DOZ_11_2013 - page 8

TITELTHEMA
MESSEBERICHT AUSLAND
Werbung von Augenärzten
mit „Brillenanpassung“
bzw. „Sehhilfen“
In der letzten Zeit gingen bei der Wett-
bewerbszentrale einzelne Beschwer-
den über Werbung von Augenärzten
ein, in der uneingeschränkt und ohne
weitere Erläuterung eine „Brillenan-
passung“ oder aber die Abgabe von
„Sehhilfen“ angeboten wurde. Die
mit der Werbung angesprochenen
Patienten können eine solche Wer-
bung nur so verstehen, dass der Arzt
in seiner Praxis nicht nur Augenglas-
bestimmungen, sondern auch die An-
passung vollständiger Brillen durch-
führt („Brillenanpassung“) bzw.
Brillen abgibt („Sehhilfen“).
Dem steht jedoch entgegen, dass es
sich bei der Anpassung und der Abga-
be von Brillen um gewerbliche Tätig-
keiten handelt, die ein Augenarzt –
nach der Berufsordnung – nicht gene-
rell, sondern nur ganz ausnahmsweise
dann erbringen darf, wenn sie notwen-
diger Bestandteil ärztlicher Therapie
sind. Ansonsten handelt es sich um
typische Leistungen des Augenopti-
kerhandwerks (so BGH, Urteil vom
09.07.2013, Az. I ZR 13/07 – Brillen-
versorgung).
Geht man davon aus, dass die Ärzte
sich an diese gesetzlichen Vorgaben
halten, verstößt die Werbung gegen
das Irreführungsverbot des § 5 Abs. 1
S. 2 Nr. 3 UWG. Denn im Zusammen-
hang mit der Werbung für eine
„Brillenanpassung“ oder „Sehhilfen“
müsste klargestellt werden, dass das
Angebot auf die Fälle beschränkt ist,
in denen die Brillenanpassung und
-abgabe notwendiger Bestandteil der
ärztlichen Therapie ist. Fehlt ein sol-
cher Hinweis, kann die Werbung im
Wege der Abmahnung beanstandet
werden. Entsprechend ist die Wettbe-
werbszentrale auch in den Beschwer-
defällen tätig geworden.
n
Rechtsanwältin Sabine Siekmann,
Wettbewerbszentrale
Büro Hamburg
Wettbewerbs
Recht
16
DOZ
11 | 2013
Deutsch-Französische-Freundschaft
Im Rahmen einer unvergesslichen Bootsfahrt auf der abendlichen Seine diskutier-
ten Vertreter der deutschen Industrie, des ZVA und des SNOF (Sydicat National
Ophthalmologistes de France) Unterschiede rund um die Augenoptik in den beiden
Ländern. Neben den erläuterten Diskrepanzen bei Berufsorganisation, Ausbildung
und rechtlichen Rahmenbedingungen kam auch zur Sprache, dass der augenopti-
sche Online-Handel in Deutschland weiter verbreitet ist als in Frankreich: aber
noch lange nicht in der Gewinnzone. In Deutschland, so ZVA-Vize-Präsident Jürgen
Meyer, betrage das Volumen für Korrektionsbrillen, die über das Netz vertrieben
werden, geschätzt zwei, in Frankreich ein Prozent. Dort hat sich der Onlineanbieter
Sensee mit einem Umsatzvolumen von 24 Millionen Euro zum Marktführer ent-
wickelt. Zum Vergleich: Mister Spex erzielte im vergangenen Jahr laut eigenen
Angaben 26 Millionen Euro Umsatz. Schwerpunkt des Onlinehandels ist in beiden
Ländern der Kontaktlinsenversand. Als Multichannel-Player treten bei den Nach-
barn zum Beispiel Krys, Optic 2000, Optical Center, Solaris und Lerclerc auf. (ch)
für jeden Franzosen verpflichtenden
Krankenversicherung. Ohne diese Zu-
schüsse kauft kaum ein Franzose eine
Brille. Die seit über zwanzig Jahre nicht
veränderten und schon damals minima-
len Zuschüsse für Brillen der gesetz-
lichen Krankenversicherung können seit
Langem durch Zusatzversicherungen
aufgebessert werden. Der französische
Verbraucher ist an das System gewöhnt
und nahezu jeder von ihnen hat heute
eine solche Zusatzversicherung.
Druck von den
französischen
Krankenkassen steigt
Preiserwartungen und Kaufentscheidun-
gen orientieren sich an den Zuschüssen.
Damit wuchs auch der Einfluss dieser
Versicherer auf den Markt und die politi-
schen Entscheidungsträger. Seit einiger
Zeit versuchen die Versicherungskonzer-
ne über die Politik, ihren Einfluss auszu-
weiten. Sie wollen ihre Bezuschussung
an Exklusivverträge mit augenoptischen
Lieferanten koppeln. Diese sollen dann
zu Preisen liefern, die von den Versiche-
rungen bestimmt werden. Die freie Wahl
des Lieferanten, sprich Augenoptikers,
wäre damit aufgehoben. Da der Anteil
der rein privat gekauften Brillen relativ
gering ist, stellt diese geplante Regelung
eine Bedrohung für die traditionellen
Augenoptiker dar. Eine Herauslösung der
Sehhilfen aus dem Leistungskatalog ist
nahezu ausgeschlossen. Der Leistungs-
anspruch beruht auf einem verfassungs-
mäßig festgelegten Recht. Die drohende
Horrorvision für die französischen Kolle-
gen trifft zu allem Übel auf eine zersplit-
terte und bei entscheidenden Fragen völ-
lig uneinige Verbandslandschaft.
Kein zentraler
Dachverband
Die französischen Kollegen haben keinen
Dachverband als Interessenvertreter. Es
gibt mindestens vier größere Verbandszu-
sammenschlüsse. Diese vertreten gegen-
über der Politik recht unterschiedliche
Positionen. Die großen Einkaufsgemein-
schaften versuchen ebenfalls eigenstän-
dig die Interessen ihrer Mitglieder zu
wahren. Diese Meinungsvielfalt und Zer-
splitterung der Interessensvertretungen
ist zur Wahrung von Interessen die
ungünstigste Ausgangslage. Frankreichs
Augenoptik drohen schwierige Zeiten.
Deutsche Hilfe ist da kaum möglich. EU-
weite Regelungen wären höchstens auf
lange Sicht eine Lösung.
Für den deutschen Augenoptikmarkt
sind Rückschlüsse aus der französischen
Entwicklung sehr wohl zu ziehen. Die
alten Sprüche: „nur gemeinsam sind wir
stark“ und „wehret den Anfängen“ hätten
bei neuen Arten von Privatversicherun-
gen für Brillen auch auf dem deutschen
Markt nichts an Aktualität verloren.
Für der französischen Sprache Mäch-
tige mehr unter
-
opticien.org
oder
n
Sylvia und Bernd Brandt
Ob es die französischen Kran-
kenkassen schaffen, Exklusiv-
verträge mit der augenoptischen
Industrie zu schließen?
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