Spätwinter für Aufregung sorgen. Denn einem Änderungsvorschlag zum Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz (HHVG) zufolge, sollte die Erstattung für Sehhilfen unabhängig von den bislang geltenden Ausnahmeregeln für Versicherte über 18 Jahren wieder eingeführt werden:  Ab einem maximalen Visus von 0,1 sollten gesetzlich Versicherte Fehlsichtige wieder eine Sehhilfe zu Lasten der GKV erhalten.

So erhalten gesetzlich Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, zukünftig eine Erstattung, wenn sie mit mehr als sechs Dioptrien myop oder hyperop sind oder ihr Astigmatismus mehr als vier Dioptrien beträgt.

Dieser Ursprungsantrag der BAG Selbsthilfe (Vereinigung der Selbsthilfeverbände behinderter und chronisch kranker Menschen und ihrer Angehörigen in Deutschland) und des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes ist in dieser Form vom Bundestag nicht verabschiedet worden. Trotzdem aber stehen Änderungen ins Haus, denn prinzipiell wurde dem Antrag entsprochen, nur aufgrund der zu erwartenden immensen Kosten wurden die Regelungen für die Inanspruchnahme einer Erstattung etwas „höher“ angesetzt. So erhalten gesetzlich Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, zukünftig eine Erstattung, wenn sie mit mehr als sechs Dioptrien myop oder hyperop sind oder ihr Astigmatismus mehr als vier Dioptrien beträgt.

Warum es nun zu dieser Regelung kam, lässt sich anhand einer Aussage von Dr. Jan Wetzel, Geschäftsführer des ZVA, ablesen: „Das Heil- und Hilfsmittelgesetz zielt darauf ab, das so genannte Sachleistungsprinzip zu stärken. Generell sollen gesetzlich Versicherte vermehrt Leistungen ohne Aufzahlung zur Verfügung gestellt werden. Der zu Beginn diskutierte Vorschlag aber hätte voraussichtlich jährliche Kosten von 500 Millionen bis zu einer Milliarde Euro verursacht, konservativ gerechnet.“ Und das war den Entscheidern dann wohl zu viel: Denn einen freien Visus von 0,1 oder weniger, der zu einer Erstattung geführt hätte, haben nahezu alle Menschen mit einer Kurzsichtigkeit ab etwa zwei Dioptrien, hinzu kommen ältere Leute mit einer entsprechenden Hyperopie. Schätzungen zufolge hätten demnach sechs Millionen Menschen einen Anspruch auf Erstattung gehabt, zusätzlich zu den Kosten für die bisher ohnehin geltenden Ausnahmeregelungen.

 

Bisherige Regelung
Seit 2004 bestand für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, ein Anspruch auf Sehhilfen, wenn sie auf Grund ihrer Sehschwäche oder Blindheit, entsprechend der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlenen Klassifikation des Schweregrades der Sehbeeinträchtigung, auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 aufweisen. Diese liegt vor, wenn die Sehschärfe (Visus) bei bestmöglicher Korrektur mit einer Brillen- oder Kontaktlinsenversorgung auf dem besseren Auge < 0,3 beträgt oder das beidäugige Gesichtsfeld < 10 Grad bei zentraler Fixation ist (vgl. § 12 Abs. 1 der Hilfsmittel-Richtlinie). Anspruch auf die Versorgung mit Kontaktlinsen für anspruchsberechtigte Versicherte nach Absatz 2 besteht nur in medizinisch zwingend notwendigen, vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) zu bestimmenden Ausnahmefällen. 

 

Diese Ausnahmeregelungen (siehe Kasten) waren nun Stein des Anstoßes, weil das Abstellen der Ausnahmeklausel auf die bestmögliche Korrektur von Patientenvertretern als zu restriktiv angesehen wurde. Benachteiligt seien vor allem Versicherte, die ohne Korrektur durch eine Brille oder Kontaktlinse eine massive Sehbeeinträchtigung aufweisen, mit bestmöglicher Sehhilfenkorrektur aber nicht mehr zum anspruchsberechtigten Personenkreis gehören. Daraus resultierte der ursprüngliche Änderungsantrag, der forderte, dass für die Bestimmung einer Sehbehinderung maßgeblich sein müsse, welche Sehschärfe ein Versicherter ohne Korrektur erreichen kann. 2010 hat auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ihre internationale Klassifikation für Sehbeeinträchtigungen dahingehend verändert; seitdem ist die Sehschärfe nicht mehr zwingend mit bestmöglicher, sondern nur noch mit der gegenwärtig vorhandenen Korrekturmöglichkeit zu bestimmen.

Dr. Jan Wetzel
Dr. Jan Wetzel © Stefan Sturm

Die Regelung ab 2004 war damals ein Paukenschlag für die Augenoptik, nicht wenige der hiesigen Gesundheitshandwerke, Kollegen und auch Verbände und Organisationen im Ausland beneideten die Branche und die Augenoptiker in Deutschland darum. Auf der anderen Seite liegt in der Neuregelung aber vielleicht auch eine Chance für die inhabergeführten Geschäfte, vielleicht sogar eine für die Verbände und Innungen, um mal wieder mit ihren Leistungen zu werben? „Zunächst einmal wird auf uns viel Arbeit zukommen: Die Produktgruppe 25, in denen die Sehhilfen im Hilfsmittelkatalog des Dachverbandes der Krankenkassen untergebracht sind, muss dringend überarbeitet werden, gleiches gilt für die Festbetragsliste. Es müssen neue Verträge mit den Krankenkassen geschlossen und Informationen für die Innungsbetriebe bereitgestellt werden“, erklärt Wetzel dazu.

Schreiben Sie uns Ihre Meinung, was halten Sie von dieser neuen Regelung?