SPEZIAL
DOZ
09 | 2017
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Es brummt in der Augenoptik: Mehr als zwölf Millionen Brillen, insgesamt 38
Millionen Brillengläser wurden im letzten Jahr verkauft – Tendenz steigend
(Quelle: ZVA Branchenbericht 2016). Der Löwenanteil entfällt auf Kunststoffgläser
(94,6 Prozent), mineralische Gläser erreichen nur noch einen unbedeutenden An-
teil (5,4 Prozent). Die Industrie schaut dem Verbraucher tief in die Augen: Was
bewegt ihn, wie kann man sein Sehen unterstützen? Begehrlichkeiten des Brillen-
trägers geben in der Glasentwicklung den Takt an.
Wandel der Herstellungsstandards
weiter ausgeschöpft wurde. Die
2006 eingeführte Kombination
aus objektiver und subjektiver
Refraktion ermöglicht Augen-
optikern die Verarbeitung ei-
ner Vielzahl präziser, individu-
eller Daten – Abbildungsfehler
höherer Ordnung inklusive. „Die
hier genutzte Wellenfronttechnolo-
gie wird auch beim optischen Design
eingesetzt – Individualisierung und ma-
thematisch-optische Optimierung
von Gläsern sind damit deut-
lich besser als bei den seit
1912 üblichen punktuell
abbildenden Gläsern“, so
Timo Kratzer, Senior Di-
rector Lens Development
& Implementation bei
Zeiss. Moderne Beschich-
tungsverfahren optimieren
zudem Funktionalität und
Haltbarkeit von Präzisionsbril-
lengläsern, die darüber hinaus mit
speziellen Beschichtungen an besondere
Bedürfnisse angepasst werden können.
Hinzu kommt: Brillen sind bunter denn
je, die Auswahl an Farben für Gläser
und Fassungen ist bedeutend größer
geworden. Kurzum: Die Brillenglasent-
wicklung und -fertigung sah sich in der
letzten Dekade weitreichenden
Veränderungen unterwor-
fen. Nicht jede mit ei-
ner Vereinfachung zur
Folge. Prozesszeiten
wurden zwar radikal
reduziert, die Kom-
plexität bei Halbfab-
rikaten hat drastisch
abgenommen. Gleich-
zeitig sind die Ansprüche
an die Produktion aber enorm
gestiegen: durch die Vielfalt der Endpro-
dukte, aufwändige Beschichtungs- und
Veredlungsverfahren und vor allem mit
dem Siegeszug individueller Gläser. Allem
Wandel zum Trotz scheint der Grundsatz
des Augenoptikers Moritz von Rohr auch
heute noch gewisse Gültigkeit zu besitzen.
Ein Präzisionsbrillenglas bedingt dem-
nach drei grundlegende Voraussetzun-
gen: wissenschaftlich fundiertes optisches
Design, geeignete Herstellungsverfahren
zur Übersetzung des Designs in tragbare
Gläser und adäquate Ausbildung von
Augenoptikern zur Anpassung derselben.
Der Markt wächst und so die Produkt-
vielfalt. Trends, die die Entwicklungen
des letzten Jahrzehnts bestimmt haben:
Mobilität, Digitalisierung, Individualisie-
rung. Entsprechend die Neuerungen im
Glasdesign: Brillengläser fürs Autofahren,
für die „digitale Welt“ und individuelle
Speziallösungen, die immer präziser an
den Bedarf der Brillenträger angepasst
werden, definieren die Portfolios. Auch
die Auswirkungen von potenziell schädli-
chem Blaulicht durch digitale Endgeräte,
wie Smartphones, E-Reader,
Tablet-PCs, spielen in der
Glasentwicklung eine zu-
nehmende Rolle. Es lässt
sich beobachten: Ver-
schiedene Brillenglas-
hersteller entwerfen
unterschiedliche Lö-
sungen für ein und
dasselbe Sehbedürfnis.
Der rasante Anstieg von
Fehlsichtigkeiten auch unter
Noch-Nicht-Presbyopen, insbeson-
dere der Myopie, führt parallel zu einem
steigenden Bedarf an Einstärken-Marken-
gläsern, ebenso gewinnen spezielle De-
signs für Gleitsichtgläser – optimiert für
den modernen Lebensstil – an Popularität.
Neue Technologien,
stärkere Individualisierung
Computergestützte Analyse- und Ferti-
gungsverfahren waren noch vor wenigen
Jahren kaum verbreitet. Heute ermögli-
chen moderne Technologien ein Höchst-
maß an Individualisierung und Anpassung
der Brillengläser an den Brillenträger,
etwa der i.Profiler von Zeiss, die „Doppel-
flächen-Technologie“ von Hoya oder der
DNEye Scanner von Rodenstock. Stich-
wort Freiformtechnologie: Mit dem seit
der Jahrtausendwende erstmals in großem
Maßstab eingesetzten Herstellungsverfah-
ren lassen sich individuelle Rezeptgläser
in zuvor ungeahnter Präzision und Qua-
lität anfertigen. Ein Potenzial, das jüngst
mit neuen Designtechniken und einem
Höherer
Anspruch an das
Glas bei kürzeren
Prozesszeiten und
geringerer Kom-
plexität bei Halb-
fabrikaten.
Das Sehen in Armlängendistanz nimmt eine immer größere Bedeutung ein, unter anderem
durch die vermehrte Nutzung digitaler Endgeräte. Ein Umstand, der mittlerweile in vielen
Designs Berücksichtigung findet. (Foto: Essilor)
Der moderne
Lebenswandel
erfordert neue
Glastypen.




