Brillentrends: Jeder Kunde möchte seiner Individualität Ausdruck verleihen

Gregor Thomsen und Klaas Stolzenburg Hanseatisches Brillenkontor
Gregor Thomsen (l.) und Klaas Stolzenburg setzten im Hanseatischen Brillenkontor in erster Linie auf Independent Label.
© Hanseatisches Brillenkontor

Jedes Jahr aufs Neue präsentieren Fassungshersteller ihre Trends für die kommende Saison. Der Augenoptiker informiert sich auf den großen Messen, kauft ein, und gibt durch seine Auswahl gewisse Trends auch an seine Kunden weiter. Doch gibt es aus Sicht des Augenoptikers überhaupt Must-haves und wie schafft man es, sich durch ausgewählte Fassungen von der Konkurenz abzuheben und für den Kunden interessant zu sein? Die DOZ sprach dazu mit Klaas Stolzenburg und Gregor Thomsen vom Hanseatischen Brillenkontor aus Hamburg.

Welche Fassungstrends und Materialen sind aus Ihrer Sicht für das aktuelle Jahr angesagt?

Stolzenburg/Thomsen: Nach wie vor im Trend sind runde Brillen - egal, ob Kunststoff oder Metall, wobei Metall gerade mehr im Trend ist. Hier gilt: dünnrandig und unauffällig. Bei Kunststoffbrillen sind die Kristalfarben sehr nachgefragt: clear, roséfarben, nude. Rosé liegt bei den Frauen momentan sehr im Trend und gold geht natürlich auch immer. Als bewusste Entscheidung gegen den Mainstream lassen sich auch massivere Fassungen mit breitem Fassungsrand gut tragen.

Wie schaffen Sie es, sich durch Independent Labels von der Konkurrenz abzuheben? Oder ist es die richtige Mischung, die zum Erfolg führt?

Independent Labels bieten die Möglichkeit, dem Kunden weitere Alternativen neben dem Mainstream aufzuzeigen. Bezogen auf Kollektionen, Farben und Formen hören wir häufig den Satz: „Das haben wir alles schon gesehen.“. Bei den Independent Labels steht das Besondere im Mittelpunkt und das lässt sich ganz einfach auch auf den Kunden übertragen. Es lässt sich eine Geschichte zur Brille erzählen und ermöglicht uns beim Kunden Emotionen hervorzurufen und zu vermitteln. Das Tragen einer Brille wird dadurch nicht nur zu einer Notwendigkeit, sondern bereitet auch Freude und ermöglicht es dem Kunden seiner eigenen Individualität Ausdruck zu verleihen. Dazu gehört es auch, eine Brille zu tragen, die nicht jeder Zweite oder Dritte auf der Nase trägt. Über die Independent Labels können auch Gespräche über Brillen zustande kommen, der Kunde kann etwas zu seiner Brille erzählen. Die Wertigkeit der Brille ist eine ganz andere, wenn die Brillen in Handarbeit hergestellt werden und/oder besondere Materialien verwendet werden. Kunststoffe ohne chemische Weichmacher und Erdöl ermöglichen es, dass sich die Fassung in ihrer Beschaffenheit nicht verändert. Carbon und Titan sorgen für einen ganz leichten Tragekomfort; das ist gerade für die Kunden sehr wichtig, die vielleicht nicht unbedingt eine Brille tragen möchten. So spüren sie die Brille kaum. Auch das Thema Klimakrise und Nachhaltigkeit lässt sich bei der Brillenauswahl aufgreifen. Recycelte Kunststoffe und Metalle machen es dem Kunden einfach auf die Umwelt zu achten. Solche Brillen lassen sich nicht online bestellen. Sie unterstreichen somit ihre Wertigkeit und setzen sich von der Konkurrenz ab, ohne dabei in einen Wettstreit um den günstigsten Preis zu geraten. Denn Qualität und Individualität haben nun einmal ihren Preis. Das Schöne bei diesen Brillenkollektionen ist, dass der Kunde den Preisunterschied auch fühlt. Sowohl in den Händen, als auch beim Aufsetzen und Tragen. Der Kunde bekommt so völlig neue Anreize beim Brillenkauf geboten und kann dann entscheiden, was für ihn wichtig ist. Letztendlich entscheidet sowieso immer der Kunde, was er haben möchte. Er sollte nur über seine vielen Möglichkeiten aufgeklärt sein.

Warum haben Sie sich für ihr Fassungskonzept und ihre Fassungsauswahl entschieden?

Für uns steht die Qualität und das Besondere im Vordergrund. Der Kunde soll auch den Unterschied zu den Industriefassungen spüren, soll nachvollziehen können, dass eine Fassung auch nachhaltig und hochwertig produziert werden kann. Fairness und Transparenz sowie Nachvollziehbarkeit, wo die Brille herkommt, stehen bei uns ganz oben auf der Liste. Konkurrenz mit dem Internet wollten wir vermeiden und das gelingt am besten mit Independentfassungen. Nach wie vor kann der Brillenbau als Handwerk betrachtet werden und das bezieht auch die Gläser mit ein. Individuelle Parameter wie die Baulänge des Auges können berücksichtigt werden und werden so auf den Kunden zugeschnitten. Wir bieten Qualität und Knowhow made in Germany.

Sehen Sie, dass Kunden vermehrt Wert auf Brillen von Independent Labels legen, fernab des Mainstreams?

Jeder Kunde möchte seiner Individualität Ausdruck verleihen, bewusst und unbewusst. Einige Kunden fragen gezielt danach, andere Kunden können es vielleicht gar nicht so richtig in Worte fassen. Aber dafür sind wir da, zum Beraten und Nachfragen und Wünsche erspüren. Social Media, Modemagazine und natürlich auch Vorbilder prägen unseren Geschmack und somit liegt es nahe, dass der Kunde sich informiert und auch über den Tellerrand hinausschaut. Kunden, die vielleicht noch nichts von Independent Labels gehört haben, machen wir darauf aufmerksam und können den Kunden erleben lassen, wo die Unterschiede zu den Industriefassungen liegen. Wir zeigen Möglichkeiten auf und lassen den tollen Look entscheiden.

Welche(n) Kunden/Kundenkreis ziehen Sie mit ihrem besonderen Brillenangebot an?

Wir leben im Jahr 2020. Wir alle fühlen uns als Individuum und haben eine Vielzahl von Möglichkeiten. Jeder möchte sich doch heute selbstverwirklichen. Mode spielt eine große Rolle und hilft sein Innerstes nach außen zu kehren. Dazu zählt auch die Brille. Egal ob Student oder Manager, eine Brille für 365 Tage im Jahr geht, aber wir ziehen auch nicht 365 Tage das gleiche Outfit an. Warum nicht auch mit der Brille spielen und sie mehr und mehr als Accessoire sehen, anstatt nur als Notwendigkeit?

Wie schnell reagieren Kunden auf Trends und neue Designs?

Trends werden sich immer durchsetzen und prägen für einige Zeit unseren Geschmack und unsere Erwartungshaltung. Bei dem einen früher und bei dem anderen vielleicht etwas später und es wird sich bewusst gegen den Trend entschieden. Alles ist möglich. Regionale Unterschiede spielen auch eine Rolle. Berlin, Hamburg, Köln oder München; oft ist an den Brillen auch die regionale Zugehörigkeit zu erkennen. Unser oberstes Prinzip bleibt aber, dass die Brille zum Kunden passen muss und natürlich auch zu seinen Dioptrien. So bunt wie die Welt ist, so bunt dürfen auch die Brillen sein.

Wie wichtig ist es neue Fassungen entsprechend zu präsentieren?

Brillen in Schubladen nützen niemanden und das Auge und der erste Eindruck sind immer wichtig, egal ob bei Menschen oder bei Brillen. Die Präsentation der Brillen ist entscheidend und sollte dabei immer zum Geschäft passen. Auch über die Präsentation können Unterschiede bezüglich des Konzepts des Geschäfts, der einzelnen Fassungen und der Qualität der Fassungen in den Fokus gerückt werden und somit ein Kaufanreiz entstehen. Gerade in den Metropolregionen, wo es viel Auswahl gibt, nehmen wir wahr, dass die Kunden häufig auch Lustkäufer sind, die vielleicht eine Brille im Schaufenster gesehen haben und deshalb entscheiden hier und jetzt zu kaufen. Wenn neue Fassungen dann nicht präsentiert werden, gehen Möglichkeiten verloren. Was nicht gesehen wird, kann auch nicht gekauft werden.

Das Interview führte David Friederichs


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