Nach der Farbe kommt der Tönungsgrad

Brillengläser mit phototropen Lack
Frame Tec produziert und lackiert die Gläser mit Phototropie selbst.
© Frame Tec

Etwas Besonderes, etwas Neues – das sind phototrope Brillengläser bestimmt nicht mehr, denn seit mehr als 50 Jahren werden diese Gläser verkauft. Nun präsentierte aber das Unternehmen Frame Tec eine neue Anwendung der Phototropie. Statt wie bisher die phototropen Moleküle ins Glas zu integrieren, setzt die Einschleifwerkstatt aus Zschopau (Sachsen) jetzt auf einen phototropen Lack, den sie auf jeden beliebigen Rohling auftragen kann. Das klingt sehr simpel und die ersten lackierten Brillengläser sind jetzt im Handel erhältlich. Die DOZ fragte Stefan Praedicow, Geschäftsführer der im Erzgebirge ansässigen GmbH, was es mit den lackierten Rohlingen auf sich hat.
 
Ob Rohlinge aus Glas oder Kunststoff, bisher werden die phototropen Farbstoffmoleküle überwiegend integriert. Frame Tec, eine Einschleiferwerkstatt aus Zschopau, will nun den Markt mit seiner neuen Anwendung der Phototropie stürmen. Das Unternehmen spezialisierte sich auf der Verglasung von Sportbrillen. Immer wieder gab es Engpässe bei der Lieferung von Rohlingen. Nun produziert das sächsische Unternehmen die Gläser selber und versieht sie auf Wunsch mit einem phototropen Lack. Seit Anfang August sind die Gläser erhältlich.

DOZ: Herr Praedicow, Frame Tec lackiert die Phototropie auf die Brillengläser. Warum sollte der Augenoptiker Ihre Produkte beziehen?

Stefan Praedicow: Ich denke, dass wir durch diese Technologie sehr preis­ wert  im  Vergleich  zum  Wettbewerb anbieten können. Das Besondere bei unseren phototropen Brillenglä­sern ist, dass wir nicht, wie sonst üblich, phototrope Rohlinge bei der Produktion verwenden. Wir können die Phototropie als eine Beschichtung auf beliebige Kunststoffgläser aufbringen, sogar auf Gläser aus Trivex­ Material und unabhängig vom Index. Da­ durch können wir auch Gläser vortönen. Das heißt, wir können ein Brillenglas mit einer beliebigen Vortönung von 15, 20 oder 50 Prozent im Tauchverfahren versehen und im Nachgang noch eine phototrope Schicht aufbringen, sodass das Glas von der vorher festgelegten Einfärbung aus dunkler wird.

Gibt es weitere Vorzüge für den Augenoptiker?

Die Technologie ist vor allem dann von Vorteil, wenn ich die zusätzlichen Optionen für  mein Brillenglas möchte: erst eine Vortönung  auf  das  Glas oder eben vom Standard abweichende Phototropie wie die 60 Prozent. Oder ich habe sehr hochbrechende Gläser, also zum Beispiel Index 1.74, die im Einstandspreis, wie schon erwähnt, sehr teuer sind. Dort sind wir deutlich preiswerter,  da reden wir nicht von ein paar Euro, da rede ich von Faktoren.   

Was bedeutet das technisch gesehen?

Neu dabei ist unsere Beschichtung. Bisher müssen alle Brillenglashersteller auf phototrope Rohlinge zurückgreifen, die man nicht mehr nachträglich färben kann – es sei denn, man nimmt eine große Ausschussquote in Kauf. Meistens geht dabei die Phototropie kaputt. Wir hingegen zäumen das Pferd von hinten auf: Ich trage erst die Farbe auf  und  dann die Phototropie, auch in verschiedenen Abstufungen. Also zum Beispiel Markführer Transitions „Transitions Signature“, welches glaube ich von fünf bis 85 oder 88 Prozent einfärbt und dann noch das „Transitions Xtractive“, welches bei Maximaleinfärbung noch einiges dunkler wird. Wir können zusätzlich eine phototrope Variante anbieten, die sich maximal bis 60 Prozent einfärbt. Phototrope Gläser, die nicht so dunkel werden, sind gerade für ältere Leute angenehm. Denn gerade im Winter bringt der normale Tönungsgrad häufig Nachteile. Wenn sie zum Beispiel aus klirrender Kälte und Sonnenschein kommen und einen Raum betreten, dann sind sie blind. Hier haben wir eben auch die Variante einer helleren Tönung. Bis jetzt sind die phototropen Rohlinge bei den großen Vorlieferanten relativ teuer. Und gerade die höchstbrechenden Gläser mit Phototropie, da diese eher selten gebraucht werden, umso mehr. Wir hingegen haben einen festen Zuschlag von elf Euro auf das Grundglas, das dann phototrop ist.

Stefan Praedicow vor der phototropen Beschichtungsanlage
Mit der neuen phototropen Beschichtungsanlage können Stefan Praedicow und sein Team jeden Rohling lackieren lassen. ©Frame Tec

Stellen Sie die Grundgläser selber her?

Wir haben erst letzte Woche eine Freiformstrecke von Optotec aus Wettenberg bekommen. Wir können bis zu einem Volumen von circa 50 Paar Gläsern am Tag fertigen, vom Einstärkenglas bis hin zum individuellen Gleitsichtglas, in jedem Index. Dann können wir auch die gewünschte Nachbehandlung durchführen: mit normaler Hartcode­Superentspiegelung, Lotusbeschichtung oder eben mit der Phototropie.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen?

Wir als Frame Tec sind seit einigen Jahren in Sachen Verglasung von Sportbrillen unterwegs. Darauf haben wir uns spezialisiert. Das heißt wir haben vier bis fünf Rohlieferanten. Wir haben dem Augenoptiker ein Brillenglasprogramm zusammengestellt – im Prinzip als Großhändler und als Firma, das auch die Einarbeitung mit spezieller Fräßtechnik vornimmt. Bei den Rohlieferanten stießen wir immer  wieder  auf Lieferengpässe und Qualitätsprobleme. Zum Beispiel die Durchmesser in Kombination mit hohen Basiskurven können bei Sportgläsern so zum Problem werden. Die meisten Lieferanten,  die das sehr große Spektrum der benötigten Stärken und Materialvarianten liefern können, sitzen meist im europäischen Ausland. Die Lieferzeiten waren dann eben sehr lange. Das wurde vom Augenoptiker nicht toleriert.

Solange wollen die Kunden natürlich nicht warten. Wie ging es weiter?

Da stand die Entscheidung an: was tun wir? Da flatterte mir eines Tages ein Angebot von Optotech über ein Freiformlab ins Haus. Das heißt erst mal grundsätzlich, Brillengläser selbst herstellen zu können. Im Laufe der Gespräche, die sich über zwei Jahre hingezogen haben, bot man uns dann eine Neuerung an. Wir haben jetzt die Möglichkeit in der Hartlack­ anlange zusätzlich eben diese phototrope Beschichtung mit aufzubringen. Es war dann ein Mehrpreis von circa 60.000 bis 70.000 Euro. Über ein oder zwei Jahr gerechnet, sind die phototropen Rohlinge unter dem Strich wesentlich teurer.

Was bedeutet das genau?

Wir streben eine sehr große Verfügbarkeit von hochkurvigen Gläsern – nicht nur Kurve acht, sondern teilweise auch Kurve neun und zehn im Durchmesser 80 an. Viele Hersteller können nur den Durchmesser 70 oder 75 liefern; wir hingegen können auch den Durchmesser 80 liefern und gerade für den Sportbereich bis zu zehn Millimetern Vorderzentration fahren – die Technik von Optotech macht’s möglich. Das heißt, wir können ein Glas im Durchmesser von 80/100 Millimeter herstellen, zum Beispiel für Sportler mit Kontrast vorgetönt, phototrop, entspiegelt oder verspiegelt. Wir bieten zusätzlich fünf verschiedene Spiegelfarben an und sind trotz unserer kleinen Unternehmensgröße sehr flexibel.

Seit wann kann der Augenoptiker Ihre Gläser kaufen?

Ganz frisch. Seit letzter Woche!

Wer kauft die ganz dunklen Brillengläser mit einem Verdunklungsgrad auch jenseits der 90 Prozent?

Der Bedarf an diesen starkdunkelnden Gläsern wird deutlich geringer sein. Meine Prognose ist, dass eher das Standard­ oder das hellere Glas nachgefragt werden. Beim helleren Glas gibt es meines Wissens nach keine Alternative am Markt. Die dunkleren Gläser werden dort zum Einsatz kommen, wo zum Beispiel auf die Gläser noch eine zusätzliche Verspiegelung aufgebracht wird. Das bedeutet, dass die Verspiegelung für Sport­ und Modesonnenbrillen einen Teil des Lichtes reflektieren und eben auch  einen Teil des UV­Lichtes, das für die automatische Eindunkelung notwendig ist. Bringe ich auf ein normales phototropes Glas eine Verspiegelung auf, wird das nie so dunkel werden wie ohne Verspiegelung. Aber auch für Personen, die im Hochgebirge unterwegs sind. Es wird weniger dunklere Orders geben, als vielmehr die Standard­ oder hellere Tönung – davon bin ich überzeugt.

Erst seit kurzer Zeit bieten Sie ihre eigenen phototropen Gläser an. Was planen Sie außerdem in diesem Bereich?

Wir bekommen zum Jahresende noch ein Update auf die Lackanlage, mit deren Hilfe wir die phototrope Schicht sogar mit Verlauf herstellen können. Wir können bereits jetzt die Phototropie auf Polarisationsgläser aufbringen. Wir bieten auch ein Grundglas vom US­amerikanischen Blank­Hersteller Younger Optics an, das „NuPolar grey 1“, ein lediglich 60 Prozent gefärbtes Polarisationsglas. Das kann man dann mit einer zusätzlichen Phototropie versehen. Das heißt, ich habe im Rohzustand eine 60­prozentige polarisierende Tönung, die bei Sonneneinstrahlung bis zu 85 oder 90 Prozent nachdunkelt. Das ist die flexible Anwendung der Phototropie – die ich auf jedes Material aufbringen kann. Auch bei Office­Gläsern. Wenn der Kunde zum Beispiel auch im Garten mit seiner Office­Brille lesen möchte und diese soll dunkel werden, dann machen wir das.

Warum ist nicht schon jemand früher darauf gekommen die Rohlinge mit einem phototropen Lack zu versehen?

Eine gute Frage, die ich Ihnen leider nicht beantworten kann, da wir ja nicht der Erfinder dieser Technologie sind. Diese Frage könnte man aber sicherlich bei jeder Innovation stellen, die einfach und genial ist.