„Die Dezenz in der Augenoptik ist immer ein Ersticken der Kunden in Langeweile“

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Der große Tresen in der Mitte verbindet den unteren mit dem oberen Teil bei One Million Glasses.
© didid

Das Augenoptik-Gen ist bei Hauke und Marc-Oliver Peters fest verankert. Schließlich entstammen sie einer wahren Augenoptiker-­Dynastie. Ihr Vater Werner Peters ist Augenoptikermeister, die Schwester Bettina auch. Kein Wunder also, dass beide, wenn auch nicht auf direktem Weg, ebenfalls in der Branche gelandet sind. Doch das Einfache, das Normale war nie ihr Ding, sie waren schon immer anders – in vielen Bereichen. 1999 eröffnete Hauke seinen ersten eigenen Laden unter dem Namen „Stilplus Optik“ in Bremen (zuvor hatte er drei Jahre zusammen mit seiner Schwester „Augenblick Optik“ ebenfalls in Bremen geführt), 2006 machte sich auch Marc-Oliver (damals 23 Jahre alt) in der Schanze in Hamburg mit „Six Million Glasses“ selbstständig. Zusammen expandierten die beiden 2011 schließlich auch noch in den Hamburger Stadtteil Ottensen und machten sich fortan mit „Neonbox Optics“ einen Namen. So unterschiedlich wie die Namen, so unterschiedlich präsentierten sich auch die Geschäfte in Konzept und Design. Während Zweiteres bereits in die DNA übergegangen ist, gab es zumindest beim Namen mittlerweile eine Kehrtwende: „One Million Glasses“ heißen nun beide Hamburger Läden der Peters-­Brüder.

Peters und Meyer
Im Hamburger Stadtteil Ottensen haben die Brüder
Marc-­Oliver und Hauke Peters zusammen mit Kjeld
Meyer von der Designagentur didid (von rechts) das
neue Ladenlokal von One Million Glasses entworfen.
(Foto: David Friederichs)

„Es war einfach schwierig in der Kommunikation. Für den Kunden war es kaum zu realisieren, dass hinter beiden Geschäften die gleichen Inhaber stehen“, erklärt Hauke Peters. Als Anfang des Jahres der Entschluss für ein neues Ladenlokal in Ottensen feststand, wurde zeitgleich auch die Namens­änderung in Gang gesetzt. „Wir wollten schon länger in eine zen­tralere Lage in Ottensen umziehen“, sagen die Inhaber. Mit dem Umzug ging auch die Frage einher, welches Designkonzept man nun umsetzen wolle. In der Neonbox hatten sich Hauke und Marc-Oliver Peters aus den 1980er Jahren treiben lassen. Weiße Hochglanzregale, neonfarbene Beleuchtung, dazu erst dunkelgrauer und später weißer Boden. „Manchmal waren wir vielleicht auch etwas zu mutig“, sagt Hauke. Oder es war nicht das Ladenkonzept, dass perfekt zu Standort und Publikum passte. Denn das ist es, was die Peters-Brüder mit ihren Konzepten verfolgen – so wie auch jetzt im neueröffneten Laden auf der Bahrenfelder Straße.

Die echten 70er herausgekitzelt

„Gut bürgerliche Bildungs­elite“ nennen sie die Bewohner von Ottensen, schnell war durch die Erfahrungen mit Neonbox-Optik klar, dass die Inneneinrichtung eine Hommage an die frühen 1970er Jahre werden sollte – ein lässiger Retro-Style. Mit dieser Idee suchten sie Kontakt zu Kjeld Meyer. Der Inhaber der Hamburger Designagentur didid hatte schon die anderen Ladenlokale für Peters entworfen, kennt die Wünsche der beiden und ist mittlerweile sogar zu einem Freund geworden. „Entsprechend schnell hatten wir auch das Konzept erstellt“, erinnert sich Meyer. Die echten 1970er Jahre wollte man herauskitzeln, sich weniger am Space Age mit vielen rot und orange Tönen und den abgerundeten Formen orientieren, sondern eine Interpretation der Einrichtung entwerfen, wie sie Anfang der 1970er wirklich in den Wohnzimmern der Leute zu finden war. „Dabei wollten wir jedoch nicht zu 100 Prozent authentisch sein, es ging eher darum, einen modernen Laden zu entwerfen, der sich an die 1970er anlehnt“, erzählt Meyer. Die Ideenfindung war jedoch keine Einbahnstraße, sondern ein ständiger Austausch zwischen Agentur und Auftraggeber. „Nur wenn man in den Dialog geht, dann kommt am Ende ein Ergebnis zum Vorschein, das den Auftraggeber auch zufrieden stellt“, findet Meyer.

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Formen und Farben sind an den Stil der 1970er Jahre angelehnt. (Foto: didid)

Das Resultat ist eine Kombination aus indivi­dueller Retro-Tapete, dunklen Holzregalen und einem Lichtkonzept, das einladend und wohltuend wirkt. Und nicht zuletzt ein Laden, der zu den Brillen passt, die hier angeboten werden. „Wir bieten Brillen, die es nicht an jeder Ecke gibt. Und genau das soll auch der Laden vermitteln. Die Brillen sollen eine Geschichte erzählen, genauso wie es auch der Laden macht“, betont Hauke Peters. Je nach Standort verändert sich also nicht nur das Geschäfts­design, auch die Auswahl der Brillen ist entsprechend abgestimmt. „Die Kunden sollen schon beim Blick durchs Fenster eine Ahnung haben, was sie drinnen erwartet – etwas Modisches, Trendiges und in keinem Falle zu Konservatives“, unterstützt auch Meyer die Intention. Corporate Design, die heilige Kuh der Marketingexperten, spielt dabei rein optisch eine eher untergeordnete Rolle.

Punktuelle Reize, die neugierig machen

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Die Tapete wurde speziell für den Laden in Ottensen entworfen.
Die Farben erinnern an die 1970er Jahre. (Foto: didid)

Dabei geht es weniger um das Auffallen um jeden Preis, sondern vielmehr um ein Konzept, das neugierig macht, das Kunden in den Laden zieht, die genau zum Ziel­publikum gehören. Natürlich funktionieren solche speziellen Konzepte in Großstädten besser als in eher ländlich geprägten Regionen, sie zeigen aber, dass sich Individua­lität auszahlt. „Die Dezenz in der Augenoptik ist immer ein Ersticken der Kunden in Langeweile“, bringt es Hauke für sich auf den Punkt. Um dieser Langeweile entgegenzuwirken, müssen es nicht mal solch aufwändige Ladenkonzepte sein, wie sie die Brüder Peters nun ein weiteres Mal umgesetzt haben, oft reichen auch punktuelle Reize, die ein Zielpublikum definieren und die neugierig machen. „Der lokale Einzelhandel, also auch der Augenoptiker, kann seine Stärken nur ausspielen, wenn er sich auf seine originären Wurzeln besinnt: Beratung, Individualität, Erreichbarkeit, Treffpunktcharakter und nicht zuletzt Verführungskunst“, unterstreicht der didid-Designer. Der Einkauf müsse zu einem emotional nachhaltigen Erlebnis werden, das Ambiente beeinflusse die Kaufentscheidung enorm.

„Unsere Kunden sollen mit einem Lächeln den Laden verlassen“, sagt Hauke – und am besten schon mit einem Lächeln betreten. Vieles spiele sich im Unterbewusstsein ab. So ging es beim Ladendesign in Ottensen auch darum, den Kunden möglichst wie selbstverständlich durch das Geschäft zu führen. In der zuvor dort beheimateten Mode­boutique waren der vordere und hintere, höhe gelegene Bereich durch eine schmale Treppe gekoppelt, jetzt bietet sich den Kunden durch einen zentralen Tresen, der „oben“ mit „unten“ verbindet, ein ganz natürlicher Rundlauf durch das Geschäft. „Jeder Laden ist von seiner Grundaufteilung anders“, sagt Meyer und bei One Million Glasses machte sich didid genau das zunutze und unterstreicht diese Individualität mit dem individuellen Ladenkonzept.

Es wird sicherlich nicht das letzte ausgefallene Design sein, mit dem die beiden Brüder auf sich aufmerksam machen werden. Schließlich sind noch einige Ideen in den Hinterköpfen.